· Fachbeitrag · Einigungsgebühr
Einigungsgebühr im Berufungsverfahren
von RiLG Dr. Julia Bettina Onderka, Bonn
| Wirkt der Anwalt im Berufungsverfahren an einer Einigung der Parteien mit, erhält er für diese Tätigkeit eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG ff. sowie eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG. Der folgende Beitrag zeigt die wichtigsten Fallgestaltungen und deren Abrechnung. |
1. Einigung über den Gegenstand des Berufungsverfahrens
Treffen die Parteien über die im Berufungsverfahren anhängigen Gegenstände eine Einigung, entsteht eine 1,3-Einigungsgebühr nach Nr. 1004 VV RVG. Daneben erhält der Anwalt die 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG.
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A klagt gegen B auf Herausgabe eines Pkw (Wert: 25.000 EUR). Nachdem die Klage in einer Instanz abgewiesen wurde, legt A Berufung ein. In der mündlichen Verhandlung vor dem OLG einigen sich die Parteien. Lösung: Der Anwalt des A kann für das Berufungsverfahren folgende Gebühren aus einem Wert von 25.000 EUR abrechnen:
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Die Einigung muss nicht zwingend im Berufungsverfahren getroffen werden. Im Gegensatz zur BRAGO, die darauf abstellte, in welcher Instanz der Vergleich geschlossen wurde (§ 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO), kommt es nach dem RVG nur noch darauf an, in welcher Instanz der Gegenstand der Einigung anhängig ist.
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A klagt gegen B vor dem AG auf Zahlung von 5.000 EUR. In einem weiteren Rechtsstreit der Parteien, der sich im Berufungsverfahren vor dem OLG befindet, sind 8.000 EUR anhängig. Die Parteien einigen sich über beide Forderungen a) im Verhandlungstermin vor dem AG, b) im Verhandlungstermin vor dem OLG. Lösung: In beiden Fällen entsteht eine 1,0-Einigungsgebühr aus 5.000 EUR (Nr. 1003 VV RVG) sowie eine 1,3-Einigungsgebühr aus 8.000 EUR (Nr. 1004 VV RVG). Begrenzt wird die Gebührenforderung des Anwalts durch eine 1,3-Einigungsgebühr aus 13.000 EUR (vgl. § 15 Abs. 3 RVG). |
Ist die zwischen den Parteien streitige Forderung gleichzeitig in mehreren Instanzen anhängig, entstehen zwei getrennte Einigungsgebühren. Das gesamte Gebührenaufkommen ist dann ggf. nach § 15 Abs. 3 RVG zu kürzen.
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A klagt auf Schadenersatz in Höhe von 20.000 EUR. Vor dem LG ergeht ein Grundurteil, das den Schadenersatzanspruch zu 50 Prozent dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. B legt hiergegen Berufung ein. Im Berufungsverfahren einigen sich die Parteien über sämtliche Ansprüche, also über Grund und Höhe. Lösung:
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2. Einigung auch über andere Gegenstände
Bezieht sich die Einigung der Parteien auch auf Gegenstände, die nicht im konkreten Berufungsverfahren anhängig sind (sog. Mehreinigung), hängt die Höhe der Einigungsgebühr davon ab, ob die anderen Gegenstände anderweitig anhängig sind oder nicht. Bei Anhängigkeit des anderen Gegenstands richten sich die Einigungsgebühren nach Nr. 1003, 1004 VV RVG, ansonsten berechnen sie sich nach Nr. 1000 VV RVG.
a) Der andere Gegenstand ist anhängig
Ist über den weiteren Gegenstand, der von der Einigung ebenfalls erfasst wird, ein gerichtliches Verfahren anhängig (ausgenommen ein selbstständiges Beweisverfahren oder ein darauf gerichtetes Prozesskostenhilfeverfahren), so entsteht eine Einigungsgebühr nach Nr. 1003, 1004 VV RVG.
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A klagt gegen B auf Schadenersatz in Höhe von 25.000 EUR. Nachdem die Klage abgewiesen wurde, einigen sich die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem OLG. In die Einigung wird eine Forderung in Höhe von 10.000 EUR einbezogen, die B im Rahmen einer Klage gegen A vor dem LG geltend macht (hier sind andere Anwälte tätig). Welche Vergütung kann der Anwalt des A für das Berufungsverfahren verlangen? Lösung:
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Die Gebührensätze der Nr. 1003, 1004 VV RVG greifen bei Anhängigkeit des betreffenden Gegenstands ein. Ausreichend ist also der Eingang einer Klage oder Antragsschrift bei Gericht. Auf die Zustellung kommt es nicht an. Wichtig ist, dass die Anhängigkeit zum Zeitpunkt der Einigung bestand. War der Gegenstand der Einigung zwar zu einem früheren Zeitpunkt, nicht aber während der Einigung anhängig, fällt eine 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG an.
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In Fall 4 ist der Rechtsstreit hinsichtlich der Forderung von 10.000 EUR im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem OLG bereits durch Klagerücknahme beendet. Sodann treffen A und B die Einigung. Lösung: Zum Zeitpunkt der Einigung war keine Anhängigkeit der einbezogenen Forderung gegeben. Die frühere Anhängigkeit ist unbeachtlich. Die Einigungsgebühr hinsichtlich der Mehreinigung richtet sich daher nach Nr. 1000 VV RVG. |
b) Der andere Gegenstand ist nicht anhängig
Werden im Berufungsverfahren Gegenstände in eine Einigung einbezogen, die nicht anhängig sind, erhält der Anwalt - soweit er denn hinsichtlich dieser Gegenstände einen Verfahrensauftrag hat - aus dem Mehrwert eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100, 3101 VV RVG sowie eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG.
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B wird zur Zahlung von 20.000 EUR verurteilt und legt Berufung ein. Noch vor dem Verhandlungstermin beim OLG einigen sich die Parteien unter Beteiligung ihrer Anwälte außergerichtlich über die 20.000 EUR sowie über weitere nicht anhängige 5.000 EUR (der Anwalt des A hat bereits einen Verfahrensauftrag). Welche Gebühren kann der Anwalt des A geltend machen? | ||||||||||||||||||||||
Lösung:
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Der Anwalt erhält in diesem Fall eine Terminsgebühr auch ohne gerichtlichen Verhandlungstermin, weil er für seine Partei an einer Besprechung zur Erledigung des Rechtsstreits nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG teilgenommen hat.
Hat der Anwalt noch keinen Verfahrensauftrag, entsteht für die Tätigkeit hinsichtlich des anderen Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG, deren Höhe im konkreten Einzelfall nach § 14 Abs. 1 RVG zu bestimmen ist.