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  • · Fachbeitrag · Terminsgebühr

    Terminsgebühr bei erstem Versäumnisurteil

    von RiLG Dr. Julia Bettina Onderka, Bonn

    | In bestimmten Fällen kann der Anwalt statt der vollen 1,2-Terminsgebühr nur die reduzierte 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG abrechnen. Der folgende Beitrag erläutert die Voraussetzungen dieser Vorschrift sowie die wichtigsten Anwendungsfälle bei erstem Versäumnisurteil. |

    1. Wahrnehmung eines Termins

    Auch die reduzierte Terminsgebühr setzt zunächst voraus, dass der Anwalt einen Termin wahrnimmt. Gemeint ist damit ein Termin zur mündlichen Verhandlung, denn es muss bei Säumnis des Gegners ein Antrag auf Versäumnisurteil gestellt werden können. Insofern gibt es bei Sachverständigen- oder Besprechungsterminen keine Gebührenreduzierung nach Nr. 3105 VV RVG. Für die Wahrnehmung eines Termins reicht es aus, dass der Anwalt vertretungsbereit für seine Partei anwesend ist. Hier erfolgt die erste entscheidende Weichenstellung: Gibt der Anwalt im Termin zwar keine Erklärungen ab, ist er aber ebenso wie die andere Partei/der andere Anwalt vertretungsbereit anwesend, entsteht eine 1,2-Terminsgebühr. Die reine Anwesenheit vertretungsberechtigter Personen auf beiden Seiten genügt. Dies gilt auch, wenn trotz der Anwesenheit einer Partei oder ihres Anwalts gegen diese ein Versäumnisurteil ergeht. Die sogenannte Flucht in die Säumnis ist gebührenrechtlich nämlich nicht relevant. Bei der Abgrenzung zwischen Nr. 3104 VV RVG und Nr. 3105 VV RVG ist demnach zu beachten:

     

    • Sind im Anwaltsprozess beide Anwälte anwesend, steht ihnen die volle 1,2-Terminsgebühr unabhängig davon zu, welche Anträge gestellt werden und ob ein Versäumnisurteil ergeht. Erscheint nur einer der Anwälte und für die Gegenseite niemand oder nur die Partei, erhält er - vorbehaltlich der sonstigen Voraussetzung nach Nr. 3105 VV RVG - nur eine reduzierte 0,5-Terminsgebühr. Dies gilt auch, wenn das Gericht im Termin § 78 ZPO mit der Partei erörtert. Denn das ist nur der gerichtliche Hinweis an die Partei, dass sie als säumig zu behandeln ist (OLG Köln AGS 07, 238).

     

    • Beachten Sie | Etwas anderes gilt, wenn der Anwalt mit dem Gericht die Sachanträge oder die Zulässigkeit der Klage erörtert bzw. mit dem Gegner die Möglichkeiten einer einvernehmlichen Regelung bespricht (BGH AGS 07, 226; KG AGS 08, 541). Denn in diesem Fall hat der anwesende Prozessbevollmächtigte mehr getan, als nur einen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils oder zur Prozess-, Verfahrens- oder Sachleitung gestellt.

     

    • Im Parteiprozess reicht es für die Entstehung der vollen Terminsgebühr aus, dass auf der Gegenseite entweder die Partei oder der sie vertretende Anwalt erscheint. Hier kommt die reduzierte Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG also nur in Betracht, wenn weder die Partei noch der gegebenenfalls bestellte Anwalt erscheint.

    2. Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils

    Die Reduzierung auf eine 0,5-Terminsgebühr erfolgt nur bei Anträgen auf Erlass eines Versäumnisurteils oder zur Prozess-, Verfahrens- oder Sachleitung. Die Reduzierung scheidet also in denjenigen Fällen aus, in denen der Anwalt im Termin mehr tut, als nur solche Anträge zu stellen.

     

    • Beispiel

    Hat der Anwalt zunächst mit dem Gericht Zulässigkeit oder Schlüssigkeit der Klage erörtert, erhält er eine 1,2-Terminsgebühr, selbst wenn er danach Versäumnisurteil beantragt (BGH AGS 07, 226). Wird im Termin die Klage zurückgenommen, fällt auch eine 1,2-Terminsgebühr an, da der Anwalt keinen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt hat (LAG Baden-Württemberg AGS 10, 528).

     

    Das AG Freiburg (AGS 06, 329) hat die volle 1,2-Terminsgebühr sogar für den Fall zugebilligt, dass der anwesende Anwalt telefonisch mit dem Prozessbevollmächtigten der Gegenseite Kontakt aufnimmt, um abzuklären, ob dieser noch zum Termin erscheinen werde. Dies dürfte allerdings insofern bedenklich sein, als § 333 ZPO - dessen Anwendung in Nr. 3104 Abs. 2 VV RVG ausgeschlossen wird - auf einen anwesenden Gegner abstellt, der in die Säumnis flüchtet, nicht jedoch eine per Telefon mitgeteilte Flucht in die Säumnis erfasst.

     

    Soweit sich die weitergehende Tätigkeit des Anwalts im Termin nur auf einen Teil des Gegenstands bezieht, ist nach zutreffender Meinung die Terminsgebühr für die Teilgegenstände differenziert unter Beachtung von § 15 Abs. 3 RVG zu berechnen (OLG Köln AGS 06, 224).

     

    • Beispiel

    Es wird Klage auf Schadenersatz (Reparaturkosten) von 10.710 EUR erhoben. In der mündlichen Verhandlung erscheint der Beklagte ohne Anwalt. Das Gericht erörtert mit dem Klägervertreter, dass die im Klageanspruch enthaltene Umsatzsteuer (1.710 EUR) nicht zu erstatten ist. Daraufhin nimmt der Anwalt die Klage insoweit zurück. Sodann ergeht ein entsprechendes Versäumnisurteil.

     

    Der Anwalt erhält hier eine 0,5-Terminsgebühr aus 9.000 EUR sowie eine 1,2-Terminsgebühr aus 1.710 EUR, maximal jedoch eine 1,2-Terminsgebühr aus 10.710 EUR (§ 15 Abs. 3 RVG). Nach anderer Ansicht führt schon die Erörterung nur über Teilbeträge dazu, dass der Anwalt eine 1,2-Terminsgebühr aus dem vollen Hauptsachestreitwert erhält (ArbG Siegburg AGS 11, 479).

    3. Erlass eines Versäumnisurteils

    Der tatsächliche Erlass eines Versäumnisurteils ist nach dem Wortlaut von Nr. 3105 VV RVG nicht erforderlich, sodass die reduzierte 0,5-Terminsgebühr auch einschlägig ist, wenn kein Versäumnisurteil ergeht, sondern nur der entsprechende Antrag gestellt wird. Kommt es später zu einer Verhandlung in Anwesenheit auch der anderen Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten, so greift die Gebühr nach Nr. 3104 VV RVG wieder ein.

     

    • Beispiel

    Im ersten Termin ergeht ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten. Nach Einspruch wird im zweiten Termin streitig verhandelt. Die 0,5-Terminsgebühr aus dem Säumnisverfahren wird jetzt zu einer 1,2-Terminsgebühr. Eine zusätzliche 0,5-Terminsgebühr kann daneben nicht entstehen, denn der Einspruchstermin gehört gebührenrechtlich zum Rechtszug (§ 15 Abs. 2 S. 1 RVG).

     

    Ergeht ein unechtes Versäumnisurteil, also ein Versäumnisurteil gegen den Kläger, ist hinsichtlich der Gebühren für den Klägervertreter zu differenzieren:

     

    • Wird das unechte Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren erlassen - was nur bei einer Nebenforderung möglich ist (§ 331 Abs. 3 S. 3 ZPO) - könnte man daran denken, dem Klägervertreter neben der 0,5-Terminsgebühr aus der Hauptforderung noch eine 1,2-Terminsgebühr aus dem Wert der abgewiesenen Nebenforderung zuzusprechen. Denn gemäß § 331 Abs. 3 S. 3 ZPO darf die abweisende Entscheidung über die Nebenforderung nur nach rechtlichem Gehör ergehen. Dagegen spricht aber, dass eine schriftliche Stellungnahme des Klägers der Erörterung mit dem Gericht in einem Termin nicht gleichgesetzt werden kann. Der Wortlaut von Nr. 3105 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG stellt nur darauf ab, dass eine Entscheidung nach § 331 Abs. 3 ZPO ergeht und nicht darauf, ob diese Entscheidung auch eine (teilweise) Klageabweisung enthält. Auch für die abgewiesene Nebenforderung entsteht daher nur eine 0,5-Terminsgebühr (BGH AGS 04, 110).

     

    • Ergeht das unechte Versäumnisurteil dagegen gemäß § 331 Abs. 2 ZPO in einem Verhandlungstermin, erhält der Klägervertreter nach richtiger Ansicht aus dem Wert der zurückgewiesenen Ansprüche eine 1,2-Terminsgebühr. Die Gebührenreduzierung nach Nr. 3105 VV RVG ist nicht einschlägig. Ein verminderter Arbeitsaufwand des Anwalts liegt gerade nicht vor, wenn das Gericht der Klage im Termin durch ein unechtes Versäumnisurteil abweisen will und er dieses von der Zulässigkeit oder Begründetheit der Klage überzeugen muss. Nach anderer Ansicht (BGH AGS 04, 110 zu § 35 BRAGO) ist für die Reduzierung allein darauf abzustellen, ob ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt wurde, auch wenn dann später nicht das beantragte, sondern ein klageabweisendes Versäumnisurteil ergeht.

     

    PRAXISHINWEIS | Da dem unechten Versäumnisurteil i.d. Regel eine Erörterung zur Schlüssigkeit der Klage vorausgeht, dürfte auch nach der zweiten Meinung meist die volle Terminsgebühr entstehen. Es ist in der Praxis schwer vorstellbar, dass der Klägervertreter nach Hinweis des Gerichts auf die (teilweise) Unschlüssigkeit der Klage nicht versucht, diese Bedenken im Rahmen einer Erörterung auszuräumen. Damit ist dann aber in der mündlichen Verhandlung mehr geschehen als nur ein Antrag auf Versäumnisurteil, sodass Nr. 3105 VV RVG nicht eingreift. Insofern sollte der Anwalt darauf achten, dass entsprechende Erörterungen auch im Sitzungsprotokoll vermerkt werden.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zum Erscheinen des nicht postulationsfähigen Gegners, AG Lüdinghausen RVG prof. 13, 149
    Quelle: Ausgabe 10 / 2013 | Seite 170 | ID 42280701