· Fachbeitrag · Verfahrenswert in Familiensachen
So rechnen Sie eine gerichtlich protokollierte Scheidungsvereinbarung ab
von Karin Zecha, gepr. Rechtsfachwirtin, rund-um-anwalt.de, Krefeld
| Im Laufe eines Scheidungsmandats erweitert oder ändert der Mandant häufig seinen anwaltlichen Auftrag. Für Ihre Gebühren hat dies weitreichende Folgen. Der folgende Beitrag erklärt mit praxisnahen Beispielen, worauf Sie für einen vollen Gebührenanspruch achten müssen, wenn Sie eine gerichtlich protokollierte Scheidungsvereinbarung abschließen. Besonders wichtig ist hierbei auch, die Gebühren korrekt anzurechnen. |
1. Zeitpunkt und Inhalt des Auftrags entscheidend
Wenn Sie die Gebührenabrechnung erstellen, sollten Sie unbedingt neben sich ein Blatt liegen haben, auf dem genau erfasst ist, wann Ihr Mandant Ihnen welchen Auftrag in Bezug auf welchen Gegenstand erteilt hat. Gebührenrechtlich macht es einen großen Unterschied, ob Sie
- zunächst außergerichtlich beauftragt worden sind, Scheidungsfolgen zwischen den Parteien zu regeln und anschließend eine Scheidungsvereinbarung gerichtlich zu protokollieren oder
- direkt einen einheitlichen Prozessauftrag erhalten haben, auch nicht rechtshängige Gegenstände gerichtlich zu protokollieren.
Wenn Ihr Mandant Sie zunächst außergerichtlich beauftragt, die Scheidungsfolgen vertraglich zu regeln, entsteht eine Geschäftsgebühr aus dem Wert der zu regelnden Gegenstände. Hier sollten Sie besonders darauf achten, die Geschäftsgebühr merklich zu erhöhen, wenn Sie die Besprechungstermine mit der gegnerischen Partei abrechnen.
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Die Mandantin M möchte gerne vor der Scheidung die Gegenstände nachehelicher Unterhalt (Wert: 5.778 EUR), Umgangsrecht (Wert: 3.000 EUR) und Zugewinnausgleich (Wert: 145.000 EUR) regeln. M bittet R darum, sie außergerichtlich zu unterstützen. Es finden mehrere Besprechungen unter den Parteivertretern und Mandanten statt. Rechtsanwalt R formuliert eine Scheidungsvereinbarung. Was kann R abrechnen?
Lösung: R kann wie folgt abrechnen:
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PRAXISHINWEISE | Wenn Sie für Ihren Mandanten außergerichtlich Scheidungsfolgen aushandeln, bedeutet dies für Sie zumeist eine wesentliche Mehrarbeit, die Sie sich angemessen vergüten lassen sollten. Es ist daher empfehlenswert, dass Sie mit Ihren Mandanten die Gegenstandswerte für die außergerichtliche Tätigkeit vereinbaren, bevor Sie tätig werden.
Das Gleiche gilt, wenn Sie absehen können, dass der Versorgungsausgleich nicht zu einem Gebührensprung führt. Dann empfiehlt es sich, mit den Mandanten eine Vergütungsvereinbarung abzuschließen, damit Ihre Mehrarbeit auch vergütet wird. |
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Ausgangslage wie in Beispiel 1. In der Zwischenzeit sind jedoch das Scheidungsverfahren (Wert: 6.554 EUR) und der Versorgungsausgleich (1.000 EUR) beim FamG anhängig.
Mandantin M beauftragt Rechtsanwalt R nun damit, dass der außergerichtlich schriftlich geschlossene Vergleich über die Scheidungsfolgen vor Gericht protokolliert wird. Was kann R abrechnen?
Lösung: R rechnet Folgendes ab:
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PRAXISHINWEIS | Dokumentieren Sie, wann der Mandant den Auftrag erweitert hat. Nehmen Sie § 49b Abs. 5 BRAO zum Anlass, ein Gebührengespräch einzuleiten und dokumentieren Sie es. So vermeiden Sie einen Konflikt mit der Partei und signalisieren Transparenz im Mandat. |
2. RA erhält sofort einheitlichen Auftrag
Das folgende Beispiel zeigt: Die Gebühren sind in der Regel niedriger, wenn der Anwalt einheitlich beauftragt wird, zunächst den Scheidungsantrag zu stellen und dann die Scheidungsvereinbarung protokollieren zu lassen.
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Werte wie im Ausgangsfall (Beispiel 1). Unterschied: Mandantin M beauftragt Rechtsanwalt R direkt damit, die Scheidung durchzuführen und die Scheidungsvereinbarung gerichtlich protokollieren zu lassen. Was kann R abrechnen?
Lösung: Die Gebühren des R bestimmen sich wie folgt:
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PRAXISHINWEIS | Lautete der Auftrag zunächst, außergerichtlich eine Scheidungsvereinbarung vorzubereiten und erweitert er sich später, wird die außergerichtliche Besprechung mit der Gegenseite abgegolten, indem sich die Geschäftsgebühr erhöht (siehe Seite 68). Im Gegensatz dazu wird bei einem einheitlichen Prozessauftrag die Terminsgebühr nur über den Wert der anhängigen Ansprüche entstehen. Nur der Antrag, einen zuvor schriftlich ausgehandelten Vergleich bezüglich nicht anhängiger Ansprüche zu protokollieren, löst die Terminsgebühr über diesen Wert nicht aus. Wird aber über diese Ansprüche im gerichtlichen Termin verhandelt, entsteht selbstverständlich die Terminsgebühr nach dem addierten Wert der anhängigen und nicht anhängigen Ansprüche. |
Der betragsmäßige Unterschied zwischen den Gebühren in Beispiel 2 und 3 liegt bei 239,79 EUR. Die Beispiele zeigen also, wie wichtig es für den Gebührenanspruch sein kann, die Aufträge genau zeitlich zu dokumentieren.
3. Erst Scheidungsvereinbarung, dann Scheidungsantrag
Ausschlaggebend für die Abrechnung ist stets, wozu der Rechtsanwalt beauftragt wird, sprich ob ein einheitlicher Rahmen besteht.
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Mandantin M beauftragt Rechtsanwalt R damit, die Scheidungsvereinbarung notariell beurkunden zu lassen. Danach erteilt M den Auftrag, das Scheidungs- und Versorgungsausgleichsverfahren durchzuführen. Wie rechnet R korrekt ab?
Lösung: Es handelt sich nicht um dieselbe Angelegenheit, sondern um zwei Angelegenheiten. Es fehlt hier am „einheitlichen Rahmen“. Da die Gegenstände der Scheidungsvereinbarung nicht im Verbund rechtshängig gemacht wurden, sind sie auch nicht als Folgesachen anzusehen. Die beiden Tätigkeiten werden gesondert abgerechnet, ohne dass angerechnet wird - nämlich wie folgt:
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4. Einigung unter einer aufschiebenden Bedingung
Aus den Umständen der Scheidungsvereinbarung ergibt sich, dass die Einigung hinsichtlich der nicht anhängigen Gegenstände erst zustande kommen soll, wenn der Scheidungsbeschluss rechtskräftig ist. Dies wirkt sich unmittelbar auf die Einigungsgebühr aus. Diese wird gemäß Vorb. 3, 1. Alt. zu Nr. 1000 VV RVG erst ausgelöst, wenn die Bedingung (rechtskräftige Scheidung) eingetreten ist.
PRAXISHINWEIS | Beinhaltet die Scheidungsvereinbarung Regelungen über Grundstücksangelegenheiten, sollten Sie darauf achten, eine unbedingte Folgenvereinbarung zu schließen. Diese sind nämlich bedingungsfeindlich (§ 925 Abs. 2 BGB). |
Wenn nach materiellem Recht ein Formzwang besteht, wird die Einigung erst wirksam, wenn die Formvorschriften beachtet sind. Beachten Sie die formellen Vorgaben nicht, entsteht auch keine Einigungsgebühr. Formvorschriften bestehen insbesondere bei
- Grundstücksgeschäften,
- Zugewinnausgleich,
- nachehelichem Unterhalt sowie
- Verfügungen über einen Anteil am Nachlass.
Weiterführende Hinweise
- Richtige Bewertung von Ehesachen, RVG prof. 15, 83
- Volljährigenadoption: Verfahrenswert nach Gesamtumständen, RVG prof. 14, 19
- Kostenschuldner im Scheidungsverbundverfahren, FK Familienrecht kompakt 14, 210