· Fachbeitrag · Prozesskostenhilfe
PKH-Gebühren so hoch wie möglich halten
von Dorothee Dralle, Lehrbeauftragte an der Beuth Hochschule Berlin, geprüfte Rechtsfachwirtin, geprüfte Bürovorsteherin (RAK Berlin)
| Der Unterschied zwischen Prozesskostenhilfe (PKH)- und Wahlanwaltsvergütung besteht in den unterschiedlichen Tabellen. § 13 RVG gilt für die Gebührenansprüche des Wahlanwalts. § 49 RVG gilt, sobald PKH bewilligt wird und regelt die Ansprüche gegenüber der Staatskasse. Ab einem Wert von 4.000 EUR sind deutlich geringere Anwaltsgebühren die Folge. Der Beitrag erklärt, wie Sie die PKH-Gebühren so hoch wie möglich halten. |
1. Wahlanwaltsgebühren im PKH-Prüfungsverfahren
Um jegliches Kostenrisiko für den Mandanten auszuschließen, erhält der Rechtsanwalt oft nur den Auftrag, das Klageverfahren unter der Bedingung durchzuführen, dass die Kostenhilfe bewilligt wird. Der Anwalt wird dann nur den Antrag stellen, PKH zu bewilligen. Er fügt die Klage also nur als Entwurf bei. Sie wird noch nicht zugestellt und ist nicht rechtshängig. Das Gericht prüft die Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 S. 1 ZPO) und kann immer noch feststellen, dass die beabsichtigte Klage mutwillig ist (§ 114 Abs. 2 ZPO).
Fügt der Anwalt die Klage nur als Entwurf bei, ist er noch als Wahlanwalt - im Gegensatz zum bestellten oder beigeordneten Anwalt - tätig. In diesem Verfahrensschritt fällt juristische Vorarbeit an. Der Anwalt begründet Anspruchsgrundlagen, fasst Tatsachen und Sachverhalte strukturiert zusammen und recherchiert. Für diese Tätigkeit im PKH-Prüfungsverfahren hat er einen Anspruch auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3335 VV RVG. Die Gebühr beträgt für das PKH-Verfahren in der Regel 1,0 aus dem Wert der Hauptsache und entsteht mit dem Auftrag, das PKH-Verfahren durchzuführen. Sie wird aus der Tabelle des § 13 RVG berechnet. Für das PKH-Bewilligungsverfahren wird keine PKH gewährt.
Nimmt der Anwalt einen Termin wahr, um den Sachverhalt weiter aufzuklären (etwa für einen möglichen Vergleichsabschluss, § 118 Abs. 1 S. 3 ZPO), hat er gegenüber dem Mandanten auch einen Anspruch auf eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG. Sie wird aus der Tabelle des § 13 RVG berechnet.
2. Anspruch auf angemessenen Vorschuss wahrnehmen
Ein Anwalt darf für seine Tätigkeit einen angemessenen Vorschuss verlangen, § 9 RVG. Er muss einen Antrag, PKH zu bewilligen, nicht zwingend kostenlos, das heißt ohne Vorschuss und Gebührenanspruch, fertigen. Das Ergebnis des Antrags hängt von vielen Faktoren ab, die der Anwalt nicht immer beeinflussen kann (Mitwirkungspflichten, siehe Dralle, RVG prof. 15, 102). Seine Bezahlung für den Antrag hingegen sollte er kalkulierbar halten.
PRAXISHINWEIS | Für einen solchen Auftrag sollte der Anwalt auf jeden Fall einen Vorschuss in Höhe von einer 1,0-Verfahrensgebühr nach der Tabelle des § 13 RVG verlangen und seine Tätigkeit davon abhängig machen, dass der Mandant etwas zahlt. So verhindert er, dass er kostenlos arbeitet. Führt er später das Hauptsacheverfahren durch, geht diese 1,0-Verfahrensgebühr allerdings in der 1,3-Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG auf. Das PKH-Prüfungsverfahren und das Klageverfahren bilden dieselbe Angelegenheit (§ 16 Nr. 2 RVG). |
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Mandant M hat bei einem Wert von 8.000 EUR Anwalt A beauftragt, nur das PKH-Prüfungsverfahren durchzuführen. M zahlt den geforderten Vorschuss von 300 EUR. Weil die PKH abgelehnt wird, soll A nicht weiter tätig werden. Welche Gebühren kann A verlangen?
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Kritiker dieses Vorschussbegehrens meinen, ein PKH-Mandant habe auch kein Geld dafür, einen Vorschuss zu zahlen. Dabei unterstellen sie - in der Regel, ohne es konkret zu prüfen - , dass PKH bewilligt, der Mandant sämtliche Unterlagen rechtzeitig einreichen und wahrheitsgemäße Angaben machen würde. Ist dem Antragsteller dies zu kostspielig, kann er auf die Rechtsantragstelle verwiesen werden. Dort wird ein solcher Antrag kostenlos aufgenommen. Das Gericht entscheidet darüber, und der Mandant erhält den Bewilligungsbeschluss. Er kann danach immer noch beantragen, ihm seinen Anwalt beizuordnen.
3. Forderungssperre gegenüber der PKH-Partei
„Die Bewilligung der PKH bewirkt, dass … die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen können“, so § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Entgegen eines weitläufigen Irrtums bedeutet dies nur, dass der Anwalt vom Mandanten kein Geld mehr fordern darf, sobald die PKH bewilligt worden ist. Er darf hingegen freiwillige Zahlungen annehmen und verliert auch seine bis dahin entstandenen Ansprüche nicht. Wird im Laufe des Verfahrens - aus welchen Gründen auch immer - die PKH aufgehoben, kann der Anwalt seine vollständigen Regelgebühren (nach § 13 RVG) geltend machen, einfordern und sie gegebenenfalls auch titulieren lassen.
4. Vorschuss auf Wahlanwaltsgebühren anrechnen!
Gebühren aus § 13 und § 49 RVG treffen häufig zusammen und bleiben nicht unabhängig nebeneinander bestehen, wie das folgende Beispiel zeigt:
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Mandant M hat bei einem Wert von 8.000 EUR Anwalt A beauftragt, nur das PKH-Prüfungsverfahren durchzuführen. M zahlt den geforderten Vorschuss in Höhe von 300 EUR. Die PKH wird bewilligt. Nun erhebt A die Klage. Sie wird aber nach der mündlichen Verhandlung abgewiesen.
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Die zunächst entstandene Verfahrensgebühr Nr. 3335 VV RVG geht in der Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG (Vorb. 3.2 RVG) auf, § 16 Ziff. 2 RVG, nachdem das Verfahren durchgeführt wurde (daher wird hier „subtrahiert“ und nicht „angerechnet“). Dabei ist zu beachten, dass nun auf jeden Fall die Differenzrechnung (zwischen den Gebühren der Tabelle § 13 RVG und der Tabelle § 49 RVG) wie oben durchzuführen ist. Der Vorschuss des Mandanten darf zuerst auf die Wahlanwaltsgebühren (= Gebühren, auf die kein Anspruch gegen die Staatskasse besteht) angerechnet werden (§ 58 Abs. 2 RVG).
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Mandant M hat bei einem Wert von 8.000 EUR Anwalt A unbedingt beauftragt, das Klageverfahren durchzuführen. Gleichzeitig soll er PKH beantragen. M zahlt den geforderten Vorschuss in Höhe von 600 EUR. Die PKH wird bewilligt. Die Klage wird nach der mündlichen Verhandlung abgewiesen. | |||||||||||||||||||||||||||
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Bei einem unbedingten Klageauftrag entsteht sofort eine 1,3-Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG und zwar nach der Tabelle des § 13 RVG. Erst nachdem PKH bewilligt wurde, berechnen sich die Verfahrens- und Terminsgebühr nach der Tabelle des § 49 RVG. Der erhaltene Vorschuss wird zunächst auf die Regelgebühren (§ 13 RVG) des Anwalts angerechnet (siehe oben). Nur der noch überschießende Teil muss auf die PKH-Gebühren angerechnet werden. Es würde zulasten der Landeskasse gehen, wenn der gesamte Vorschuss an den Mandanten zurückgezahlt würde. Dies könnte den Tatbestand des Betrugs erfüllen. Das Geld kann nur zurückgezahlt werden, wenn der Mandant es zweckbestimmt als Vorschuss nur für die Ansprüche gezahlt hat, für die die Staatskasse nicht eintreten muss. Dann greift die Anrechnungsvorschrift § 58 Abs. 2 RVG nicht (Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., § 58 Rn. 6).
5. Geschäftsgebühr wird auf Verfahrensgebühr angerechnet
War der Mandant während der außergerichtlichen Tätigkeit des Anwalts noch leistungsfähig, hat der Anwalt ihm gegenüber einen Anspruch auf eine Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG (§ 13 RVG). Diese Gebühr wird auf eine folgende Verfahrensgebühr teilweise angerechnet, Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG.
Nun stellt sich allerdings die Frage, wie anzurechnen ist, wenn die Geschäftsgebühr aus der Tabelle des § 13 RVG, die Verfahrensgebühr aber aus der Tabelle des § 49 RVG berechnet wurde. Eine schlichte Differenzrechnung (wie in Beispiel 3) ist nicht möglich. Bei der PKH gibt es keine Geschäftsgebühr. Im Rahmen einer Beratungshilfe ist die Geschäftsgebühr eine Festgebühr, Nr. 2503 VV RVG (85 EUR) mit der Anrechnungsvorschrift Anm. 2 zu Nr. 2503 VV RVG. Für unseren PKH-Fall trifft dies nicht zu. Die einhellige Rechtsprechung löst ihn wie folgt (z.B. OLG Frankfurt 17.10.12, 14 W 88/12, Abruf-Nr. 145149, NJW-RR 13, 319): Sie wendet § 58 Abs. 2 RVG an und bildet die Differenz zwischen der Wahlanwalts- und PKH-Vergütung für die Verfahrensgebühr. Zuerst wird die Differenz zwischen der erhaltenen Geschäftsgebühr und einer fiktiv berechneten Geschäftsgebühr aus der Tabelle des § 49 RVG gebildet. Dann zieht die Rechtsprechung den Differenzbetrag von der anrechnungsfähigen (also maximal 0,75, Vorb. 3.4 VV RVG) Geschäftsgebühr ab. Den nun noch verbleibenden Betrag rechnet sie in einem dritten Schritt auf die Verfahrensgebühr in der PKH-Abrechnung nach § 49 RVG an.
Anwalt A war vorgerichtlich tätig (Gegenstandswert 18.000 EUR) und hat dies seinem Mandanten M mit einer 1,3-Geschäftsgebühr berechnet. M hat bezahlt. Danach hat A die Klage zum LG eingereicht, PKH beantragt und einen Vorschuss nach § 49 RVG von der Staatskasse gefordert, nachdem die PKH bewilligt wurde.
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* eigentlich anrechnungsfähiger Betrag, Vorb. 3.4 (0,65 GG) 452,40 EUR
1,3-Geschäftsgebühr nach § 13 RVG | 904,80 EUR | |
1,3-(fiktive) Geschäftsgebühr nach § 49 RVG | 453,70 EUR | |
anrechnungsfreier Betrag | ./. 451,10 EUR | |
verbleibt als in der PKH anzurechnender Betrag | 1,30 EUR |
PRAXISHINWEIS | Der Rechtsanwalt sollte „nebeneinander“ abrechnen. Die Differenz zwischen erhaltener und fiktiver Geschäftsgebühr ist unabhängig davon, ob Raten gezahlt werden sollen, zu bilden. Nur so rechnet der Rechtsanwalt die richtigen Beträge an. Der Rechtsanwalt darf keine Geschäftsgebühr aus der Tabelle des § 13 RVG in der folgenden PKH-Abrechnung auf eine Gebühr aus der Tabelle des § 49 RVG anrechnen! |
Zu prüfen ist für die PKH-Gebührenrechnung, ob der Anwalt Folgendes bedacht hat:
Checkliste / Gebührenrechnung PKH |
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