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  • · Fachbeitrag · Verkehrsunfallsachen

    Wer muss welche Anwaltskosten erstatten?

    von RiOLG Dr. Julia Bettina Onderka, Köln

    | Für die Anwaltskosten der Unfallregulierung haftet der Unfallgegner aus Deliktsrecht (§ 823 BGB), Gefährdungshaftung (§ 7 StVG, § 115 Abs. 1 VVG) oder Vertrag (z.B. Abfindung) - aber nicht unbegrenzt (BGH VersR 06, 521). Der folgende Beitrag erklärt, wer dem Anwalt des Geschädigten welche Kosten ersetzen muss. Klären Sie auch Ihren Mandanten hierüber auf! |

    1. Regulierung beim Haftpflichtversicherer

    Nach ständiger Rechtsprechung muss der Unfallgegner nur die durch das Schadensereignis adäquat verursachten Kosten ersetzen, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH VersR 04, 869). Bei der außergerichtlichen Unfallschadenregulierung gegenüber dem Haftpflichtversicherer ist die Beauftragung eines Anwalts eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung und damit auch Teil des ersatzfähigen Schadens, wenn die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erforderlich war (BGH NJW 95, 446).

     

    Während ansonsten die Kosten für das anwaltliche Aufforderungsschreiben, durch das der Verzug erst ausgelöst wird, nicht zu erstatten sind, ist dies in Verkehrsunfallsachen anders. Hier darf der Geschädigte aus dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit gegenüber dem als Fachmann geltenden Haftpflichtversicherer sofort einen Anwalt beauftragen. Da Schadensregulierungen zunehmend komplexer werden, benötigen Unfallgeschädigte regelmäßig anwaltliche Hilfe, um verlässlich beurteilen zu können, welche Schäden ersatzfähig sind und wie ihre Ansprüche durchgesetzt werden können.

     

    PRAXISHINWEIS | Auch wenn es sich bei dem Geschädigten um eine Autovermietung oder ein sonstiges Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilung handelt, darf der Geschädigte sofort einen Anwalt beauftragen. Denn die eigene Buchhaltung eines Unternehmens ersetzt keine Rechtsabteilung!

     

    Lediglich bei ganz einfach gelagerten Sachverhalten und Schäden im Bagatellbereich (bis ca. 500 EUR), muss der Geschädigte das erste Schreiben an den Versicherer selbst verfassen. Dies gilt aber nur, wenn der Versicherer daraufhin sofort und ohne Abstriche reguliert. Entscheidend ist, ob ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig handelnder Geschädigter auch bei mangelnder geschäftlicher Erfahrung allein tätig werden würde. Gleiches gilt, wenn der gegnerische Versicherer den Schaden sofort dem Grunde und der Höhe nach voll anerkennt. Ein Anerkenntnis nur dem Grunde nach aber reicht nicht aus. Dann können nämlich immer noch Einwendungen zur Schadenshöhe erhoben werden, die der Geschädigte nicht zutreffend beurteilen kann. Für die Selbstregulierung eines eigenen Unfallschadens entsteht dem Anwalt ein Ersatzanspruch gegen den Schädiger.

     

    Die Höhe der durch den Unfallgegner zu erstattenden Vergütung für die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts wird nach der berechtigten Schadenshöhe, dem sogenannten Erledigungswert, berechnet. Wurde ein zu hoher Schadensbetrag geltend gemacht und/oder besteht eine Mithaftung für den Unfall, hat dies auch auf die Erstattungsforderung Auswirkungen.

     

    • Beispiel 1

    Eigentümer E beauftragt Anwalt A mit der Geltendmachung seines Unfallschadens in Höhe von 10.000 EUR. Nach längeren Verhandlungen mit dem gegnerischen Versicherer VR (überdurchschnittliche Angelegenheit) zahlt VR 7.500 EUR. E nimmt mangels Erfolgsaussichten von der Geltendmachung der Restforderung Abstand. A kann von E folgende Gebühren verlangen (Wert: 10.000 EUR):

     

    1.

    1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG

    837,00 EUR

    2.

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    3.

    19 Prozent USt. (von 857,00 EUR)

    162,83 EUR

    Summe

    1.019,83 EUR

     

     

    E kann gegenüber VR folgende Gebühren verlangen (Wert: 7.500 EUR):

     

    1.

    1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG

    684,00 EUR

    2.

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    3.

    19 Prozent USt. (von 704,00 EUR)

    133,76 EUR

    Summe

    837,76 EUR

     

    Im Gerichtsverfahren ist der gebührenrechtliche Gegenstandswert die Klageforderung. Der Anspruch richtet sich nach der Kostenquote.

     

    • Beispiel 2

    Anwalt A klagt für Fahrer F Sachschaden (6.000 EUR) und Schmerzensgeld (4.000 EUR) ein. Laut gerichtlichem Sachverständigen betragen die nötigen Reparaturkosten 4.500 EUR. Vom Gesamtbetrag 8.500 EUR spricht das Gericht F wegen Mitverschuldens die Hälfte zu und weist die Klage bei einer Kostenverteilung von 42,5 zu 57,5 Prozent im Übrigen ab. A kann von F verlangen (Wert: 10.000 EUR):

     

    1.

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG

    725,40 EUR

    2.

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG

    669,60 EUR

    3.

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    4.

    19 Prozent USt. (von 1.415,00 EUR)

    268,85 EUR

    Summe

    1.683,85 EUR

     

    Die Erstattungsforderung gegen den Gegner beträgt 715,64 EUR (Kostenquote). Den Rest könnte F von seinem Rechtsschutzversicherer fordern.

     

    2. Regulierung beim Kaskoversicherer

    Darf der Geschädigte bei der Unfallregulierung anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, gilt dies grundsätzlich auch für die Anmeldung des Schadens beim eigenen Kaskoversicherer. Die Anwaltskosten sind ersatzfähig, wenn sie adäquat kausal auf dem Unfall beruhen und die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe erforderlich war (BGH AGS 06, 256; VersR 05, 558). Wenn der Geschädigte einen Teil seines Schadens - aus Gründen einer Mithaftung oder zur Kreditbeschaffung - bei der eigenen Kaskoversicherung geltend macht, handelt es sich für den Anwalt um eine eigene gebührenrechtliche Angelegenheit. Die Anwaltskosten sind vom gegnerischen Haftpflichtversicherer als adäquater Sachfolgeschaden insoweit zu ersetzen, als sie auch entstanden wären, wenn sich der Geschädigte wegen seines gesamten Schadens ausschließlich an den Haftpflichtversicherer gewandt hätte. Der Gegner soll nicht entlastet werden, weil der Geschädigte den Schaden zum Teil selbst reguliert.

     

    • Beispiel 3

    Eigentümer E macht nach einem Verkehrsunfall 4.500 EUR Sachschaden beim eigenen Kaskoversicherer K und 2.500 EUR Schmerzensgeld beim gegnerischen Haftpflichtversicherer H geltend (jeweils durchschnittliche Angelegenheit). Seine Mithaftung an dem Unfall beträgt 25 Prozent, sodass H auf den Schmerzensgeldanspruch einen Betrag von 1.875 EUR zahlt.

     

    I. Gebühren für den Kaskoschaden (Wert: 4.500 EUR)

    1.

    1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG

    393,90 EUR

    2.

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    3.

    19 Prozent USt. (von 413,90 EUR)

    78,64 EUR

    Gesamt

    492,54 EUR

     

     

    II. Gebühren für den Haftpflichtschaden (Wert: 2.500 EUR) 

    1.

    1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG

    261,30 EUR

    2.

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    3.

    19 Prozent USt. (von 281,30 EUR)

    53,45 EUR

    Gesamt

    334,75 EUR

     

     

    Der Gesamtbetrag für die getrennte Regulierung beträgt 827,29 EUR. Hätte E den Gesamtschaden nur gegenüber H geltend gemacht, wären aus einem Erledigungswert von 5.250 EUR (75 Prozent von 7.000 EUR) diese Gebühren angefallen:

     

    1.

    1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG

    460,20 EUR

    2.

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    3.

    19 Prozent USt. (von 480,20 EUR)

    91,24 EUR

    Gesamt

    571,44 EUR

     

     

    Diesen Betrag kann E daher auch bei der getrennten Regulierung ersetzt verlangen. Den Restbetrag muss er gegenüber seinem Anwalt selbst tragen.

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2014 | Seite 178 | ID 42897222