· Fachbeitrag · Zwangsvollstreckung
Vollstreckbarerklärung: Gegenstandswert richtet sich nach dem vollen Wert der Forderung
von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz
| Anträge auf die Vollstreckbarerklärung des unangefochtenen Teils eines Urteils sollen dem Gläubiger vor Eintritt der Rechtskraft den Vollstreckungsprozess erleichtern. Die Herausforderung besteht darin, festzustellen, ob und nach welchem Wert solche Anträge zusätzlich anwaltliche Gebühren auslösen können. Nach dem OLG München kann der Anwalt bei teilweiser Anfechtung eines gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren erstinstanzlichen Urteil beim Berufungsgericht beantragen, den nicht angefochtenen Teil ebenfalls vorläufig vollstreckbar zu erklären. Dies führt zu einer gesonderten Gebühr, die sich nach dem vollen Wert der Forderung richtet, die für die Vollstreckbarerklärung infrage kommt. |
Sachverhalt und Entscheidungsgünde
Das LG hatte die Klage teilweise abgewiesen und den Beklagten zur Zahlung von 3.196,34 EUR nebst Zinsen verurteilt, zusätzlich zur Anordnung, dass der Kläger Sicherheit leisten muss. Der Kläger legte Berufung gegen die abgewiesenen Teile ein. Nachdem die Berufungserwiderungsfrist ohne Reaktion des Beklagten abgelaufen war, beantragte der Kläger die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils nach § 537 ZPO. Das OLG stimmte diesem Antrag zu und legte die Kosten dem Beklagten auf. Anschließend beantragte der Anwalt des Klägers die Festsetzung des Gegenstandswerts seiner Tätigkeit im Anordnungsverfahren nach § 33 RVG. Der Senat setzte den Wert auf 3.196,34 EUR fest (OLG München 29.11.23, 15 U 5409/22 Rae, Abruf-Nr. 239146).
Denn für die Vollstreckbarerklärung der durch Rechtsmittelanträge nicht angefochtenen Teile eines Urteils bestimmt sich der Gegenstandswert nach dem für vollstreckbar zu erklärenden Teil des Urteils, ohne Nebenforderungen und Zinsen. Das Interesse des Titelgläubigers entspricht dem Wert des Titels, bei Zahlungstiteln somit dem zugesprochenen Betrag (hier 3.196,34 EUR).
Relevanz der Entscheidung
Die Entscheidung zeigt, dass es sich für Anwälte lohnen kann, zu differenzieren:
- Vollstreckbarkeitsverfahren ist mit Hauptsache abgegolten
- Das Vollstreckbarkeitsverfahren zählt nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG zur Hauptsache, wenn der für vollstreckbar erklärte Teil zunächst ebenfalls angefochten war oder nach der Vollstreckbarerklärung noch angefochten wird. Deshalb erhält ein Rechtsanwalt keine 0,5-Gebühr nach Nr. 3329 VV RVG zusätzlich zu den sonst im Rechtsmittelverfahren verdienten Gebühren. Dies war im Streitfall nicht gegeben: Der gemäß § 537 ZPO für vorläufig vollstreckbar erklärte Teil des mit der Berufung angefochtenen Urteils blieb in der Berufungsinstanz vielmehr unangefochten.
MERKE | Ist der nicht angefochtene Teil des Urteils nie Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens, ist das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung des nicht angefochtenen Teils eines Urteils eine eigene gebührenrechtliche Angelegenheit nach § 15 Abs. 1 RVG (LG Bonn AGS 01, 76 m. Anm. N. Schneider). Das Berufungsgericht entscheidet über die unbedingte Vollstreckbarerklärung durch Beschluss nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist. Obwohl eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist (§ 537 Abs. 1 S. 2 ZPO), bleibt sie dennoch möglich, was sich auf die Anwaltsgebühren auswirkt.
- Vollstreckbarkeitserklärung ist isoliertes Verfahren
- Liegen die Voraussetzungen nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG nicht vor, erhält der Rechtsanwalt im isolierten Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eine 0,5-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3329 VV RVG. Diese Gebühr erhöht sich zusätzlich je weiterem Auftraggeber um 0,3 (Nr. 1008 VV RVG).
- Beachten Sie | Nimmt der Anwalt einen Termin i. S. d. Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG wahr, entsteht zusätzlich eine 0,5-Terminsgebühr gemäß Nr. 3332 VV RVG. Praktisch ist das der Fall, wenn das Gericht im Verhandlungstermin des Berufungs- bzw. Revisionsverfahrens auch über die vorläufige Vollstreckbarkeit verhandelt. Dasselbe gilt, wenn der Anwalt an Besprechungen mit dem Gegner oder Dritten mitwirkt, um das Verfahren außergerichtlich zu erledigen (Schneider/Volpert, AnwK RVG, 9. Aufl., VV 3329 Rn. 21).
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Der Beklagte B wird erstinstanzlich verurteilt, 10.000 EUR zu zahlen. Er legt Berufung ein und beantragt, die Klage i. H. v. 4.000 EUR abzuweisen. Der klägerische Anwalt A beantragt, das Urteil i. H. v. 6.000 EUR für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist ergeht ein entsprechender Beschluss, ohne dass mündlich verhandelt wird.
Neben den Gebühren für das Berufungsverfahren aus einem Wert von 4.000 EUR (1,6-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3200 VV RVG, 1,2-Terminsgebühr gemäß Nr. 3202 VV-RVG) erhält A im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung also folgende Gebühren: | |
0,5-Verfahrensgebühr aus 6.000 EUR, Nr. 3329 VV RVG | 195,00 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV-RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV-RVG | 40,85 EUR |
255,85 EUR |
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Wie im Ausgangsfall. In dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung wird aber mündlich verhandelt.
Neben den Gebühren für das Berufungsverfahren aus einem Wert von 4.000 EUR (1,6-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3200 VV RVG, 1,2-Terminsgebühr gemäß Nr. 3202 VV RVG) erhält A zusätzlich folgende Gebühren: | |
0,5-Verfahrensgebühr aus 6.000 EUR, Nr. 3329 VV RVG | 195,00 EUR |
0,5-Terminsgebühr aus 6.000 EUR, Nr. 3332 VV RVG | 195,00 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV-RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 77,90 EUR |
487,90 EUR |