· Fachbeitrag · Gebührenanrechnung
Prozessvergleich: Abgeltung von gegnerischen vorgerichtlichen Anwaltskosten eindeutig regeln
von RA Norbert Schneider, Neunkirchen
Sind Anwaltskosten der vorgerichtlichen Vertretung mit eingeklagt, muss der Beklagte bei Abschluss eines Prozessvergleichs für eine eindeutige Regelung sorgen, dass diese Kosten in die Vergleichssumme einbezogen sind. Dabei muss auch der Umfang der Einbeziehung bestimmt werden. (OLG Koblenz 18. 11. 13, 14 W 634/13, Abruf-Nr. 140664). |
Sachverhalt
Der Kläger K hatte mehrere Geldforderungen und die ihm vorgerichtlich für das anwaltliche Anmahnen entstandene Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG eingeklagt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung schlossen die Parteien einen Vergleich. Der Beklagte B verpflichtete sich, „zur Abgeltung aller streitgegenständlichen Forderungen” einen bestimmten Betrag zu zahlen.
Im Kostenfestsetzungsverfahren meldete K eine volle Verfahrensgebühr an, ohne die hälftige Anrechnung der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr zu berücksichtigen. B war der Ansicht, die Geschäftsgebühr müsse hälftig angerechnet werden, da sie im Vergleich mit abgegolten sei. Es bestehe ein vollstreckbarer Titel nach § 15a Abs. 2, 2. Var. RVG. Der Rechtspfleger hat auf den Einwand des B die hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr berücksichtigt. K hat erfolgreich sofortige Beschwerde erhoben.
Entscheidungsgründe
Nach gefestigter und vom BGH bestätigter Rechtsprechung (RVGprof 11, 20) kommt eine Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 15a Abs. 2, 2. Var. RVG (Titulierung) im Fall eines vorangegangenen Vergleichs nur in Betracht, wenn sich aus dem Vergleich eindeutig ergibt, dass und in welchem Umfang damit auch die mit eingeklagte Geschäftsgebühr tituliert sein soll. Die Titulierung der Geschäftsgebühr muss sich nicht ausdrücklich aus dem Vergleichstext ergeben. Es genügt, wenn sie sich zweifelsfrei aus seiner Auslegung ergibt (OLG Koblenz AGS 10, 465; OLG Düsseldorf AGS 12, 357). Fehlt es daran, ist die Verfahrensgebühr in voller Höhe anrechnungsfrei zu berücksichtigen.
Allein aus der getroffenen Vergleichsformulierung „zur Abgeltung aller streitgegenständlichen Forderungen” folgt die Einbeziehung der Geschäftsgebühr nicht, weil die Anwaltskosten nur als bloße Nebenforderung geltend gemacht wurden. Die Formulierung zur Abgeltung der „Forderungen“ besagt im konkreten Fall ebenfalls nichts. Es waren bereits in der Hauptsache mehrere Forderungen eingeklagt, sodass mit der Verwendung des Plurals auch allein die Hauptforderungen gemeint sein konnten. Hätte der Anspruch auf Erstattung der Geschäftsgebühr erfasst sein sollen, hätte es näher gelegen, zu formulieren, der Vergleichsbetrag werde zur Abgeltung „aller Forderungen” gezahlt. Selbst dann wäre eine Anrechnung nicht klar geregelt gewesen.
Anlass zu einer großzügigen Vergleichsauslegung hat nicht bestanden, da das Problem nach zahlreichen Entscheidungen des BGH und der OLG jedem Anwalt geläufig sein muss. Er muss bei Abschluss eines Prozessvergleichs für eine eindeutige Regelung sorgen, wenn er die Kosten der gegnerischen vorgerichtlichen Vertretung in die Vergleichssumme einbezogen wissen will.
Praxishinweis
Nach § 15a Abs. 2, 2. Var. RVG kann sich die erstattungspflichtige Partei auf die Anrechnung einer bei der erstattungsberechtigten Partei entstandenen vorgerichtlichen Geschäftsgebühr berufen, wenn über die Geschäftsgebühr ein gegen sie gerichteter Vollstreckungstitel besteht.
MERKE | Zwar kann auch ein Vergleich ein Vollstreckungstitel im Sinne des § 15a Abs. 2, 2. Var. RVG sein (siehe § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Jedoch muss sich hierfür aus dem Vergleich eindeutig ergeben,
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Diese beiden Erfordernisse können sich auch aus der Vergleichsauslegung ergeben. Hinreichende Anknüpfungspunkte für eine Anrechnung hat die Rechtsprechung in zwei Fällen angenommen: Im Fall des OLG Koblenz (AGS 10, 465) hatten sich die Parteien verglichen, dass 3.600 EUR zum Ausgleich gezahlt werden, und zwar „einschließlich von Ziffer 4) der Klageforderung“. Ziffer 4 der Klageforderung war der mit eingeklagte Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr (brutto 1.196,43 EUR). Damit ergab sich die erste Voraussetzung. Die Geschäftsgebühr sollte in der Gesamtvergleichssumme tituliert sein. Es fehlte aber die zweite Voraussetzung, dass sich auch der Umfang der Titulierung ergab. Das OLG Koblenz ist davon ausgegangen, der Gesamtbetrag (1.196,43 EUR) sei in der Vergleichssumme enthalten und hat ihn in der Kostenfestsetzung hälftig angerechnet. Im Fall des OLG Düsseldorf (AGS 12, 357) war eine Hauptforderung von 40.400 EUR eingeklagt und eine 2,0-Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer (2.341,92 EUR). Die Parteien verglichen sich auf eine Zahlung von 36.360 EUR und 2.107,73 EUR mit einer Kostenquotierung von 90:10. Die 36.360 EUR machten 90 Prozent der Klageforderung aus und die 2.107,73 EUR 90 Prozent der Kostenforderung. Konsequenterweise hat das OLG Düsseldorf 90 Prozent einer 0,75-Geschäftsgebühr in der Kostenfestsetzung angerechnet.
Soll die Geschäftsgebühr in die Gesamtvergleichssumme einfließen, muss das im Vergleich unbedingt ausdrücklich klargestellt werden. Verlassen Sie sich nie auf eine ungewisse Auslegung des Vergleichs und benennen Sie die erfassten Kosten eindeutig, etwa wie in der folgenden Musterformulierung:
Musterformulierung / Eindeutige Formulierung im Vergleich |
Der Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger ... EUR zu zahlen, zuzüglich vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von ... EUR. |