· Fachbeitrag · Nachlass
In Nachlasssachen mehr verdienen
| Immer wieder werden Rechtsanwälte in Nachlassverfahren beauftragt, einen Erbschein zu beantragen. Sie sehen dann meist die Nachlassakte ein und nehmen zusammen mit dem Mandanten einen Termin vor dem Nachlassgericht wahr, um den Erbschein zu erhalten. Hier werden oft Gebühren verschenkt. |
In Nachlasssachen gilt das „Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ (§§ 352 ff. FamFG). Solche Verfahren werden nach Teil 3 RVG VV abgerechnet, sodass die Gebührentatbestände nach Nr. 3100 ff. RVG VV greifen. Allerdings können hierbei unterschiedliche Fallkonstellationen auftreten:
- Stellt der Rechtsanwalt beim Nachlassgericht lediglich einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, ist Nr. 3101 Nr. 3 RVG VV zu beachten: Hiernach reduziert sich die 1,3-Verfahrensgebühr auf 0,8, wenn „lediglich ein Antrag gestellt und eine Entscheidung entgegengenommen wird.“
- Aus der Formulierung „lediglich ein Antrag“ ist ersichtlich, dass eine Ermäßigung auf 0,8 der Verfahrensgebühr nicht greift, wenn der Antrag begründet wird, nachträglich - etwa auf Nachfrage des Nachlassgerichts oder auf Einwendungen der Gegenseite (z. B. anderer Miterben, Pflicht-teilsberechtigte) - Begründungen oder weitere Ausführungen erforderlich werden oder nachträglich noch Unterlagen (z. B. Abstammungsurkunden) beizubringen sind. In diesen Fällen entsteht eine 1,3-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 RVG VV.
- StelIt der Anwalt zwar nur einen Erbscheinsantrag, nimmt aber auch einen Gerichtstermin wahr, entsteht eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG VV. Hier greift der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 3101 Nr. 3 RVG VV nicht. Denn die Tätigkeit beschränkt sich gerade nicht „lediglich“ auf eine Antragstellung. Ob der Antrag begründet ist, spielt keine Rolle.
- Neben der 1,3-Verfahrensgebühr fällt zusätzlich eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG VV an.
- Eine Ausnahme vom Ausnahmetatbestand der Nr. 3101 Nr. 3 RVG VV bildet Nr. 3101 Abs. 2 RVG VV. Diese Regelung hebelt die Reduzierung auf eine 0,8-Verfahrensgebühr aus, wenn es sich um ein streitiges Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt.
PRAXISHINWEIS | Da die freiwillige Gerichtsbarkeit keine streitigen Verfahren kennt - es gilt der Amtsermittlungsgrundsatz -, wird darauf abzustellen sein, dass das Verfahren im Einzelfall streitig geführt wird. Im Erbscheinsverfahren ist dies meist der Fall, wenn andere Beteiligte (z. B. Geschwister) dem Antrag entgegentreten. Dann entsteht eine 1,3-Verfahrensgebühr. Hierzu genügt es, dass Sie die Einwendungen entgegennehmen und prüfen, ob etwas zu unternehmen ist.