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  • · Fachbeitrag · Verkehrsunfallsachen

    So erzielen Sie höhere Gebühren

    von RiOLG Dr. Julia Bettina Onderka, Köln

    | Gerade in Verkehrsunfallsachen fällt häufig mangels Klageauftrags und wegen rein außergerichtlicher Regulierung keine Terminsgebühr an. Eine höhere Geschäftsgebühr als die Mittelgebühr muss besonders begründet werden. Der Beitrag zeigt auf, wie Sie höhere Gebühren erzielen. |

    1. Getrennte Auftragserteilung ist oft günstiger

    • Beispiel

    Auf ein anwaltliches Aufforderungsschreiben meldet sich die gegnerische Haftpflichtversicherung H bei Anwalt A (Sachschaden 10.000 EUR). Sie besprechen sich in einem langen Telefonat. So werden sämtliche Einwendungen des H ausgeräumt. H zahlt die volle Schadenssumme ohne Klageverfahren. Wenn A zur außergerichtlichen Geltendmachung und für den Fall, dass dies erfolglos bleibt, aufschiebend bedingt zur Klage beauftragt war, kann er wie folgt abrechnen:

     

    1.

    1,8-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG

    1.004,40 EUR

    2.

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    1.024,40 EUR

    3.

    Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    194,64 EUR

    Summe

    1.219,04 EUR

     

     

    War A direkt mit der gerichtlichen Geltendmachung beauftragt, stehen ihm zu:

     

    1.

    0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3100, 3101 VV RVG

     

    446,40 EUR

    2.

    1,2-Terminsgebühr, Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG

    669,60 EUR

    3.

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    1.136,00 EUR

    4.

    Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    215,84 EUR

    Summe

    1.351,84 EUR

     

    Wichtig |Kommt es bei der außergerichtlichen Regulierung zu einer Besprechung im Sinne von Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG, kann A - wenn er schon einen Prozessauftrag hat - eine Terminsgebühr abrechnen. Hat er dagegen (zunächst) nur einen Auftrag zur außergerichtlichen Tätigkeit, kann keine Terminsgebühr entstehen, weil diese einen Klageauftrag voraussetzt. Durch die Besprechung kann eine etwas höhere Geschäftsgebühr anfallen. In der Summe liegen die Gebühren beim sofortigen Prozessauftrag jedoch höher. Zudem ist der Begründungsaufwand für die Erstattung einer über dem Schwellenwert (1,3) oder der Mittelgebühr (1,5) liegenden Geschäftsgebühr hoch. Die Höhe der 1,2-Terminsgebühr ergibt sich schon aus dem Gesetz.

     

    PRAXISHINWEIS | Ist zunächst ein Auftrag zur außergerichtlichen Tätigkeit erteilt, sollte dies auch gegenüber dem Gegner so kommuniziert werden. Drohungen im ersten Aufforderungsschreiben, es sei bereits Klageauftrag erteilt worden, können Schwierigkeiten verursachen, sich bei der späteren Abrechnung auf einen Auftrag zur außergerichtlichen Tätigkeit zu berufen.

     

     

    Gelegentlich beruft sich der gegnerische Versicherer darauf, er müsse nur die (geringeren) Kosten tragen, die bei sofortigem unbedingten Klageauftrag entstanden wären. Der Mandant ist aber nicht verpflichtet, dem Anwalt sofort ein Prozessmandat zu erteilen, um die Kosten für den Gegner gering zu halten, jedenfalls nicht, wenn der Versuch einer außergerichtlichen Regulierung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet (OLG Celle JurBüro 08, 319).

    2. Terminsgebühr bei außergerichtlicher Besprechung

    Besteht ein Klageauftrag, kann der Anwalt für eine außergerichtliche Besprechung eine 1,2-Terminsgebühr (Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG) abrechnen, wenn die Besprechung die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

     

    Checkliste / Voraussetzungen der Besprechung

    • 1. Es muss sich um eine Besprechung handeln (mündliche oder fernmündliche Äußerung von Worten in Rede und Gegenrede). Sie kann in Anwesenheit der Beteiligten oder bei einem Telefonat erfolgen. Der schriftliche Austausch von Argumenten durch Brief, Fax, SMS oder E-Mail genügt dagegen nicht (BGH AGS 09, 530). Beispiel: Der Anwalt erörtert die Angelegenheit mit dem Sachbearbeiter des Versicherers oder dessen Anwalt.

     

    • 2. Der Anwalt muss an der Besprechung mitwirken, also an ihr persönlich teilnehmen oder sonst jederzeit in der Lage sein, in den Verlauf des Gesprächs einzugreifen. Beispiel: Der Mandant bespricht die Angelegenheit mit dem Gegner, wobei sein Anwalt telefonisch zugeschaltet ist.
    •  
    • 3. Es müssen Sachargumente ausgetauscht oder Ausführungen zur Rechtslage gemacht werden, die vom gesprächsbereiten Gegner zur Kenntnis genommen werden. Es bedarf keiner streitigen Auseinandersetzung.

     

    • 4. Die Besprechung muss darauf gerichtet sein, ein Verfahren zu vermeiden oder zu erledigen. Die Beteiligten müssen das Ziel haben, sich zumindest über einige streitigen Punkte zu einigen (OLG Oldenburg AGS 07, 304). Beispiel: Der Anwalt einigt sich in der Besprechung mit dem Haftpflichtversicherer, dass die unfallbedingte Verletzung seines Mandanten zumindest dem Grunde nach nicht mehr bestritten wird.
    •  
    • 5. Dem Anwalt muss bereits ein Verfahrensauftrag erteilt sein. Dagegen muss noch kein gerichtliches Verfahren im Zeitpunkt der Besprechung anhängig sein (BGH AGS 07, 166). Denn Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG spricht davon, dass Verfahren erledigt oder vermieden werden sollen: Ein bereits anhängiges Verfahren kann man erledigen, ein noch nicht anhängiges Verfahren vermeiden.
    •  
    • 6. Nicht nötig ist, dass für das durch die Besprechung vermiedene Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (BGH RVGreport 08, 348). Dies ist nur für die Terminsgebühr (Nr. 3104 Anm. 1 VV RVG) nötig.

     

    • 7. In jedem Fall ist darauf zu achten, dass der Inhalt des Gesprächs hinreichend detailliert dokumentiert wird. Es handelt sich nämlich um eine Besprechung, die außerhalb eines förmlichen Verfahrens, also ohne amtliche Protokollführung, durchgeführt wird. Es ist daher empfehlenswert, sich den Inhalt der Besprechung von der Gegenseite schriftlich bestätigen zu lassen.
     

    3. Bestimmung der konkreten Geschäftsgebühr

    Mit Inkrafttreten des RVG sind die „Regulierungsempfehlungen“ (sogenannte DAV-Abkommen) ausgelaufen (RVG prof. 01, 35). In der Folgezeit entwickelte sich eine kontroverse Diskussion zwischen Versicherern und Anwaltschaft, wie ein übliches Verkehrsunfallmandat abzurechnen ist. Inzwischen hat sich die Situation insofern entschärft, als einige Versicherer Abrechnungsgrundsätze anbieten, die von bestimmten Gebührensätzen für die außergerichtliche Regulierung von Verkehrsunfällen ausgehen. Außerhalb dieses Anwendungsbereichs besteht der Begründungsaufwand für den Anwalt fort.

     

    a) Darlegung der Umstände des Einzelfalls ist wichtig

    Für den Anwalt ist es im Rahmen der Abrechnung entscheidend, die einzelnen Umstände der Mandatsbearbeitung möglichst umfassend und konkret darzulegen. Auch wenn eine Vielzahl von Urteilen dies suggeriert: Den durchschnittlichen Verkehrsunfall gibt es nicht und damit auch keine typische 1,3-Geschäftsgebühr für dessen außergerichtliche Regulierung. Da § 14 RVG auf Einzelkriterien abstellt, können Sie sich bei der Gebührenabrechnung nicht auf die Aussage beschränken, sie hätten einen Unfallschaden reguliert.

     

    b) Diese Umstände rechtfertigen eine Gebührenerhöhung

    Ein in jeder Hinsicht unterdurchschnittlicher Verkehrsunfall weist folgende Merkmale auf: Unfallverlauf unstreitig, Schäden eindeutig feststellbar, keine Rückfragen an Gutachter, einfaches Anspruchsschreiben an Versicherer, letzterer erkennt Haftung vollständig an, Regulierung erfolgt unproblematisch innerhalb ein bis zwei Wochen und keine weiteren Probleme des Mandanten (z.B. Differenzbesteuerung, Mietwagen). Ein solcher Unfall dürfte höchstens mit einer 0,8- bis 0,9-Geschäftsgebühr abzurechnen sein. Diese weiteren Umstände können aber eine Gebühr von bis zu 1,3 begründen:

     

    • Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten,
    • mehrere Besprechungen oder schwierige Besprechung mangels Sprachkenntnissen des Mandanten,
    • schwere Körperverletzungen des Mandanten und Prüfung von Verdienstausfallansprüchen,
    • zusätzlicher Aufwand durch Einziehung von Fremdgeldern oder Finanzierungsvereinbarungen mit dem Gutachter,
    • Rücksprache mit Zeugen oder Nachfragen beim Sachverständigen,
    • Termin mit Sachverständigem, um Alt- und Unfallschäden abzugrenzen,
    • Eingehen auf Einwendungen des Versicherers zu Schadenspositionen,
    • vertiefte Befassung mit dem Schadensersatzrecht,
    • Ermittlung des Nutzungsausfallschadens mangels Listenwerts,
    • Prüfung der Erstattungsbeträge (Gutachterkosten oder Totalschaden) und
    • ausführliche Erörterung der Sach- und Rechtslage mit dem Sachbearbeiter des Versicherers.

     

    Liegen mehrere Umstände vor, ist eine Geschäftsgebühr in Höhe der Mittelgebühr von 1,5 oder höher als nicht unbillig anzusehen. Die Umstände sind schon in der Korrespondenz mit dem Versicherer darzulegen, um diesen zur Erstattung der vollen Gebühr zu bewegen.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 141 | ID 42748538