· Fachbeitrag · Vorschussrecht
So verlangen Sie vom Auftraggeber das Richtige
von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D. Münster/Augsburg
| Nach § 9 RVG hat der Rechtsanwalt das Recht, von seinem Mandanten „für die entstandenen und voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen einen angemessenen Vorschuss“ zu fordern. Von diesem Recht wird in der Praxis immer noch (zu) wenig Gebrauch gemacht (Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 21. Aufl., § 9 Rn. 1; Burhoff RVGreport 11, 365). Angefangen mit der folgenden Checkliste erläutern wir Ihnen, wie Sie von Ihrem Vorschussrecht Gebrauch machen, um Einnahmeausfälle zu verhindern. |
Checkliste / Allgemeine Fragen zum Vorschuss | |
| Antwort |
| Die Regelung findet sich in § 9 RVG. |
| Nein, eine solche Verpflichtung besteht nicht. Ob und in welcher Höhe der Rechtsanwalt einen Vorschuss verlangt, liegt in seinem (billigen) Ermessen (BGH NJW 04, 1047; OLG Bamberg NJW-RR 11, 935). |
| Das Recht, einen Vorschuss zu verlangen, steht jedem Rechtsanwalt zu. Vorschussberechtigt sind:
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| Ja. |
| Ja. |
Ja. | |
| Nein, für sie ist nach § 52 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 RVG (Pflichtverteidiger) beziehungsweise nach § 53 Abs. 1, § 52 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 RVG (in Strafsachen beigeordneter Rechtsanwalt) der Vorschuss nach § 9 RVG vom Mandanten ausgeschlossen. Sie haben aber gemäß § 47 RVG einen Vorschussanspruch gegen die Staatskasse. |
| Nein, sie können ebenfalls nur nach § 47 RVG für die entstandenen Gebühren (§ 49 RVG) und die entstandenen und voraussichtlich entstehenden Auslagen aus der Staatskasse einen angemessenen Vorschuss fordern (hierzu Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 9 Rn. 5).
Praxishinweis | Bei Beratungshilfe kann der Rechtsanwalt allerdings gemäß § 47 Abs. 2 RVG keinen Vorschuss fordern. |
| Vorschussverpflichteter ist in erster Linie der Mandant. |
| Nein. Da die RSV des Mandanten nicht Auftraggeber des Rechtsanwalts ist, kann dieser von der RSV unmittelbar keinen Vorschuss verlangen.
Praxishinweis | § 9 RVG wirkt sich aber mittelbar auf das Verhältnis zur RSV aus. Die RSV ist aufgrund des RSV-Vertrags immer zahlungspflichtig, sobald der Versicherungsnehmer berechtigterweise in Anspruch genommen wird. Zu einer berechtigten Inanspruchnahme zählt dabei auch die auf § 9 RVG gestützte Vorschussforderung (AG München AGS 07, 234 mit Anm. N. Schneider; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 21. Aufl., § 9 Rn. 28; Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl., Teil A: Vorschuss vom Auftraggeber [§ 9], Rn. 2363; AnwKomm-RVG/N. Schneider, RVG, 7. Aufl. § 9 Rn. 101). Verlangt der vom Versicherungsnehmer beauftragte Rechtsanwalt einen Vorschuss im Sinne von § 9 RVG wird der Kostenbefreiungsanspruch gegenüber der RSV insoweit fällig (BGH AGS 06, 571; LAG Saarlouis AGS 14, 216; zur Erfüllung des Kostenfreistellungsanspruchs des Versicherungsnehmers AG München AGS 13, 101). |
| Ja. Vor allem bei der Übernahme der Vertretung Minderjähriger im Strafverfahren ist besondere Vorsicht geboten. Diese können zwar selbst einen Verteidiger wählen, für den Mandatsvertrag gelten aber die §§ 107, 108 BGB (Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Aufl., Rn. 1762). Zu dessen Wirksamkeit ist also die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters des Minderjährigen erforderlich. Allerdings ist darauf zu achten, dass keine Haftung des Inhabers der elterlichen Sorge für die Anwaltskosten besteht.
Praxishinweis | Der Rechtsanwalt/Verteidiger muss darauf achten, dass er von den Eltern auf Grund deren Unterhaltspflicht (§ 1601, § 1610 Abs. 2 BGB) einen angemessenen Vorschuss erhält. Noch besser ist es, die Mandatsübernahme davon abhängig zu machen, dass die Eltern die persönliche Haftung für die Gebühren übernehmen (Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 9 Rn. 16). |
| Nein (AnwKomm-RVG/N. Schneider, a.a.O., § 9 Rn. 73). Der Rechtsanwalt muss klagen, was allerdings von der wohl h.M. als standeswidrig angesehen wird (AnwKomm-RVG/N. Schneider, a.a.O., § 9 Rn. 74; Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 9 Rn. 24 mit weiteren Nachweisen auch zur anderen Ansicht; Burhoff/Burhoff, a.a.O., RVG, Teil A: Vorschuss vom Auftraggeber [§ 9], Rn. 2380).
Praxishinweis | Eine Freistellungsklage gegen den Rechtsschutzversicherer ist allerdings nicht standeswidrig (Burhoff, a.a.O., RVG, a.a.O.). |
| Zahlt der Mandant den Vorschuss nicht pünktlich und vollständig, kann der Rechtsanwalt weitere Tätigkeiten ablehnen, bis der Vorschuss eingegangen ist. Er kann also die weitere Vertretung beziehungsweise Verteidigung grundsätzlich einstellen (OLG Hamm RVGreport 11, 238; OLG Karlsruhe BRAK-Mitt. 89, 115). |
| Ja, aber der Rechtsanwalt muss es vorher ankündigen, um dem Mandanten Gelegenheit zu geben, seiner Zahlungsverpflichtung nachzukommen und gegebenenfalls rechtzeitig einen anderen Rechtsanwalt oder Verteidiger zu beauftragen.
Praxishinweis | In der Regel wird der Rechtsanwalt dem Mandanten eine Frist setzen (müssen), und zwar vor allem im Strafverfahren. Im Strafverfahren stellt sich immer auch die Frage, ob der Rechtsanwalt gegebenenfalls einen Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger stellen sollte. |
| Ja, der Rechtsanwalt darf das Mandat nicht zur Unzeit kündigen. Das gilt vor allem im Straf-und Bußgeldverfahren. |
| Von „Unzeit“ wird in der Rechtsprechung ausgegangen, wenn der Anwalt das Mandat so kurzfristig vor einem Termin oder der Hauptverhandlung niederlegt, dass der Mandant oder Beschuldigte keinen anderen Vertreter/Verteidiger mehr beauftragen kann und damit eine ordnungsgemäße Vertretung oder Verteidigung nicht mehr gewährleistet ist.
Praxishinweis | Das Mandat darf auch nicht so „kurzfristig“ niedergelegt werden, dass für den Mandanten die Gefahr besteht, Fristen zu versäumen, weil keine angemessene Zeit zur Vorschussleistung mehr besteht. Dem Mandanten muss ausreichend Gelegenheit verbleiben, seine Rechte noch selber wahrzunehmen oder einen anderen Anwalt zu beauftragen (OLG Hamm RVGreport 11, 238; OLG Karlsruhe BRAK-Mitt. 89, 115). |
| Die Abrechnung eines Vorschusses muss erfolgen, wenn die Vergütungsforderung des Rechtsanwalts nach § 8 RVG fällig geworden ist (§ 10 Abs. 2 RVG; Meyer, JurBüro 09, 633; AnwKomm-RVG/N. Schneider, a.a.O., § 9 Rn. 81; zur Abrechnung gegenüber der RSV OLG Frankfurt JurBüro 13, 654; Hambloch, JurBüro 13, 623). |
| Sinnvoll ist die Verrechnung auf Nettobasis. |
| Nein, maßgeblich ist allein das vertragliche Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und Mandanten. Etwas anderes gilt, wenn die Parteien eine Vereinbarung darüb er getroffen haben, dass die gerichtliche Kostenfestsetzung die Höhe des Honoraranspruchs begrenzen soll (zuletzt AG Charlottenburg AGS 10, 466 mit Anm. N. Schneider für Rückforderung der RSV; BGH NJW 04, 1043; OLG Koblenz AGS 04, 38; AG Wiesbaden VRR 09, 160; andere Ansicht nur AG Aachen MDR 73, 308). |
| Nein, zu viel gezahlte Vorschüsse muss der Rechtsanwalt dem Mandanten erstatten. |
| Ja, es sei denn, es bestehen Aufrechnungsverbote (OLG Düsseldorf OLGR 98, 435 mit weiteren Nachweisen). |
| Unterlässt der Rechtsanwalt schuldhaft die Abrechnung von Vorschüssen, ist es ihm nach Treu und Glauben verwehrt, sich gegenüber dem Anspruch des Mandanten auf Abrechnung und Rückzahlung des nicht verbrauchten Vorschusses auf die Einrede der Verjährung zu berufen (LG Karlsruhe JürBüro 12, 484). |
Weiterführender Hinweis
- Der Beitrag wird fortgesetzt.