· Fachbeitrag · Terminsgebühr
In Kindschaftssachen beigeordneter Anwalt erhält keine fiktive Terminsgebühr
| In Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit steht die mündliche Erörterung gebührenrechtlich nicht der mündlichen Verhandlung in ZPO-Verfahren gleich. Es fällt daher nach dem OLG Jena keine (fiktive) Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG an, wenn das Verfahren nach gerichtlich gebilligter Elternvereinbarung ohne mündliche Erörterung beendet wird, obwohl das FamG nach § 155 Abs. 2 S. 1 FamFG eine Erörterung mit den Beteiligten in einem Termin verbindlich angeordnet hat. |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob im Rahmen einer Kindschaftssache durch die gesetzlich vorgeschriebene Erörterung nach § 155 Abs. 2 S. 1 FamFG eine fiktive Terminsgebühr entsteht, wenn auf eine mündliche Verhandlung verzichtet wird. Das OLG Jena verneint dies mit der folgenden Begründung (24.10.24, 3 WF 213/24, Abruf-Nr. 245884):
- Die Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG VV entsteht nur, wenn im Einvernehmen mit den Parteien entschieden wird und eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Eine mündliche Verhandlung (§ 128 ZPO) ist nämlich Voraussetzung für Hauptsacheentscheidungen.
- Eine mündliche Erörterung (§ 155 FamFG) hingegen dient lediglich der Sachverhaltsklärung und erlaubt Entscheidungen ohne persönliche Anhörung. Der Gesetzgeber hat bewusst keine Gleichstellung von Verhandlung und Erörterung vorgenommen (BT-Drucksache 17/11471). Anwälte sollen durch Prozessverhalten eine mündliche Verhandlung erzwingen können. Diese Steuerungsintention greift bei § 155 FamFG nicht, da das FamG ohnehin zur Erörterung verpflichtet ist.
Relevanz für die Praxis
Die h. M. in Rechtsprechung und Literatur schließt Erörterungstermine aus dem Begriff der mündlichen Verhandlung nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG aus. Diese Auffassung wird von zahlreichen OLG vertreten (vgl. OLG München 20.9.19, 11 WF 666/19; OLG Schleswig 12.2.14, 15 WF 410/13; OLG Zweibrücken 25.7.18, 6 WF 74/18; OLG Karlsruhe 10.4.14, 5 WF 181/13). Anwälte können daher keine fiktive Terminsgebühr beanspruchen, wenn lediglich eine mündliche Erörterung erfolgt. Diese Trennung zwischen Erörterung und Verhandlung reduziert die Vergütung, was letztlich den Anreiz mindert, solche Verfahren zu übernehmen.
Einzig und allein das OLG Frankfurt a. M. widerspricht dem und argumentiert: Der Gesetzgeber beabsichtigt, auch bei Anhörungsterminen eine fiktive Terminsgebühr entstehen zu lassen, da diese Termine von allen Beteiligten wahrgenommen werden müssen (3.2.22, 7 WF 179/21). Eine Terminsgebühr kann daher auch für Anhörungstermine beansprucht werden, was die Vergütungssituation für Anwälte verbessert.