· Fachbeitrag · Der praktische Fall
Gegenstandswerte in der Zwangsvollstreckung
von Dipl.-Rechtspfleger Joachim Volpert, Willich
| In der Praxis stellt sich auch in der Zwangsvollstreckung die Frage, welcher Gegenstandswert eigentlich anzusetzen ist. Der folgende Beitrag zeigt, mit welchen Werten gerechnet werden muss. |
1. Grundlagen
Der Gegenstandswert der Anwaltsgebühren in der Zwangsvollstreckung ist in § 25 RVG geregelt. Danach ist bei Vollstreckung einer Geldforderung grundsätzlich deren Wert maßgebend. Abweichend zu der Streitwertbestimmung für das Erkenntnisverfahren bilden im Bereich der Zwangsvollstreckung auch sämtliche Nebenforderungen, Zinsen, Kosten bisheriger Vollstreckungsmaßnahmen den Streitwert (§ 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG). Bei Teilvollstreckung (z.B. aus Kostengründen, um zu sehen, ob der Schuldner überhaupt pfändbare Habe hat) ist nur der Teilbetrag maßgeblich.
2. Vollstreckung in einen Gegenstand
Die Vollstreckung in einen bestimmten Gegenstand ist bei der Wertbestimmung des Vollstreckungsauftrags zu berücksichtigen, wenn dieser Wert geringer ist als die zu vollstreckende Forderung.
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Rechtsanwalt R beantragt wegen einer Forderung über 500 EUR und Nebenforderungen von 100 EUR die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Schuldners. Der Gerichtsvollzieher pfändet eine Stereoanlage (Wert 2.000 EUR). Lösung:
Der höhere Wert der gepfändeten Stereoanlage von 2.000 EUR wäre nur für die Gebührenberechnung maßgebend, wenn der Rechtsanwalt einen ausdrücklichen Auftrag zur Pfändung der Stereoanlage erteilt hätte. Der Wert beträgt daher 600 EUR (500 EUR Hauptforderung zzgl. 100 EUR Nebenforderungen). |
3. Vollstreckung in ein Konto
Vollstreckt der Gläubiger in ein Konto des Schuldners, ist ihm in der Regel - anders als bei der Vollstreckung in einen Gegenstand - der Wert, sprich die Höhe des Kontoguthabens nicht bekannt.
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R beantragt für den Gläubiger die Pfändung des Kontos des Schuldners wegen einer titulierten Forderung von 1.000 EUR. Dem Gläubiger ist der Kontostand nicht bekannt. Er geht jedoch davon aus, dass das Konto den Wert der zu vollstreckenden Geldforderung von 1.000 EUR hat. Zu konkreten Angaben ist der Gläubiger jedoch nicht in der Lage. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bleibt letztlich wegen vorrangiger Forderungen wirkungslos. Lösung:
Der Gegenstandswert bestimmt sich nach dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung plus Nebenforderungen (§ 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG). Soll ein bestimmter Gegenstand gepfändet werden und hat er einen geringeren Wert, ist dieser maßgebend. Geht die Pfändung - wie hier - ins Leere, weil der Gegenstand nicht existiert, unpfändbar oder wertlos ist, ist der Gegenstandswert umstritten.
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4. Vollstreckung in das Einkommen des Schuldners
Bei der Pfändung des Arbeitseinkommens oder einer Unterhaltsrente des Schuldners sind weitere Besonderheiten zu beachten.
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Wegen einer Forderung von 1.000 EUR beantragt R, das fällige und künftig fällig werdende Arbeitseinkommen des Schuldners zu pfänden. Dieses beträgt 2.000 EUR, wovon 500 EUR pfändbar waren. Lösung:
Ein bestimmter Gegenstand wird auch bei der Pfändung und Überweisung von Arbeitseinkommen gepfändet. Nach § 832 ZPO erstreckt sich das Pfandrecht, das durch die Pfändung einer Gehaltsforderung oder einer ähnlichen in fortlaufenden Bezügen bestehenden Forderung erworben wird, auch auf die nach der Pfändung fällig werdenden Beträge. Daher ist auch das künftig fällig werdende Arbeitseinkommen mit zu berücksichtigen. Der Wert berechnet sich danach, wie lange bei der Höhe des pfändbaren Betrags des Arbeitseinkommens die Pfändung andauern wird. Der Zeitraum ist dabei begrenzt durch das Erreichen des derzeitigen Rentenalters von 65 Jahren. Der Gegenstandswert beträgt gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1 HS. 1 RVG 1.000 EUR, weil das Arbeitseinkommen keinen geringeren Wert hat. |
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Wegen der titulierten bereits fälligen und der künftig fällig werdenden Unterhaltsrente von 1.000 EUR monatlich beantragt R, das fällige und künftig fällig werdende Arbeitseinkommen des Schuldners zu pfänden. Lösung:
Wird wegen titulierter künftig fällig werdender gesetzlicher Unterhaltsansprüche oder Rentenansprüchen aus Anlass der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit künftig fällig werdendes Arbeitseinkommen nach § 850d Abs. 3 der ZPO gepfändet (Vorratspfändung), sind die noch nicht fälligen Ansprüche nach § 51 Abs. 1 S. 1 FamGKG und § 42 Abs. 1 GKG zu bewerten. Der fällige Anspruch ist nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 HS. 1 RVG zu bewerten. Die Bestimmung gilt nur für die Vorratspfändung nach § 850d Abs. 3 ZPO, nicht für den Pfändungsumfang bei fortlaufenden Bezügen nach § 832 ZPO. Gegenstandswert ist nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 HS. 1 RVG grundsätzlich der Wert der Forderung, wegen der vollstreckt wird und nicht der Wert der Forderung, in die vollstreckt wird. Zudem gelten § 51 FamGKG und § 42 Abs. 1 GKG ausschließlich für die Berechnung des Gegenstandswerts von Forderungen auf Erfüllung einer künftigen gesetzlichen Unterhaltspflicht und auf Entrichtung einer künftigen Rente wegen Verletzung des Körpers oder der Gesundheit, und nicht für die Berechnung von Arbeitseinkommen. | ||||||||||||
Es sind daher nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 HS. 3 RVG, § 51 Abs. 1 FamGKG und § 42 Abs. 1 GKG die noch nicht fälligen künftigen Unterhalts- und Rentenansprüche und nicht das künftig fällig werdende Arbeitseinkommen zu bewerten (LG Kiel JurBüro 91, 1199). Der Gegenstandswert für die Vorratspfändung nach § 850d Abs. 3 ZPO berechnet sich nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 HS. 3 ZPO, § 51 Abs. 1 S. 1 FamGKG:
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PRAXISHINWEIS | Die Ausnahmeregelung des § 25 Abs. 1 Nr. 1 HS. 2 RVG (geringerer Wert des zu pfändenden Gegenstands) gilt nicht bei der Vorratspfändung nach § 850d Abs. 3 BGB, da hierfür im HS. 3 eine eigene Ausnahmeregelung enthalten ist und sich die Ausnahmeregelungen der Halbsätze 2 und 3 gegenseitig ausschließen. Als Spezialvorschrift geht § 25 Abs. 1 Nr. 1 HS. 3 RVG bei der Vorratspfändung nach § 850d Abs. 3 ZPO § 25 Abs. 1 Nr. 1 HS. 2 RVG vor (Volpert, ZAP Fach 24, 907, 919; a.A.: Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 20. Aufl., Rn. 15 zu § 25 RVG; LG Kiel SchlHA 90, 12, KostRsp. BRAGO §§ 57, 58 Nr. 72 m. abl. Anm. Lappe). |
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R beantragt wegen einer Forderung über 1.000 EUR und Nebenforderungen von 100 EUR die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung. Der Schuldner hat bereits 400 EUR an den Gläubiger gezahlt. R nimmt an dem vom Gerichtsvollzieher anberaumten Termin teil. Lösung:
Wird die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung beantragt, beträgt ihr Wert höchstens 1.500 EUR (§ 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG). Nach dem RegE zum 2. KostRMoG soll der Höchstwert auf 2.000 EUR angehoben werden. Ansonsten ist der Betrag maßgeblich, der einschließlich der Nebenforderungen noch geschuldet wird. Auf die Höhe der Vollstreckungsforderung kommt es somit nicht an. Der Wert beträgt hier 700 EUR (1.000 EUR plus 100 EUR Nebenforderungen minus gezahlter 400 EUR). |
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Auf Antrag des R hat das Vollstreckungsgericht wegen einer Forderung über 800 EUR einen PfÜB erlassen, mit dem die angeblichen Forderungen der Schuldnerin von je 1.000 EUR gegen drei Drittschuldnerinnen aus Mietverträgen gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen worden sind. Mitvollstreckt werden 25 EUR Zinsen, die bis zur Antragstellung entstandenen Vollstreckungskosten über 50 EUR sowie Anwalts- und Gerichtskosten für die Beantragung des PfÜB von 65 EUR. | ||||||||||||
Lösung:
Zu den zu berücksichtigenden Nebenforderungen zählen die Zinsen nicht nur bis zum Erlass des Titels, sondern bis zum Tag der Durchführung der Vollstreckung, da sich erst zu diesem Zeitpunkt der Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung einschließlich der Nebenforderungen ergibt (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., § 25 Rn. 6; a.A. AnwKom-RVG/Wolf, a.a.O., § 25 Rn. 2). Ferner sind die bisherigen Vollstreckungs- einschließlich der bisherigen Anwaltskosten zu berücksichtigen, nicht jedoch die Kosten, die durch die aktuelle Vollstreckungsmaßnahme entstehen. Der danach maßgebende Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung von 875 EUR (Hauptforderung 800 EUR, Zinsen 25 EUR und bisherige Kosten 50 EUR) ist lediglich einmal anzusetzen. Zwar liegen bei der Vollstreckung in Forderungen des Schuldners gegen drei verschiedene Drittschuldner drei Gegenstände vor. Eine Zusammenrechnung der Werte der drei Forderungen gemäß § 22 Abs. 1 RVG kommt aber nicht in Betracht, weil die gepfändeten Forderungen wirtschaftlich identisch sind. Denn sie haben zumindest denselben Wert wie die zu vollstreckende Forderung. Sie sind für die Gläubigerin austauschbar und jede von ihnen bedient dasselbe wirtschaftliche Interesse. Die Gläubigerin kann durch die Vollstreckung den Anspruch insgesamt nur einmal befriedigen (BGH RVG prof. 11, 95). |
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Auf Antrag des R hat das Vollstreckungsgericht wegen einer Hauptforderung über 800 EUR einen PfÜB erlassen, mit dem die angeblichen Forderungen der Schuldnerin von je 250 EUR gegen drei Drittschuldnerinnen aus Mietverträgen gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen worden sind. Mitvollstreckt werden Zinsen in Höhe von 25 EUR, die bis zur Antragstellung entstandenen Vollstreckungskosten über 50 EUR sowie Anwalts- und Gerichtskosten für die Beantragung des PfÜB in Höhe von 65 EUR. Lösung:
Der Wert richtet sich hier nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 RVG. Maßgebend sind die drei Forderungen des Schuldners gegen die drei Drittschuldner, da diese einen geringeren Wert haben als die zu vollstreckende Forderung. Eine Zusammenrechnung gemäß § 22 Abs. 1 RVG ist auch hier vorzunehmen. Denn die wirtschaftliche Identität fehlt, soweit die gepfändeten Forderungen kleiner sind als die zu vollstreckende Forderung. Denn dann bedeutet jede weitere Pfändung einen Mehrwert für den Gläubiger, bis er vollständig befriedigt ist. Ein Additionsverbot ist daher bis zum Erreichen des Werts der zu vollstreckenden Forderung nicht gerechtfertigt (BGH, a.a.O.). |