· Fachbeitrag · Vorschussrecht
Ihr gutes Recht: Verlangen Sie auch von der Staatskasse einen Vorschuss
von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg
| Von Ihrem Mandanten können Sie über § 9 RVG einen angemessenen Vorschuss auf Gebühren und Auslagen verlangen. Zur Liquiditätssicherung sollten Sie auch Ihr Vorschussrecht gegenüber der Staatskasse nach § 47 Abs. 1 RVG nutzen. Besonderheiten erläutert dieser Beitrag. |
Checkliste 1 / Allgemeine Fragen zum Vorschuss auf Gebühren | |
Frage | Antwort |
| Die Regelung findet sich in § 47 RVG. |
| Einen Vorschuss auf Gebühren kann der Rechtsanwalt nur auf die bereits entstandenen Gebühren verlangen (AG Koblenz AGS 05, 352). Für noch nicht entstandene Gebühren, wie z.B. eine Terminsgebühr, kann kein Vorschuss gefordert werden. Die voraussichtliche Entstehung reicht nicht aus (LSG Thüringen 5.8.13, L 6 SF 904/13 B; Burhoff, RVGreport 11, 327).
Praxishinweis | Der Anspruch auf einen Vorschuss nach § 47 RVG unterscheidet sich also von dem Anspruch des Wahlanwalts nach § 9 RVG, der auch einen Vorschuss auf die voraussichtlich noch entstehenden Gebühren verlangen kann (Burhoff, RVG prof. 14, 138). |
| Nach § 47 Abs. 1 S. 1 RVG kann der Rechtsanwalt sowohl einen Vorschuss auf seine Gebühren als auch auf seine Auslagen verlangen (mehr dazu auf der nächsten Seite in Checkliste 2). |
| Nein. Dem Rechtsanwalt steht insoweit Ermessen zu. Er ist nicht verpflichtet, seinen Vorschussanspruch geltend zu machen. |
| Jeder Rechtsanwalt, dem ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zusteht, kann einen Vorschuss nach § 47 RVG verlangen, und zwar
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| Nein. Das ist nach § 47 Abs. 2 RVG ausgeschlossen. |
| Nein (Hansens, in: Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl., Teil 7 Rn. 52). |
| Ja. Er richtet sich aber nicht nach § 47 RVG, sondern nach § 51 Abs. 1 S. 5 RVG. Er tritt neben den aus § 47 Abs. 1 S. 1 RVG auf die gesetzlichen Gebühren. Der Anspruch nach § 47 RVG hat aber auch für den Pflichtverteidiger Bedeutung, weil er die Unzumutbarkeit nach § 51 RVG entfallen lassen kann (BVerfG NJW 05, 3699; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 51 Rn. 68). Der Pflichtverteidiger wird daher im Zweifel vor der Geltendmachung eines Anspruchs nach § 51 Abs. 1 S. 5 RVG den nach § 47 Abs. 1 RVG geltend machen (müssen). |
| Verpflichtet ist grundsätzlich die Staatskasse, § 47 Abs. 1 S. 1 RVG. |
| Ja. Nach § 47 Abs. 1 S. 2 RVG gilt für nach §§ 138, 270 FamFG beigeordnete oder nach § 67a Abs. 1 S. 2 VwGO bestellte Rechtsanwälte etwas anderes: Sie haben nicht nur einen Vergütungs-, sondern auch einen Vorschussanspruch gegen die Partei (§§ 39, 40 RVG). Ein Anspruch gegen die Landeskasse entsteht nach § 45 Abs. 2 RVG in diesen Fällen erst, wenn der Verpflichtete mit der Zahlung auch nur teilweise in Verzug ist. Das gilt nach § 47 Abs. 1 S. 2 RVG für den Vorschuss entsprechend (zur Geltendmachung des Vorschusses siehe Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 39 Rn. 27). |
| Nein. Wenn die Voraussetzungen für einen Vorschuss nach § 47 RVG vorliegen und der Rechtsanwalt die Antragsvoraussetzungen erfüllt hat, muss der Vorschuss festgesetzt werden. |
| Nein. Der Vorschuss ist fällig mit dem Entstehen der Gebühr, für die ein Vorschuss verlangt werden soll (AG Lichtenberg 1.3.13, 114 C 138/11, Abruf-Nr. 141531). |
Steht fest, dass ein Anspruch auf einen Gebührenvorschuss gegen die Staatskasse besteht, stellt sich die Frage nach der Berechnungsweise und insbesondere seiner Höhe. Welche Besonderheiten gelten für einen Vorschuss auf Auslagen? Einzelheiten erklärt die folgende Checkliste.
Checkliste 2 / Besondere Fragen: Vorschusshöhe und Vorschuss auf Auslagen | |
Frage | Antwort |
| Der Anspruch des Rechtsanwalts auf Vorschuss für Auslagen erfasst die entstandenen und voraussichtlich entstehenden Auslagen. Er geht also weiter als der Vorschussanspruch auf Gebühren. |
| Vom Vorschussanspruch erfasst werden die in Teil 7 VV RVG aufgeführten Auslagen, z.B. die Reisekosten nach Nr. 7003 ff. für den Verteidiger (LG Bautzen JurBüro 07, 655). Der Rechtsanwalt kann aber auch einen Vorschuss für Aufwendungen im Sinne von § 670 BGB geltend machen (für ein im Zivilverfahren eingeholtes Privatgutachten OLG Hamm RVG prof. 13, 132). |
| Der Rechtsanwalt kann auf alle unter Anwendung eines objektiven Maßstabs und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls voraussichtlich entstehenden Auslagen einen Vorschuss verlangen. Die Entstehung muss im Rahmen des § 46 Abs. 2 RVG höchstwahrscheinlich sein (Burhoff/Volpert, RVG, 4. Aufl., Teil A: Vorschuss aus der Staatskasse,§ 47 Rn. 2343; Hartung/Schons/Enders-Hartung, RVG, 2. Aufl., § 47 Rn. 15; OLG Hamm RVG prof. 13, 132).
Praxishinweis | Durch das Verfahren zur Festsetzung eines Vorschusses kann geklärt werden, ob Auslagen von der Staatskasse erstattet werden. |
| Nein. Auch der Anspruch auf Ersatz der Auslagen muss noch nicht fällig sein. |
| § 47 Abs. 1 RVG gewährt einen angemessenen Vorschuss. |
| Sinn und Zweck des § 47 RVG ist es, dass dem Rechtsanwalt bereits für den Zeitraum zwischen dem Entstehen des Anspruchs und der sich nach § 8 RVG richtenden Fälligkeit, die gegebenenfalls länger hinaus geschoben sein kann, eine Vergütung zukommen soll. Deshalb richtet sich der angemessene Vorschussanspruch nach dem Erfüllungsanspruch, der dem Anwalt zusteht (AnwKomm/Fölsch, RVG., § 47 Rn. 10; Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 47 Rn. 2). |
| Es ist zu unterscheiden:
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| Nein und zwar weder bei Gebühren, noch bei Auslagen. Der Rechtsanwalt kann vielmehr den Vorschuss in voller Höhe verlangen (AnwKomm/Fölsch, a.a.O., § 47 Rn. 10; Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 47 Rn. 2). Es kommt auch nicht darauf an, ob der Rechtsanwalt in der Lage ist, die Auslagen bis zur Fälligkeit seiner Vergütung nach § 8 RVG selbst zu tragen (Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 47 Rn. 4). |
| Bei Betragsrahmengebühren, z.B. in Sozialgerichtsverfahren nach Nrn. 3102, 3106 VV RVG, kann der Rechtsanwalt den Vorschuss in Höhe der Mittelgebühr geltend machen (AnwKomm/Fölsch, a.a.O., § 47 Rn. 13; Mayer/Kroiß-Ebert, RVG, 6. Aufl., § 47 Rn. 8, LSG Baden-Württemberg JurBüro 90, 883). |
| Verdient der beigeordnete oder bestellte Rechtsanwalt Festbetragsgebühren, wie nach den Teilen 4 bis 5 VV RVG, kann er nur diese, dann aber in voller Höhe, geltend machen (AnwKomm/Fölsch, a.a.O.; Hartung/Schons/Enders-Hartung, a.a.O., § 47 Rn. 18). |
| Zugrunde zu legen sind die Gebührentabellen der §§ 13, 49 RVG (AnwKomm/Fölsch, a.a.O., § 47 Rn. 12; Hartung/Schons/Enders-Hartung, a.a.O., § 47 Rn. 17). Ein darüber hinausgehender Anspruch auf weitere Vergütung nach § 50 RVG kann erst nach dem Ende des Verfahrens geltend gemacht werden.
Praxishinweis | Grundlage der Berechnung des Vorschusses ist der Gegenstandswert des Verfahrens. Gegebenenfalls ist dieser vom Gericht vorläufig festzusetzen (Hartung/Schons/Enders-Hartung, a.a.O., § 47 Rn. 17). |
Weiterführende Hinweise
- Burhoff, RVG prof. 14, 116 und 138 zum Vorschussrecht nach § 9 RVG gegen den Mandanten
- N. Schneider, RVG prof. 14, 102: Fallstricke bei der Forderung eines Vorschusses
- Steben, Anwalt und Kanzlei 14, 18: Umsatzsteuer - Ist-Besteuerung bietet für Freiberufler Vorteile (zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Vorschüssen)
- Schons, Anwalt und Kanzlei 13, 32: Honorar - der Anwalt und das „Preisgespräch“: Vergütungsvereinbarungen
- Der Beitrag wird fortgesetzt.