· Fachbeitrag · Regierungsentwurf KostRÄG 2021
So wird die Anrechnung einer gezahlten Geschäftsgebühr bei PKH/VKH im folgenden Verfahren gelöst
| In der Rechtsprechung ist umstritten, ob beispielsweise der Anfall einer vorgerichtlichen Geschäftsgebühr wegen der in Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG normierten Anrechnung stets zu einer Reduzierung der aus der Staatskasse zu zahlenden Verfahrensgebühr führt. § 58 Abs. 2 S. 2 RVG-E soll dies neu regeln und damit eine einheitliche Handhabung klarstellen. |
1. Das soll künftig neu geregelt werden
Künftig soll die Anrechnung einer auf eine vorgerichtliche Geschäftsgebühr erfolgten Zahlung nur dann in Betracht kommen, wenn die Zahlung dazu führt, dass die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung und dem insgesamt nach § 49 RVG bestehenden Anspruch völlig beglichen ist. Hierdurch sollen alle Anrechnungsfälle erfasst werden, wenn tatsächlich eine Zahlung auf die anzurechnende Gebühr erfolgt ist.
§ 58 Abs. 2 RVG-E wird insofern um einen neuen Satz 2 ergänzt: „Ist eine Gebühr, für die kein Anspruch gegen die Staatskasse besteht, auf eine Gebühr anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse besteht, so vermindert sich der Anspruch gegen die Staatskasse nur insoweit, als der Rechtsanwalt durch eine Zahlung auf die anzurechnende Gebühr und den Anspruch auf die ohne Anrechnung ermittelte andere Gebühr insgesamt mehr als den sich aus § 15a Abs. 1 RVG (Anrechnung einer Gebühr) ergebenden Gesamtbetrag erhalten würde.“
2. Bis 4.000 EUR ist Honorar für PKH-/VKH-/Wahlanwalt gleich
Da bei Werten bis zu 4.000 EUR die PKH-/VKH-Vergütung und die Wahlanwaltsvergütung identisch sind, sind die Zahlungen auf die Geschäftsgebühr stets in voller Höhe auf die Vergütungsansprüche gegenüber der Staatskasse anzurechnen.
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Rechtsanwalt R vertritt Mandant M außergerichtlich wegen einer Forderung von 3.500 EUR. R rechnet außergerichtlich gegenüber M wie folgt (netto) ab (Mittelgebühr): | ||
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG aus 3.500 EUR, § 13 RVG | 417,00 EUR | |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR | |
437,00 EUR | ||
M zahlt daraufhin. Im Klageverfahren wird M PKH bewilligt und R wird beigeordnet. Nach mündlicher Verhandlung wird der Gegner G antragsgemäß verurteilt. | ||
Lösung Da R auf die Geschäftsgebühr Zahlungen erhalten hat, muss nach dem KostRÄG 2021 im Rahmen der PKH-Abrechnung wie folgt angerechnet werden: | ||
1. Formel zur Ermittlung des Gesamtbetrags nach § 15a Abs. 1 RVG | ||
Somit: | ||
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG aus 3.500 EUR | 417,00 EUR | |
abzgl. 0,75 gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG | - 208,50 EUR | |
zzgl. 1,3-Verfahrensgebühr gem. § 13 RVG aus 3.500 EUR | 361,40 EUR | |
569,90 EUR | ||
2. Formel zur Ermittlung des Anrechnungsbetrags | ||
Zahlung der Geschäftsgebühr | 417,00 EUR | |
Anspruch gegen Staatskasse: 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG gem. § 49 RVG aus 3.500 EUR |
361,40 EUR | |
778,40 EUR | ||
abzgl. Gesamtbetrag nach § 15a Abs. 1 RVG | ‒ 569,90 EUR | |
Anrechnungsbetrag | 208,50 EUR | |
Die aus der Staatskasse zu zahlende Verfahrensgebühr von | 361,40 EUR | |
reduziert sich somit um 208,50 EUR auf | 152,90 EUR | |
R kann daher gegenüber der Staatskasse wie folgt abrechnen (§ 49 RVG): | ||
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 3.500 EUR | 361,40 EUR | |
gem. § 58 Abs. 2 RVG abzgl. | ‒ 208,50 EUR | |
restliche Verfahrensgebühr | 152,90 EUR | |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 3.500 EUR | 333,60 EUR | |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR | |
506,50 EUR |
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Rechtsanwalt R vertritt Mandant M außergerichtlich wegen einer Forderung von 7.500 EUR. R rechnet außergerichtlich gegenüber M wie folgt (netto) ab (Mittelgebühr): | ||
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG aus 7.500 EUR, § 13 RVG | 753,00 EUR | |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR | |
773,00 EUR | ||
M zahlt daraufhin. Im Klageverfahren wird M PKH bewilligt und R wird beigeordnet. Nach mündlicher Verhandlung wird der Gegner G antragsgemäß verurteilt. | ||
Lösung Da R auf die Geschäftsgebühr Zahlungen erhalten hat, muss nach dem KostRÄG 2021 im Rahmen der PKH-Abrechnung wie folgt angerechnet werden: | ||
1. Formel zur Ermittlung des Gesamtbetrags nach § 15a Abs. 1 RVG | ||
Somit: | ||
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG aus 7.500 EUR | 753,00 EUR | |
abzgl. 0,75 gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG | ‒ 376,50 EUR | |
zzgl. 1,3-Verfahrensgebühr gem. § 13 RVG aus 7.500 EUR | 652,60 EUR | |
1.029,10 EUR | ||
2. Formel zur Ermittlung des Anrechnungsbetrags | ||
Zahlung der Geschäftsgebühr | 753,00 EUR | |
Anspruch gegen Staatskasse: 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG gem. § 49 RVG aus 7.500 EUR |
412,10 EUR | |
1.165,10 EUR | ||
abzgl. Gesamtbetrag nach § 15a Abs. 1 RVG | ‒ 1.029,10 EUR | |
Anrechnungsbetrag | 136,00 EUR | |
Die aus der Staatskasse zu zahlende Verfahrensgebühr von | 412,10 EUR | |
reduziert sich somit um 136,00 EUR auf | 276,10 EUR | |
R kann daher gegenüber der Staatskasse wie folgt abrechnen (§ 49 RVG): | ||
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 7.500 EUR | 412,10 EUR | |
gem. § 58 Abs. 2 RVG abzgl. | ‒ 136,00 EUR | |
restliche Verfahrensgebühr | 276,10 EUR | |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 7.500 EUR | 380,40 EUR | |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR | |
676,50 EUR |
FAZIT | Die sehr komplizierte Anrechnungsregelung wird sowohl aufseiten der Anwälte als auch aufseiten der Gerichte zu einem erheblichen Rechen-Mehraufwand führen. Dieser Aufwand wird letztlich die angedachten Gebührenerhöhungen zumindest teilweise kassieren. |