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  • · Fachbeitrag · Doppelte Terminsgebühr

    Terminsgebühr kann für Haupt- und Unterbevollmächtigten anfallen

    von RA Norbert Schneider, Neunkirchen

    | Das OLG Celle hat jetzt entschieden: Nimmt der Terminsvertreter an einem Verhandlungstermin teil und schließt anschließend der Hauptbevollmächtigte einen schriftlichen Vergleich, erhalten sowohl der Terminsvertreter als auch der Hauptbevollmächtigte jeweils eine gesonderte Terminsgebühr. |

     

    Sachverhalt

    Antragstellerin A hatte in einer Familienstreitsache die an ihrem Wohnsitz niedergelassene Anwältin V als Verfahrensbevollmächtigte beauftragt und für den Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem auswärtigen Gericht den dort ansässigen Terminsvertreter T, der den Termin wahrgenommen hat. Nach dem Termin hat das Gericht den Beteiligten einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, den beide durch ihre Verfahrensbevollmächtigten angenommen haben. Das Gericht hat daraufhin das Zustandekommen des Vergleichs mit Beschluss im schriftlichen Verfahren gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt und den Verfahrenswert auf 16.569 EUR festgesetzt. Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren meldete A sowohl für T als auch für V jeweils eine 1,2-Terminsgebühr i. H. v. 780 EUR an. Das Gericht hat antragsgemäß festgesetzt. Hiergegen hat der Antragsgegner X sofortige Beschwerde erhoben. Er ist der Auffassung, eine Terminsgebühr könne für einen Hauptbevollmächtigten nicht mehr anfallen, wenn diese bereits beim Unterbevollmächtigten entstanden sei. Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Zwar kann derselbe Rechtsanwalt nach § 15 Abs. 2 RVG die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Dies schließt es jedoch nicht aus, dass bei Beauftragung mehrerer Rechtsanwälte dieselben Gebührentatbestände gesondert ausgelöst werden. Daher können dieselben Gebührentatbestände, insbesondere beim Haupt- und beim Unterbevollmächtigten, gesondert entstehen.

     

    Wichtig | So verhielt es sich hier. T hatte unstreitig durch die Wahrnehmung des Verhandlungstermins nach Nr. 3402 VV RVG i. V. m. Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1, Nr. 3104 VV RVG eine 1,2-Terminsgebühr verdient. V hat zwar nicht an einem gerichtlichen Termin teilgenommen; sie hat aber die Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG verdient. Da im zugrunde liegenden Verfahren als Familienstreitsache (§ 112 Nr. 1 FamFG) eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben war (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 128 Abs. 1 ZPO), hat der Abschluss eines schriftlichen Vergleichs auch ohne Terminswahrnehmung die sog. „fiktive“ Terminsgebühr nach Anm. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG ausgelöst. Es gibt auch keine nachvollziehbaren Gründe dafür, dass diese Terminsgebühr für einen Hauptbevollmächtigten ausgeschlossen sein soll, weil beim Unterbevollmächtigten bereits eine Terminsgebühr angefallen ist. Beide Terminsgebühren entstehen vielmehr unabhängig voneinander und sind gesondert erstattungsfähig.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung ist zutreffend (OLG Celle 4.7.18, 21 WF 163/17, Abruf-Nr. 204625). Das Entstehen einer fiktiven Terminsgebühr ist neben der in einem gerichtlichen Termin entstehenden Terminsgebühr möglich.

     

    Die Terminsgebühren für Haupt- und Unterbevollmächtigten entstehen ‒ wie alle anderen Gebühren ‒ unabhängig voneinander. § 15 Abs. 2 RVG schließt nur für denselben Anwalt die mehrmalige Entstehung derselben Gebühr aus, soweit nichts anderes bestimmt ist. Soweit in einer Angelegenheit mehrere Anwälte tätig sind, kann jeder Anwalt die entsprechenden Gebühren gesondert verdienen.

     

    Dies hat der BGH (RVG prof. 14, 94) bereits schon für den doppelten Anfall der Einigungsgebühr entschieden. Sofern sowohl der Hauptbevollmächtigte als auch der Unterbevollmächtigte an einer Einigung mitgewirkt haben, verdienen beide eine Einigungsgebühr.

     

    Soweit das LG Mönchengladbach (AGS 09, 266) die Auffassung vertritt, eine Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG könne begrifflich nur anfallen, wenn im gesamten Verfahren eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden habe, findet dies im Gesetz keine Stütze.

     

    Abzurechnen war daher wie folgt:

     

    • So war abzurechnen
    I. Verfahrensbevollmächtigte V

    1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 16.569 EUR)

    904,80 EUR

    2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 16.569 EUR)

    835,20 EUR

    3. 1,0-Einigungsgebühr, Nr. 1000, 1003 VV RVG (Wert: 16.569 EUR)

    696,00 EUR

    4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    5. 19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    466,64 EUR

    2.922,64 EUR

    II. Terminsvertreter T

    1. 0,65-Verfahrensgebühr, Nr. 3401, 3100 VV RVG (Wert: 16.569 EUR)

    452,40 EUR

    2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3402, 3104 VV RVG (Wert: 16.569 EUR)

    835,20 EUR

    3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    4. 19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    248,44 EUR

    1.556,04 EUR

     

    Die „doppelte“ Terminsgebühr ist nicht auf den Fall des Abschlusses eines schriftlichen Vergleichs durch den Hauptbevollmächtigten beschränkt. Die „doppelte“ Terminsgebühr kann auch in allen anderen Fällen der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG anfallen.

     

    • Beispiele
    • 1. Der Terminsvertreter V nimmt am Termin zur mündlichen Verhandlung teil. Später erkennt der Beklagte die Klageforderung an, sodass der Hauptbevollmächtigte H gemäß § 307 ZPO ein Anerkenntnisurteil ohne mündliche Verhandlung erwirkt.

     

    • 2. Nach dem Termin, an dem der Terminsvertreter V teilgenommen hat, geht das Gericht im Einverständnis der Parteien in das schriftliche Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO über und entscheidet.
     

    In beiden Fällen entsteht ebenfalls die Terminsgebühr doppelt, und zwar einmal für den Terminsvertreter nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV und für den Hauptbevollmächtigten nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV.

     

    Erst recht kann die Terminsgebühr doppelt anfallen, wenn sowohl Hauptbevollmächtigter als auch Terminsvertreter an einem gerichtlichen Termin teilnehmen.

     

    • Beispiele
    • 1. Der Hauptbevollmächtigte H nimmt am Termin zur mündlichen Verhandlung teil. Für eine Zeugenvernehmung vor dem auswärtigen Gericht wird Terminsvertreter V beauftragt.

     

    • 2. Im Termin zur mündlichen Verhandlung, an dem der Hauptbevollmächtigte H teilgenommen hat, wird die Sache an ein anderes Gericht verwiesen. Den dortigen Termin nimmt Terminsvertreter V wahr.
     

    In beiden Fällen haben sowohl der Hauptbevollmächtigte als auch der Terminsvertreter an einem gerichtlichen Termin i. S. d. Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV RVG teilgenommen und somit eine Terminsgebühr verdient.

     

    Die „doppelte“ Terminsgebühr ist grundsätzlich auch erstattungsfähig. Zwar sind die Kosten eines Terminsvertreters nur in der Höhe zu erstatten, als sie die ersparten Reisekosten des Hauptbevollmächtigten nicht wesentlich (10 Prozent) übersteigen (BGH RVG prof. 15, 148). Diese Vergleichsbetrachtung gilt jedoch nicht für unvorhersehbare Kosten, wie z. B. eine „doppelte“ Einigungsgebühr (BGH RVG prof. 14, 94). Gleiches muss daher auch für die „doppelte“ Terminsgebühr gelten, jedenfalls, soweit mit ihr im Voraus (ex ante) nicht zu rechnen ist.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Terminsvertreter darf teurer sein als ersparte Reisekosten des Hauptbevollmächtigten, RVG prof. 15, 148
    • Gebühren des Terminsvertreters und des Hauptbevollmächtigten bestehen nebeneinander, RVG prof. 14, 94
    Quelle: Ausgabe 12 / 2018 | Seite 204 | ID 45519538