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  • · Fachbeitrag · Zwangsvollstreckung

    Wertloses Pfändungsobjekt: Anwaltsgebühren bemessen sich nach Vollstreckungsforderung

    von RiOLG Frank-Michael Goebel, Koblenz

    Stellt sich im Zwangsvollstreckungsverfahren im Nachhinein heraus, dass der gepfändete Gegenstand wertlos ist, richtet sich der Gegenstandswert für den anwaltlichen Vergütungsanspruch nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG nach dem Wert der zu vollstreckenden Forderung (OLG Naumburg 3.4.14, 2 W 26/14, Abruf-Nr. 143263).

     

    Sachverhalt

    In einer Zwangsvollstreckungssache hat das AG antragsgemäß einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) für die Vollstreckung zweier Gläubiger aus einem gegen den Schuldner ergangenen Versäumnisurteil wegen einer Forderung von 15.260 EUR erlassen. Zugleich wurde dem Gläubiger Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts bewilligt. Auf den PfÜB teilte die Arbeitgeberin in der Drittschuldnererklärung mit, dass der Schuldner schon seit einem vor dem PfÜB-Erlass liegenden Zeitpunkt nicht mehr für sie tätig ist. Die anwaltliche Vergütung des Bevollmächtigten des Gläubigers wurde unter Berücksichtigung eines Mehrvertretungszuschlags - nach der Kostentabelle vor dem 2. KostRMoG - ausgehend von der Gesamtforderung als Streitwert auf 207,30 EUR festgesetzt.

     

    MERKE | Für die Beantragung des PfÜB fällt eine 0,3-Verfahrensgebühr an, Nr. 3309 VVRVG, die sich aufgrund des Mehrvertretungszuschlages für einen weiteren Auftraggeber um 0,3 auf eine 0,6-Verfahrensgebühr erhöht. Nach neuem Kostenrecht wären dem Anwalt 221 EUR netto (262,99 EUR brutto) zugeflossen.

     

     

    Auf die Erinnerung der Landeskasse hat das AG den Vergütungsfestsetzungsbeschluss aufgehoben, soweit eine über einen Betrag von 14,28 EUR hinausgehende Vergütung festgesetzt worden ist. Es ließ die Beschwerde zu.

     

    MERKE | Die Berechnung beruhte auf einem Streitwert von 0 bis 300 EUR nach altem Recht, sodass lediglich die Mindestgebühr festgesetzt wurde, die nach neuem Recht zu einem Betrag von 18 EUR netto (21,42 EUR brutto) geführt hätte.

     

    Das LG hat die Beschwerde zurückgewiesen, die weitere Beschwerde aber zugelassen. Das OLG hat im Sinne des anwaltlichen Gebühreninteresses entschieden.

     

    Entscheidungsgründe und Praxishinweis

    Grundlage des Rechtsmittels ist zunächst § 56 RVG. Hiernach entscheidet das Gericht des ersten Rechtszugs über Erinnerungen und Beschwerden des Anwalts gegen die Festsetzung der PKH-Vergütung. § 56 Abs. 2 RVG verweist für den weiteren Rechtsmittelzug auf § 33 Abs. 3 bis 8 RVG.

     

    Nach § 33 Abs. 3 RVG ist die Beschwerde gegen die Festsetzungsentscheidung zulässig, wenn

    • der Wert der Beschwer den Betrag von 200 EUR übersteigt oder

     

    • MERKE | Im konkreten Fall wurde der Beschwerdewert nicht erreicht (207,30 EUR - 14,28 EUR = 193,02 EUR). Nach neuem Kostenrecht wäre die Beschwerde schon nach dieser Regelung zulässig gewesen (262,99 EUR - 21,49  EUR = 241,50 EUR).

       

     

    • das Ausgangsgericht die Beschwerde zu lässt.

     

    • MERKE | Auch wenn die Zulassung von Amts wegen erfolgen muss, soweit die Voraussetzungen vorliegen, zeigen die Instanzgerichte in der Praxis wenig Neigung, dies tatsächlich zu tun. Gerade im Fall der Beantragung eines PfÜB sollte stets die Zulassung der Beschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beantragt werden, da die Streitfrage umstritten ist.

       

     

    Für die Bestimmung des Streitwerts war von § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG auszugehen. Gemäß der Norm richtet sich in der Zwangsvollstreckung der Gegenstandswert nach dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung. Nur wenn ein bestimmter Gegenstand gepfändet werden soll und dieser einen geringeren Wert hat, ist der geringere Wert maßgebend. Umstritten ist, welche Auswirkungen es auf die nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG im Vollstreckungsverfahren entstandenen Gebühren hat, wenn sich im Nachhinein die Wertlosigkeit des gepfändeten Gegenstands herausstellt:

     

    • Nach einer Ansicht können die Anwaltsgebühren nur aus dem gesetzlichen Mindeststreitwert von 500 EUR berechnet werden, wobei dem Rechtsanwalt zumindest die Mindestgebühr von 15 Euro gemäß § 13 Abs. 2 RVG n. F. zusteht (OLG Köln Rpfleger 01, 149; LG Stuttgart MDR 13, 1312; LG Hamburg ZMR 09, 697; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 21. Aufl., § 25 Rn. 14).
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    • Nach einer zweiten Auffassung ist (auch) bei einem wertlosen Pfändungsobjekt auf den Wert der zu vollstreckenden Forderung abzustellen (LG Hamburg AnwBl 06, 499; LG Düsseldorf AGS 06, 86; LG Kiel JurBüro 91, 1198; Hartmann, Kostengesetze, 43. Aufl., § 25 RVG Rn. 5) und den subjektiven Vorstellungen des Vollstreckungsgläubigers oder seines Verfahrensbevollmächtigten vom Wert des Vollstreckungsobjekts eine maßgebliche Bedeutung beizumessen - jedenfalls dann, wenn ihre Vorstellungen eine nachvollziehbare Grundlage haben (OLG Karlsruhe NJW-RR 11, 501).
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    • Eine dritte Meinung hält den höchsten während der Zwangsvollstreckungsmaßnahme ermittelten Wert des Vollstreckungsobjekts für maßgeblich, der mangels anderweitiger Grundlagen gegebenenfalls durch anwaltliche Schätzung ermittelt werden müsse (Hartung/Römermann/Schons, Praxiskommentar zum RVG, 2. Aufl., § 25 Rn. 9 bis 15).

     

    Das OLG schließt sich der zweiten Auffassung an, die damit zunehmend Unterstützung in der obergerichtlichen Rechtsprechung findet. Die Entscheidung des OLG Köln (erste Ansicht) ist nun schon über 13 Jahre alt. Das OLG Naumburg stellt darauf ab, dass es der Systematik des RVG widerspricht, die Höhe des Anwaltshonorars vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig zu machen. Ferner ist für die Bewertung einer Gebühren auslösenden Tätigkeit in der Regel auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem mit dieser Tätigkeit begonnen wird, da die Gebührenforderung, auch wenn sie nach § 8 Abs. 1 S. 1 RVG erst mit Beendigung der anwaltlichen Tätigkeit fällig wird, bereits mit ihrem Beginn entsteht (Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 8 Rn. 1). Schließlich ist es nicht zwingend, auf den erst nachträglich ermittelten objektiven Wert des Vollstreckungsobjekts abzustellen. Denn es ist durchaus auch mit dem Wortlaut des § 25 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 RVG in Einklang zu bringen, den subjektiven Vorstellungen des Vollstreckungsgläubigers oder seines Rechtsanwalts vom Wert des Vollstreckungsobjekts eine maßgebliche Bedeutung zukommen zu lassen, wenn sie hinreichend plausibel sind und eine nachvollziehbare tatsächliche Basis haben. Auch im Übrigen wird bei der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf das Interesse des Rechtsmittelführers, hier also des Gläubigers, abgestellt: Im selbstständigen Beweisverfahren wird etwa nicht auf die Forderungshöhe nach der Begutachtung abgestellt, sondern auf das Interesse des Gläubigers an der Beweissicherung, auch wenn diese in Teilen nicht gelingt. Das Interesse des Gläubigers ist aber die Durchsetzung der Vollstreckungsforderung. Nur wenn - zum Zeitpunkt der Einleitung der Zwangsvollstreckung - feststeht, dass die Vollstreckungsforderung durch die Pfändung nicht erfüllt werden kann, kommt die gesetzliche Begrenzung zum Tragen. Hiervon wird bei der Pfändung rückständigen, gegenwärtigen und künftigen Arbeitslohns aber nicht auszugehen sein, es sei denn dem Gläubiger ist bereits bekannt, dass das Arbeitsverhältnis zeitnah endet. Auch in diesem Fall ist aber nicht auf den Mindestwert abzustellen, sondern auf den plausibel noch zu erwartenden Vollstreckungserfolg.

     

    PRAXISTIPP | Steht fest, dass die Vollstreckungsforderung durch die Pfändung nicht erfüllt werden kann, sollten Sie darauf hinweisen, dass sich der Vollstreckungserfolg deutlich erhöhen kann,

    • wenn die Vollstreckung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (§ 850f Abs. 2 ZPO) erfolgt oder
    • etwa durch Anträge auf Nichtberücksichtigung unterhaltsberechtigter Personen nach § 850c Abs. 4 ZPO (z.B. wenn auch der Ehegatte eigene Einkünfte hat und deshalb nicht nur sich, sondern auch die Hälfte der eigenen Kinder selbst unterhalten kann).
     

    Vorliegend war bei Beantragung der Zwangsvollstreckung von einem dauerhaften Vollstreckungserfolg auszugehen, weil der Schuldner bereits langjährig bei dem Drittschuldner tätig war. Den nachträglich bekannt gewordenen Umständen darf dagegen billigerweise keine Bedeutung zukommen.

     

    FAZIT | Als Fazit bleibt festzuhalten, dass gerade die niedrige 0,3-Verfahrensgebühr in der Zwangsvollstreckung eine Kontrolle des Streitwerts gebietet und die Mühe mit einer deutlich höheren Vergütung - hier rund 200 EUR - belohnt wird.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 202 | ID 43026129