· Fachbeitrag · Gebührenanrechnung
Nach Ablauf von zwei Kalenderjahren dürfen Gebühren nicht mehr angerechnet werden
von RA Norbert Schneider, Neunkirchen
| Ebenso wie das Gesetz in § 15 Abs. 5 S. 2 RVG eine neue Angelegenheit fingiert, wenn der Anwalt nach Ablauf von zwei Kalenderjahren seit Erledigung einer Angelegenheit in derselben Angelegenheit erneut beauftragt wird, schließt diese Regelung auch eine Gebührenanrechnung nach Ablauf von zwei Kalenderjahren aus. Der folgende Beitrag zeigt anhand von Beispielen, wann der Anrechnungsausschluss greift. |
1. Die gesetzliche Regelung
Eine entsprechende Regelung wie in § 15 Abs. 5 S. 2 RVG fehlte in der Vorgängervorschrift des § 13 Abs. 5 S. 2 BRAGO noch. Daher war bis zum Inkrafttreten des RVG umstritten, ob nach Ablauf von zwei Kalenderjahren die Anrechnung ausgeschlossen war. Die h.M. nahm jedoch bereits einen Anrechnungsausschluss an (OLG München AGS 01, 51; a.A. FG Baden-Württemberg AGS 04, 102). Zwischenzeitlich ist in § 15 Abs. 5 S. 2 RVG ausdrücklich geregelt, dass auch eine Anrechnung nach Ablauf von zwei Kalenderjahren ausgeschlossen ist.
2. Einzelfälle
In folgenden Fällen ist ein Anrechnungsausschluss denkbar, mit dann erheblichen Auswirkungen auf die Gesamtgebühren.
a) Zurückverweisung
Ein Fall des Anrechnungsausschlusses ergibt sich insbesondere bei einer Zurückverweisung. Wird die Entscheidung der Vorinstanz erst nach Ablauf von zwei Kalenderjahren aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, kommt eine Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 6 VV RVG nicht mehr in Betracht (OLG München AGS 06, 369; LAG Rheinland-Pfalz AGS 10, 163; OLG Düsseldorf RVG prof. 09, 93; OLG Köln MDR 09, 1365).
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Auf die Klage über 12.000 EUR hatte das LG ein zusprechendes Urteil erlassen. Hiergegen hat der Beklagte am 30.11.10 Berufung eingelegt. Das OLG hat das Urteil am
aufgehoben und die Sache an das LG zurückverwiesen. |
Im Ausgangsverfahren ist - unabhängig von der Zurückverweisung - zunächst wie folgt abzurechnen:
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1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 12.000 EUR) | 683,80 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 12.000 EUR) | 631,20 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
Zwischensumme | 1.335,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG | 253,65 EUR |
Gesamt | 1.588,65 EUR |
Im Verfahren nach Zurückverweisung ist im Fall a) die Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 6 VV RVG zu beachten, da noch keine zwei Kalenderjahre vergangen sind.
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1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 12.000 EUR) | 683,80 EUR |
gemäß Vorbem. 3 Abs. 6 VV RVG anzurechnen | - 683,80 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 12.000 EUR) | 631,20 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
Zwischensumme | 651,20 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG | 123,73 EUR |
Gesamt | 774,93 EUR |
Dagegen ist im Fall b) die Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 6 VV RVG jetzt gemäß § 15 Abs. 5 S. 2 RVG ausgeschlossen, da bei Eingang der Akten vor dem LG mehr als zwei Kalenderjahre vergangen sind.
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1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 12.000 EUR) | 683,80 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 12.000 EUR) | 631,20 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
Zwischensumme | 1.335,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG | 253,65 EUR |
Gesamt | 1.588,65 EUR |
b) Selbstständiges Beweisverfahren
Ein Fall des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG liegt ferner vor, wenn zwischen dem Abschluss eines selbstständigen Beweisverfahrens und dem Beginn des Hauptsacheverfahrens mehr als zwei Kalenderjahre liegen. Eine Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 5 VV RVG unterbleibt in diesem Fall (OLG Zweibrücken AGS 00, 64 u. 145, noch zu § 13 Abs. 5 BRAGO).
c) Mahnverfahren
Des Weiteren ist eine Anrechnung nach § 15 Abs. 5 S. 2 RVG ausgeschlossen, wenn zwischen der Beendigung des Mahnverfahrens infolge Widerspruchs des Antragsgegners und dem Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens mehr als zwei Kalenderjahre liegen. Das gilt sowohl für den Anwalt des Antragstellers, als auch für den Anwalt des Antragsgegners. Eine Anrechnung nach Anm. zu Nr. 3305 VV RVG oder Anm. zu Nr. 3307 VV RVG unterbleibt auch hier (OLG München AGS 01, 151, noch zu § 13 Abs. 5 BRAGO).
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Der Anwalt hatte im November 2010 gegen den Mahnbescheid über 8.000 EUR Widerspruch eingelegt. Im Mai 2013 wird das streitige Verfahren durchgeführt. |
Die Anrechnung der Verfahrensgebühr nach Anm. zu Nr. 3307 VV RVG unterbleibt, da zwischenzeitlich mehr als zwei Kalenderjahre vergangen sind.
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0,5-Verfahrensgebühr, Nr. 3307 VV RVG | 206,00 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
Zwischensumme | 226,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG | 42,94 EUR |
Gesamt | 268,94 EUR |
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1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG | 545,60 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG | 494,40 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
Zwischensumme | 1.060,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG | 201,40 EUR |
Gesamt | 1.261,40 EUR |
3. Anrechnungsausschluss außergerichtlicher Gebühren
Nach mehr als zwei Kalenderjahren ist nach § 15 Abs. 5 S. 2 RVG ebenfalls eine Anrechnung der Geschäftsgebühr gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG ausgeschlossen.
Schließlich ist auch eine Beratungsgebühr nach zwei Kalenderjahren gemäß § 15 Abs. 5 S. 2 RVG nicht mehr nach § 34 Abs. 2 RVG anzurechnen. Das gilt unabhängig davon, ob die Beratungsgebühr vereinbart ist (§ 34 Abs. 1 S. 1 RVG) oder ob sie sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts richtet (§ 34 Abs. 1 S. 2 RVG).