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  • · Fachbeitrag · Terminsgebühr

    Reduzierte Gebühr bei Säumnis? Zweites ­Versäumnisurteil und weitere Fälle

    von RiLG Dr. Julia Bettina Onderka, Bonn

    | Erscheint in einem Anwaltsprozess für die Gegenseite kein Rechtsanwalt, erhält der erschienene Anwalt - vorbehaltlich der sonstigen Voraussetzungen nach Nr. 3105 VV RVG - nur eine reduzierte 0,5-Terminsgebühr, wenn er den Erlass eines ersten Versäumnisurteils (VU) beantragt (Onderka, RVG prof. 13, 170). Auf weitere Anwendungsfälle der Gebührenreduzierung geht die Autorin in dem folgenden Beitrag ein. |

    1. Zweites Versäumnisurteil

    Ob Nr. 3105 VV RVG auch auf ein zweites VU Anwendung findet, wenn derselbe Anwalt bereits den vorangegangenen Säumnistermin wahrgenommen hat, ist umstritten:

     

    • Nach einer Ansicht (OLG Nürnberg Rpfleger 06, 226) ist bei Nr. 3105 VV RVG das Wort „eines“ nicht als Zahlwort, sondern als qualitative Beschreibung des Inhalts des Termins („in dem eine Partei nicht erschienen ist ...“) zu verstehen. Damit fällt auch für die Wahrnehmung des zweiten Säumnistermins nur die reduzierte Terminsgebühr an. Es wird nicht auf die Anzahl der Termine, sondern auf den reduzierten Arbeitsaufwand im Termin ­abgestellt.

     

    • Die h.M. (BGH AGS 06, 366; OLG Celle NJW 05, 1283; OLG München AGS 06, 161; OLG Köln AGS 06, 372; LG Düsseldorf AGS 06, 162; LG Aachen AGS 06, 373; LG Bonn AGS 06, 163) sieht den Wortlaut („Wahrnehmung nur eines Termins ...“) als quantitative Beschränkung der Gebührenreduktion, die nicht eingreift, wenn derselbe Anwalt mehr als einen ­Termin wahrnimmt.

     

    Es muss hier zwischen verschiedenen Fallgestaltungen differenziert werden.

     

    a) Wahrnehmung zweier Säumnistermine

    Der Entscheidung des BGH lag folgender Fall zugrunde:

     

    Anwalt A hat in einem gerichtlichen Termin ein VU erstritten. Nach Einspruch des Beklagten erging in einem weiteren Verhandlungstermin ein ­zweites VU.

     

    A erhält für die Wahrnehmung des ersten Säumnistermins eine 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG und für die Wahrnehmung des zweiten Säumnistermins eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG. Im zweiten ­Termin greift die Gebührenreduzierung nicht mehr ein. Insgesamt erhält A aber lediglich eine 1,2-­Terminsgebühr aus dem Hauptsachewert, § 15 Abs. 2 RVG.

     

     

    b) Zweites Versäumnisurteil nach schriftlichem Vorverfahren

    Ergeht das erste VU mangels Verteidigungsanzeige im schriftlichen Vorverfahren (§ 331 Abs. 3 ZPO) und legt der Beklagte Einspruch ein, beurteilt sich die Gebührenfrage wie folgt: Für das VU erhält der Anwalt des Klägers eine 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3105 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG. Für seine Teilnahme am Einspruchstermin und dem dort gestellten Antrag auf Erlass eines zweiten VU (§ 345 ZPO) ­billigt der BGH ihm die volle Terminsgebühr in Höhe von 1,2 zu.

     

    Dies erscheint im Hinblick auf die im Übrigen vertretene Argumentation des BGH, der Wortlaut von Nr. 3105 VV RVG enthalte eine quantitative Beschränkung, zwar nicht ganz schlüssig. Denn in dem Fall, in dem das erste VU im schriftlichen Vorverfahren ergangen ist, hat der Anwalt nur einen einzigen Termin wahrgenommen. Jedoch argumentiert der BGH damit, dass die Entscheidung nach § 331 Abs. 3 ZPO in Nr. 3105 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG dem VU nach § 331 Abs. 1 ZPO gleichgestellt sei. Insgesamt erhält der Anwalt wegen § 15 Abs. 2 RVG aber nur eine 1,2-Terminsgebühr aus dem Hauptsachestreitwert. Eine dem § 38 BRAGO vergleichbare Vorschrift, wonach das Verfahren über den Einspruch unter bestimmten Umständen als besondere Angelegenheit galt beziehungsweise der Anwalt die Gebühr für das erste VU unter ­bestimmten Umständen besonders erhielt, kennt das RVG nicht (OLG ­Koblenz AGS 10, 464; KG AGS 08, 591).

     

    c) Zweites Versäumnisurteil nach Vollstreckungsbescheid

    Ergeht zunächst ein Vollstreckungsbescheid, der gemäß § 700 Abs. 1 ZPO ­einem VU gleichsteht und erscheint der Beklagte nach Einspruch nicht zum Verhandlungstermin, sodass ein zweites VU erlassen wird, gilt für die Gebühren Folgendes: Für den Vollstreckungs­bescheid erhält der Anwalt keine ­Terminsgebühr, wenn er nicht - was in der Praxis eher selten sein dürfte - mit dem Gegner eine Besprechung im Sinne von Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG durchführt. Für die Teilnahme an dem Säumnistermin erhält er eine 0,5-­Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG (OLG Köln AGS 07, 296; AG Kaiserslautern ­JurBüro 05, 475; OLG Nürnberg AGS 08, 486), da der Rechtsstreit nach dem Vollstreckungsbescheidsverfahren eine eigene gebührenrecht­liche Angelegenheit ist. Es erfolgt aber kein Erstarken auf eine 1,2-Terminsgebühr, weil der Anwalt nur einen Termin wahrgenommen hat.

    2. Anträge zur Prozess-, Verfahrens- oder Sachleitung

    Ist der Gegner nicht erschienen/ordnungsgemäß vertreten, lassen ­Anträge zur Prozess-, Verfahrens- oder Sachleitung für den Prozessbevollmächtigten auch nur eine reduzierte 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG entstehen, wenn sie im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellt werden. Voraussetzung ist, dass eine Partei nicht erschienen/ordnungsgemäß vertreten ist. Als Antrag zur Prozess-, Verfahrens- oder Sachleitung kommen infrage:

     

    • Antrag auf Aussetzung des Verfahrens (§§ 246 ff. ZPO),
    • Antrag auf Vertagung (§ 227 ZPO),
    • Antrag auf Ruhen des Verfahrens (§ 251 ZPO) und
    • Antrag auf Einsicht in beigezogene Akten oder Widerspruch dagegen.

     

    Keine Anträge nur zur Prozess-, Verfahrens- oder Sachleitung sind das Einverständnis mit der Klagerücknahme und die Klagerücknahme selbst. Macht der Anwalt in der mündlichen Verhandlung keine Ausführungen zur Sach- oder Rechtslage und stellt auch keinen Antrag, trifft das Gericht aber von Amts wegen eine Entscheidung zur Prozess-, Verfahrens- oder Sachleitung, fällt ebenfalls eine reduzierte 0,5-Terminsgebühr an. Insofern ist es für die Höhe der Terminsgebühr unbeachtlich, welche Tätigkeit der anwesende ­Anwalt zuvor gemacht hat. Keine Entscheidung zur Prozess-, Verfahrens- oder Sachleitung ist die Entscheidung nach Lage der Akten gemäß § 251a Abs. 1 ZPO. Hierfür entsteht dem Anwalt die volle 1,2-Terminsgebühr.

    3. Teilversäumnisurteil

    Sofern der Anwalt nur hinsichtlich eines Teils der Klageforderung Antrag auf Erlass eines VU stellt und beispielsweise die Klage im ­Übrigen nach Erörterung mit dem Gericht zurücknimmt, ist dies bei der Gebühren­berechnung zu berücksichtigen:

     

    • Nach einer Ansicht (Schons, AGS 06, 225) verdient der Anwalt eine 1,2-­Terminsgebühr aus dem vollen Gegenstandswert. Im Zuge der Abgrenzung von Nr. 3104 zu Nr. 3105 VV RVG sei nicht der Wert des mit dem Gericht ­erörterten Gegenstands, sondern der Umstand maßgeblich, dass die ­Anwaltstätigkeit die Beantragung eines VU überschreite.

     

    • Dies überzeugt nicht: Aus dem Gesetzgebungsverfahren ist nicht ersichtlich, dass eine Änderung zur bisherigen Rechtslage beabsichtigt war. Es handelt sich also nur um eine Ungenauigkeit des Gesetzgebers. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die differenzierte Berechnung verschiedener Gebührensätze für Teile des Gegenstands im RVG keine Seltenheit ist. Richtigerweise erhält der Anwalt dann aus dem Wert des beantragten VU eine 0,5-Terminsgebühr gemäß Nr. 3105 VV RVG. Aus dem restlichen Wert erhält er eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG. Die Summe dieser beiden Gebühren darf gemäß § 15 Abs. 3 RVG nicht höher sein als eine ­volle 1,2-Terminsgebühr nach dem Gesamtstreitwert (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., VV 3105 Rn. 47).

     

    • Beispiel 1

    Eingeklagt werden 15.000 EUR. Der Rechtsanwalt des Beklagten erscheint im Termin nicht. Das Gericht weist den Klägeranwalt A darauf hin, dass die Klage nur in Höhe von 10.000 EUR Aussicht auf Erfolg hat, weil die darüber hinausgehenden Schadenspositionen nicht ersatzfähig sind. A nimmt daraufhin die Klage in Höhe von 5.000 EUR zurück und stellt hinsichtlich des Restbetrags von 10.000 EUR Antrag auf Erlass eines Teilversäumnisurteils, das auch ergeht.

     

    A erhält neben der 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) aus 15.000 EUR eine 1,2-Terminsgebühr aus 5.000 EUR sowie eine 0,5-Terminsgebühr aus 10.000 EUR - insgesamt jedoch keine höhere Terminsgebühr als 1,2 aus 15.000 EUR.

     

     

    • Beispiel 2 (umgekehrter Fall)

    Eingeklagt sind wiederum 15.000 EUR. Erörtert wird hier jedoch über einen Teilbetrag von 10.000 EUR, der sodann zurückgenommen wird. Das VU ergeht ­antragsgemäß über 5.000 EUR.

     

    Der Anwalt erhält neben der 1,3-Verfahrensgebühr aus 15.000 EUR eine 1,2-­Terminsgebühr aus 10.000 EUR sowie eine 0,5-Terminsgebühr aus 5.000 - insgesamt wiederum jedoch keine höhere Terminsgebühr als 1,2 aus 15.000 EUR.

     

    4. Entscheidung ohne mündliche Verhandlung

    Nach Nr. 3105 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG fällt die reduzierte Terminsgebühr auch an, wenn das Gericht gemäß § 331 Abs. 3 ZPO eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung trifft. Damit sind zunächst die Fälle gemeint, in denen im schriftlichen Vorverfahren ein VU ergeht, weil der Beklagte nicht rechtzeitig Verteidigungsbereitschaft angezeigt hat. Stellt der Anwalt dann den Antrag auf ­Erlass eines VU im schriftlichen Verfahren, verdient er mit Erlass des VU eine 0,5-Terminsgebühr.

     

    Ob diese Gebühr auch anfällt, wenn das Gericht ein VU ohne den eigentlich erforderlichen Antrag erlässt, ist umstritten:

     

    • Nach einer Ansicht soll die Gebühr nach Nr. 3105 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG nicht entstehen, wenn im schriftlichen Vorverfahren ein VU ohne Antrag ­erlassen worden ist (OLG Oldenburg AGS 08, 386).

     

    • Diese Auffassung überzeugt nicht: Der Wortlaut stellt darauf ab, dass eine Entscheidung nach § 331 Abs. 3 ZPO ergangen ist und nicht darauf, ob der dafür prozessual erforderliche Antrag gestellt wurde. Weiter ist zu berücksichtigen, dass das Gericht schließlich eine Entscheidung erlassen hat und sich das Gebührenrecht regelmäßig nach den Entscheidungen des ­Gerichts richtet und nicht umgekehrt. Insofern fällt eine 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG auch an, wenn das Gericht trotz des Fehlens eines entsprechenden Antrags im schriftlichen Vorverfahren ein VU erlässt (KG AGS 08, 541; OLG Jena AGS 06, 227).

     

    Weiterführende Hinweise

    • RVG prof. 13, 170: Terminsgebühr bei erstem Versäumnisurteil
    • RVG prof. 13, 150: Terminsgebühr bei Versäumnisurteil im Verfahren nach § 495a ZPO
    • RVG prof. 13, 149: Terminsgebühr bei alleinigem Erscheinen des nicht postulations­fähigen Antragsgegners
    • RVG prof. 13, 21: So bemisst sich die Gebühr bei zweitem Versäumnisurteil nach Voll­streckungsbescheid
    • RVG 12, 77: PKH - Keine Gebühr ohne mündliche Verhandlung
    Quelle: Ausgabe 12 / 2013 | Seite 207 | ID 42319787