· Fachbeitrag · Parteiwechsel
Beweissicherungs- und anschließendes Hauptsacheverfahren: BGH stärkt Rechte der WEG
von Dipl.-Rpfl. Peter Mock, Koblenz
(BGH 27.8.14, VII ZB 8/14, Abruf-Nr.: 142927) |
Sachverhalt
Die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) klagte im Hauptsacheverfahren, vertreten durch die Rechtsanwälte L und Partner, gegen die Beklagte auf Gewährung eines Kostenvorschusses zur Beseitigung von Mängeln. Zuvor hatten zwei Erwerber von Wohnungseigentum, Eheleute G, vertreten durch die Rechtsanwälte E, ein selbstständiges Beweisverfahren wegen der betreffenden Mängel gegen die Beklagte betrieben. Das LG gab der Kostenvorschussklage überwiegend statt. Der Klägerin wurde knapp ein Drittel der Kosten auferlegt, die restlichen der Beklagten. Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren bezog das LG die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens ein und rechnete die auf Antragstellerseite im selbstständigen Beweisverfahren entstandene Verfahrensgebühr auf die auf Klägerseite im Hauptsacheverfahren entstandene Verfahrensgebühr an. Mit sofortiger Beschwerde wandte sich die Klägerin erfolglos gegen die Einbeziehung der Kosten und Anrechnung. Die eingelegte Rechtsbeschwerde war begründet.
Entscheidungsgründe und Praxishinweis
Im selbstständigen Beweisverfahren ergeht grundsätzlich keine Kostenentscheidung (Ausnahme:in den Fällen des § 494a Abs. 2 ZPO). Die Kosten eines selbstständigen Beweisverfahrens werden vielmehr von der Kostenentscheidung des anschließenden Hauptsacheverfahrens mitumfasst, wenn
- zumindest ein Teil der Streitgegenstände und
- die Parteien beider Verfahren identisch sind (BGH Prozessrecht aktiv 14, 12).
Zwar hat im Hauptsacheverfahren anstelle der Antragsteller des selbstständigen Beweisverfahrens, Eheleute G, die WEG den Kostenvorschuss eingeklagt. Das steht der Kostenausgleichung unter Einbeziehung der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens aber nicht entgegen. Die WEG hat die Durchsetzung der Rechte der Eheleute G durch Beschluss wirksam an sich gezogen und ist im Hauptsacheverfahren zulässigerweise als gesetzlicher Prozessstandschafter aufgetreten (BGH Mietrecht kompakt 10, 72). Die Klage in zulässiger Prozessstandschaft steht für die Zwecke der Kostenfestsetzung der Klage des materiellen Rechtsinhabers gleich (BGH Prozessrecht aktiv 14,37). Das gilt nicht nur für die gewillkürte Prozessstandschaft, sondern auch für die im Streitfall gegebene gesetzliche der WEG als Klägerin.
An und für sich könnte sich die Beklagte auf eine etwa gemäß Vorb. 3 Abs. 5 VV RVG gebotene Anrechnung nach § 15a Abs. 2 Fall 3 RVG berufen, da die Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens und die des Hauptsacheverfahrens in einem Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht worden sind. Diese Anrechnungsvorschrift greift jedoch nicht, da auf Klägerseite die gegenständlichen Verfahrensgebühren von anderen Rechtsanwälten verdient worden sind (BGH RVG prof. 10, 37).
Auch eine Anrechnung nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO scheidet aus. Hiernach sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder in der Person des Anwalts ein Wechsel eintreten musste.
Wichtig | Allerdings wird in der Rechtsprechung überwiegend vertreten, dass § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO die Prüfung erfordert, ob ein Anwaltswechsel zwischen den Verfahren notwendig war (OLG Köln JurBüro 13, 590; OLG Koblenz AGS 02, 164). Die Literatur entgegnet teilweise, selbstständiges Beweis- und Hauptsacheverfahren seien gebührenrechtlich selbstständige Angelegenheiten (Schneider, AGS 13, 571 und AGS 12, 258).
Jedenfalls kann im vorliegenden Fall die Verfahrensgebühr beider Anwälte im Rahmen der Kostenfestsetzung in Ansatz gebracht werden. Die WEG hat nämlich über die Beauftragung des Anwalts durch Mehrheitsbeschluss zu befinden. Sie kann nicht aus kostenrechtlichen Gründen gezwungen sein, den Anwalt des selbstständigen Beweisverfahrens zu beauftragen. Die Beauftragung erfolgt im Interesse der gesamten WEG. Ist die Beauftragung eines anderen Anwalts nicht willkürlich, ist sie schon deshalb notwendig im Sinne des § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO, weil die Entscheidung der WEG zu respektieren ist. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, die Eheleute G hätten sich zuvor mit der WEG abstimmen müssen. Dazu sind sie nicht verpflichtet. Sie können aus eigenem Recht auch das Hauptsacheverfahren, vorbehaltlich des Ansichziehens durch die WEG, ohne eine solche Abstimmung durchführen.
FAZIT | Der BGH stärkt die Rechte der WEG, indem er die Kostenentscheidung in der Hauptsache auf die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens erstreckt und eine Anrechnung hinsichtlich der bei verschiedenen Rechtsanwälten im Beweissicherungsverfahren und im Hauptsacheverfahren angefallenen Verfahrensgebühren ausschließt. Hierbei schließt der BGH eine gebührenrechtliche und eine verfahrensrechtliche Anrechnung der Kosten mehrerer Rechtsanwälte aus. Es konnte in diesem Fall daher wie folgt abgerechnet werden:
Selbstständiges Beweisverfahren (Wert: 50.000 EUR)
Hauptsacheverfahren (Wert: 50.000 EUR)
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