· Fachbeitrag · Zwangsvollstreckung
Die Einigungsgebühr kann auch über ein Schuldnerportal entstehen
von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz
| Vor allem bei Inkassomandaten werden vermehrt Zahlungsvereinbarungen über ein extra dafür eingerichtetes Schuldnerportal abgeschlossen. Dadurch kann für den beteiligten Anwalt tatsächlich eine Einigungsgebühr entstehen, die nach § 788 ZPO erstattungsfähig ist. |
1. So funktioniert das Schuldnerportal
Viele Inkassodienstleister bieten ein Schuldnerportal an, um fällige Schulden von Kunden einzutreiben. Der Schuldner meldet sich beim Schuldnerportal mit seinen persönlichen Zugangsdaten an und hat dort die Möglichkeit, eine Ratenzahlungsvereinbarung zu treffen. Mit der Angabe der Ratenhöhe wird ihm automatisch auch die entsprechende (Einigungs-)Gebühr angezeigt. Zugleich erfolgen Hinweise, wie:
- „Diese Ratenzahlungsvereinbarung kommt nur zustande, wenn Sie sich mit der Übernahme der Einigungsvergütung in Höhe von … EUR einverstanden erklären. Ihre Zustimmung erteilen Sie mit der Zahlung der ersten Rate.“
- „Wir haben mit unserem Auftraggeber vertraglich vereinbart, dass er uns für den Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung eine Einigungsvergütung in Höhe von ... EUR schuldet. Diese Vergütung entspricht ihrer Höhe nach einer 0,7-Gebühr zzgl. Auslagenpauschale, wie sie Rechtsanwälten nach § 2, § 13, § 31b RVG i. V. m. Nr. 1000 Nr. 2, Nr. 7002 VV RVG zusteht. Unser Auftraggeber ist mit der Ratenzahlungsvereinbarung nur unter der Voraussetzung einverstanden, dass diese Einigungsvergütung von Ihnen übernommen und an uns gezahlt wird.“
Der Schuldner muss dies bestätigen und erhält anschließend die Vereinbarung postalisch übermittelt.
2. Bei Ratenzahlungsvereinbarung besteht Hinweispflicht
Wenn ein Rechtsanwalt, der Inkassodienstleistungen erbringt, mit einer Privatperson eine Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarung treffen möchte, muss er zuvor in Textform auf die dadurch entstehenden Kosten hinweisen (§ 43d Abs. 3 BRAO, § 13a Abs. 3 RDG). Unterlässt der Anwalt die vorgeschriebenen Hinweise ganz oder teilweise, bleibt das für das Rechtsverhältnis zwischen dem Auftraggeber des Anwalts und dem Schuldner bedeutungslos (vgl. Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., II. Zivilrecht, Rn. 42 m. w. N.). Eine Missachtung kann berufs-, zivil- und wettbewerbsrechtliche Konsequenzen (BeckOK BRAO/Günther, 22. Ed. 1.2.2024, BRAO § 43d Rn. 15), ein Bußgeld nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 RDG und bei beharrlichen Verletzungen auch einen Widerruf nach § 14 Nr. 3 RDG (BeckOK RDG/Günther, 28. Ed. 1.1.2024, RDG § 13a Rn. 22) nach sich ziehen.
Im Hinblick auf das angesprochene Schuldnerportal ist diese Verpflichtung erfüllt. Der Hinweis über das Internet erfüllt die Voraussetzung der Textform, zumal der Schuldner diese nochmals im Nachgang postalisch zugesandt bekommt. Im Übrigen bedarf es zur Wirksamkeit einer Ratenzahlungsvereinbarung keines formbedürftigen Vertrags, sodass sogar eine mündliche Vereinbarung wirksam ist (AG Hamburg-St. Georg AGS 15, 247 m. Anm. Mock).
3. Einigungsgebühr setzt Vertrag voraus
Gemäß Nr. 1000 Abs. 1 VV RVG entsteht die Einigungsgebühr, sofern eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien erfolgt, an der ein Rechtsanwalt (oder ein registriertes Inkassounternehmen) beteiligt ist. Eine vertragliche Vereinbarung kommt zustande, wenn zwei Willenserklärungen mit Bezug aufeinander abgegeben werden, die inhaltlich übereinstimmen. Das Angebot muss ausreichend detailliert sein oder durch zusätzliche gesetzliche Bestimmungen auslegbar sein, sodass eine einfache Zustimmung („Ja“) zur Annahme genügt.
Sowohl das Angebot als auch die Annahme sind empfangsbedürftige Willenserklärungen, die dem jeweils anderen Teil zugehen müssen, um wirksam zu sein. Eine Annahmeerklärung kann dabei auch durch schlüssiges bzw. konkludentes Verhalten erfolgen (AG Heidelberg DGVZ 16, 113; Mock, VE 09, 76; Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., Rn. 24).
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Gläubiger G ist im Besitz eines Vollstreckungsbescheids gegen den Schuldner S. Dieser loggt sich über das Internetportal des G ein und beabsichtigt, eine Ratenzahlungsvereinbarung abzuschließen. Im Portal wird S angezeigt, dass derzeit noch eine Forderung von 204,51 EUR zur Zahlung offensteht. S gibt eine Ratenhöhe von 30 EUR monatlich an. Daraufhin wird ihm Folgendes mitgeteilt: „Diese Ratenzahlungsvereinbarung kommt nur zustande, wenn Sie sich mit der Übernahme der Einigungsvergütung in Höhe von 36,60 EUR einverstanden erklären. Ihre Zustimmung erteilen Sie mit der Zahlung der ersten Rate.“
S zahlt pünktlich die erste Rate an G. Danach zahlt er nicht mehr, sodass G gegen S die Zwangsvollstreckung einleitet.
Lösung Die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 2 Alt. 2 VV RVG ist wirksam entstanden. Das Zustandekommen der Vereinbarung ist vorliegend an die Bedingung geknüpft, dass S die erste Zahlung leistet und somit seine Zustimmung zur Ratenzahlungsvereinbarung erteilt hat. Mit der ersten Zahlung ist der Vertrag also konkludent geschlossen worden (vgl. LG Mainz DGVZ 11, 134; AG Landsberg JurBüro 13, 45; LG Augsburg JurBüro 13, 45; AG Heidelberg DGVZ 16, 113).
Die weitere Nichterfüllung der Zahlungsvereinbarung durch S lässt die Einigungsgebühr nicht rückwirkend entfallen (vgl. AG Wesel AGS 17, 324). Dies gilt auch, wenn die Nichterfüllung durch S gemäß der Vereinbarung die weitere Vollstreckung der Restforderung ermöglicht, da die Ratenzahlungsvereinbarung dann nur ex nunc hinfällig wird (vgl. Mayer/Kroiß, a. a. O., Rn. 29). |
Der Anwalt bzw. Inkassodienstleister hat auch an dem Vertrag mitgewirkt, indem der Vertrag im Nachgang dem S postalisch bestätigt wurde. Ein persönliches Verhandeln mit der Gegenseite ist nicht erforderlich, ebenso auch keine Anwesenheit beim Abschluss. Es reicht vielmehr bereits aus, dass der Mandant aufgrund der Überprüfung eines Einigungsvorschlags und Beratung durch den Rechtsanwalt den Einigungsvertrag abschließt (vgl. BeckOK RVG/Sefrin, 63. Ed. 1.3.2024, RVG VV 1000 Rn. 35).
Durch den oben aufgeführten Hinweis, dass der Auftraggeber mit der Ratenzahlungsvereinbarung nur unter der Voraussetzung einverstanden ist, dass die Einigungsvergütung vom Schuldner übernommen und gezahlt wird, ist auch die Hinweispflicht erfüllt. |
4. Auch die Kostenerstattung ist zu bejahen
Nur die vom Schuldner übernommenen Kosten eines im Vollstreckungsverfahren geschlossenen Vergleichs sind nach § 788 ZPO notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung (BGH VE 06, 91). Fehlt es an einer Kostenübernahme, gilt § 98 ZPO. Danach sind die Kosten eines Vergleichs als gegeneinander aufgehoben anzusehen (BGH VE 07, 64).
Durch das Schuldnerportal wird der Schuldner ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Ratenzahlungsvereinbarung nur zustande kommt, wenn er sich mit der Übernahme der angefallenen Einigungsvergütung einverstanden erklärt und seine Zustimmung mit der Zahlung der ersten Rate als erteilt gilt. Damit erfolgt die Kostenübernahme mit der ersten Zahlung (vgl. LG Mainz DGVZ 11, 134; AG Landsberg JurBüro 13, 45; LG Augsburg JurBüro 13, 45; AG Heidelberg DGVZ 16, 113). Da die Kostenübernahmeregelung Bestandteil der Vereinbarung ist, bezieht sich die materiell-rechtliche Wirkung auch auf die Kostenübernahme.
Weiterführender Hinweis
- Immer Ärger mit Ratenzahlungsvereinbarungen, VE 15, 77