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„Schwierige“ Gesprächszeit von 65 Minuten ist kein großer Aufwand
| Die Bemessungskriterien in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG sind nach dem Wortlaut („vor allem“) nicht in Stein gemeißelt. Bei sprachlichen oder akustischen Verständigungsproblemen mit Mandanten entsteht schnell ein Mehraufwand. Dieser kann sich aber wiederum relativieren, wenn der Ehepartner des Mandanten in Gesprächen unterstützt und der Anwalt dadurch Zeit spart (LSG Bayern 13.6.24, L 18 SB 35/23, Abruf-Nr. 245161 ). |
Hier lag ein typischer sozialrechtlicher Routinefall vor (Antrag auf Merkzeichen „H“) und die Anzahl und Gesamtlänge der Schriftsätze waren nicht überdurchschnittlich. Allerdings hatte der Mandant eine stark verminderte geistige Auffassungsgabe. Die Gespräche waren kompliziert, sodass die anwesende Ehefrau des Mandanten „dolmetschen“ musste. Doch dies beeindruckte das Gericht nicht. Eine Besprechungszeit von 65 Minuten im gesamten Mandat, die zudem die Prüfung zweier Bescheide einschloss, sei nicht ungewöhnlich hoch. Die unterstützende Ehefrau habe die schwierige Gesprächssituation kompensiert. Mehr als eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG in Höhe der Schwellengebühr (359 EUR) könne der Anwalt daher nicht verlangen. Zudem sei es typisch für sozialrechtliche Mandate, wenn Mandanten mitunter an körperlichen, geistigen oder seelischen Einschränkungen leiden.
Beachten Sie | Diese Sicht ist kritisch zu sehen. Denn sie signalisiert Anwälten, dass diese in bestimmten Rechtsgebieten ‒ insbesondere in solchen mit finanziell oft schwachen oder gehandicapten Mandanten ‒ unbezahlten Mehraufwand unter Umständen als selbstverständlich hinnehmen müssen.
(mitgeteilt von Christian Noe B. A., Göttingen)
Weiterführender Hinweis
- Sozialrecht: „Überzeugungsarbeit“ rechtfertigt die Erledigungsgebühr, iww.de/rvgprof, Abruf-Nr. 50235731