· Fachbeitrag · Berufsrecht
Erfolgshonorar: Erleichterte Voraussetzungen für bestimmte Mandate geplant
von RA Udo Henke, Unna
| Das grundsätzliche Verbot eines Erfolgshonorars für Rechtsanwälte soll für Mandate zur Inkassodienstleistung und für geringwertige Mandate gelockert werden: Ein aktueller Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) sieht für diesen bestimmten Bereich mehr Freiheit bei der Vereinbarung eines Erfolgshonorars vor. |
1. Recht der Inkassodienstleistungen soll reformiert werden
Der am 12.11.20 veröffentlichte Referentenentwurf (RefE) des BMJV für ein „Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt“ will einen „kohärenten Regelungsrahmen für rechtliche Dienstleistungen“ schaffen (iww.de/s4348). Hauptthema der Reform ist die Neuregelung des Rechts der Inkassodienstleistungen. Im Rahmen der geplanten Änderungen soll Anwälten gestattet werden, bei bestimmten Mandaten unter erleichterten Voraussetzungen Erfolgshonorare zu vereinbaren und sogar Verfahrenskosten zu übernehmen. Damit soll ein Gleichlauf der Regelungen zur außergerichtlichen Forderungseinziehung und den Inkassodienstleistungen geschaffen werden (kohärentes Regelungsgefüge).
2. Inkassodienstleister dürfen zurzeit mehr als Anwälte
Inkassodienstleistern ist bereits nach heutigem Recht erlaubt, ihre Leistungen gegen ein Erfolgshonorar anzubieten. Zugleich ist es ihnen möglich, als Prozessfinanzierer aufzutreten. Dabei verpflichten sie sich, im Fall eines Misserfolgs Gerichtskosten, Verwaltungskosten oder Kosten anderer Beteiligter zu tragen.
Rechtsanwälte dagegen sind in ihrer Berufsausübung nach den Bestimmungen der BRAO und des RVG noch dahin gehend beschränkt, dass sie Erfolgshonorare nur in Ausnahmefällen vereinbaren dürfen. Die Prozessfinanzierung ist ihnen bisher vollständig untersagt. Damit haben die Inkassobüros in bestimmten Bereichen erhebliche Wettbewerbsvorteile gegenüber den Anwälten. Diese will der Gesetzgeber nun beseitigen.
3. Neue Grundlage für Erfolgshonorar in § 49b BRAO-RefE
Im anwaltlichen Berufsrecht soll dazu die Grundregel für die Zulässigkeit von Erfolgshonoraren geändert werden (RefE BORA unter iww.de/s4260; Fachbeitrag in AK 20, 206). Nach § 49b Abs. 2 S. 2 BRAO-E werden zukünftig Vereinbarungen, durch die sich der Rechtsanwalt verpflichtet, Gerichtskosten, Verwaltungskosten oder Kosten anderer Beteiligter zu tragen, zulässig sein, soweit in der Angelegenheit ein Erfolgshonorar nach § 4a Abs. 1 Nr. 1 oder 2 RVG vereinbart wird. Die Neuregelung bedeutet damit konkret:
- Die gebührenrechtliche Ausgestaltung des RVG für die Vereinbarung eines Erfolgshonorars wird erheblich geändert und deutlich erleichtert ‒ allerdings nur für Mandate zur Inkassodienstleistung und für Mandate bis zu einem Gegenstandswert von 2.000 EUR.
- Bei den erleichtert zulässigen Erfolgshonoraren für Inkasso- oder geringwertige Mandate dürfen sich Anwälte gegenüber den Mandanten außerdem verpflichten, Gerichts-, Verwaltungs- oder Beteiligtenkosten zu tragen. Für andere als die in § 49b Abs. 2 S. 2 BRAO-E aufgeführten Aufträge ist die verpflichtende Übernahme von Kosten durch den Anwalt weiterhin verboten.
Der Perspektivwechsel wird bereits in der geänderten Überschrift des § 4 RVG deutlich: Aus „erfolgsunabhängige Vergütung“ wird „Unterschreitung der gesetzlichen Vergütung“. Inhaltlich ist es nach dem RefE in Zukunft erlaubt, dass der Anwalt sowohl in außergerichtlichen wie auch bei bestimmten Gerichtsverfahren mit Inkassoforderungen (gemäß § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO) sogar ganz auf eine Vergütung verzichtet. Damit wird im Gebührenrecht der Weg für eine Vereinbarung „no win, no fee“ für die genannten Mandate weiter geöffnet.
4. Der Kern der Änderung liegt bei § 4a Abs. 1 RVG
Die für Erfolgsvergütungen einschlägige Norm in § 4a Abs. 1 RVG soll für zwei wesentliche Fallgruppen erweitert werden:
- Eine neue Nr. 1 erlaubt Erfolgshonorare unter den reduzierten Bedingungen des neu formulierten § 4a Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 3 RVG, soweit sich die gesetzlichen Gebühren nach dem Gegenstandswert richten und dieser den Betrag von 2.000 EUR nicht überschreitet.
- Die neue Nr. 2 sieht das Gleiche für die Erbringung von Inkassodienstleistungen vor ‒ sei es außergerichtlich oder in den für Inkassodienstleister zulässigen gerichtlichen Verfahren nach § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO.
Im Übrigen bleibt in der neuen Nr. 3 die bisherige Vorgabe für Erfolgshonorare erhalten. Danach sind diese nur zulässig, wenn der Auftraggeber im Einzelfall ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde. Allein für diese Konstellation gilt der in § 4a Abs. 2 RVG formulierte Katalog weiterer Voraussetzungen des heutigen Abs. 1 S. 2 für gerichtliche Verfahren (Reziprozität der Ab- und Zuschläge bei Misserfolg oder Erfolg). Allerdings gilt diese Vorgabe künftig auch für Angelegenheiten des neuen § 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RVG-RefE, also für Fälle mit Gegenstandswerten bis 2.000 EUR.
Konkret bedeutet das für eine Erfolgshonorarvereinbarung bei geringwertigen Gegenstandswerten bis 2.000 EUR: Sieht die Vereinbarung vor, dass für den Fall des Misserfolgs keine Vergütung zu zahlen ist, muss für den Erfolgsfall ein angemessener Zuschlag auf die gesetzliche Vergütung vereinbart werden. Bei einer Erfolgsaussicht von 50 Prozent wäre rechnerisch ein Zuschlag von 100 Prozent angemessen, also das Doppelte der RVG-Vergütung. Der Zuschlag für den Erfolgsfall sollte umso höher ausfallen, je geringer die Erfolgsaussichten sind.
5. § 4a Abs. 3 RVG gibt allgemeine Voraussetzungen vor
Für alle Arten von Angelegenheiten ‒ egal ob sie erleichtert für Erfolgshonorar zugänglich sind oder nicht ‒ gelten die Vorgaben des § 4a Abs. 3 RVG. In die Erfolgsvereinbarung sind also auch bei Inkassomandaten oder geringwertigen Angelegenheiten aufzunehmen
- nach Nr. 1 die Angabe, welche Vergütung bei Eintritt welcher Bedingungen verdient sein soll,
- nach Nr. 2 die Angabe, ob und welchen Einfluss die Vereinbarung auf Gerichtskosten etc. und eine Kostenerstattung haben soll, und
- nach Nr. 3 die Benennung der wesentlichen Gründe, die für die Bemessung des Erfolgshonorars bestimmend sind.
Beachten Sie | Nur für die künftig nicht erleichterten Erfolgshonorar-Angelegenheiten des § 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RVG gilt § 4a Abs. 3 Nr. 4 RVG mit der Maßgabe, dass die voraussichtliche gesetzliche Vergütung und ggf. alternative Vergütungsoptionen in der Vereinbarung anzugeben sind.
PRAXISTIPP | Wenn Sie schon heute oder in der Zukunft Inkassodienstleistungen i. S. v. § 2 Abs. 2 S. 1 Rechtsdienstleistungsgesetz außergerichtlich oder im Mahn- oder Zwangsvollstreckungsverfahren anbieten, sollten Sie Folgendes beachten:
Denn nach Art. 7 des RefE sollen alle Änderungen am ersten Tag des zweiten auf die Gesetzesverkündung folgenden Quartals in Kraft treten. Für eine Anpassung bleiben also nach Verkündung mindestens bzw. nur noch drei Monate Zeit. |
6. Manko: Abgrenzung zum Forderungseinzug bleibt offen
Der Gesetzgeber drückt sich davor, im RefE klar und randscharf zwischen Inkassodienstleistungen und dem klassischem Anwaltsmandat zur Realisierung einer Forderung, auch per Mahnverfahren, abzugrenzen. Dazu äußert sich das BMJV etwas hilflos in der Gesetzesbegründung: „Eine detaillierte gesetzliche Festlegung, wann genau noch eine Forderungseinziehung vorliegt und wann davon nicht mehr ausgegangen werden kann, erscheint in Anbetracht der Vielschichtigkeit der in Betracht kommenden Sachverhalte nicht sinnvoll möglich“ (Begründung, Abschnitt II A 2 c auf S. 18). Die Abgrenzung soll der Rechtsprechung überlassen werden. Es könnte also Jahre dauern, bis dazu Klarheit besteht. Das ist ein echter Schwachpunkt der Reform.
Weiterführende Hinweise
- RefE für ein „Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt“ unter iww.de/s4348
- RefE für ein „Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe“ unter iww.de/s4260; Fachbeitrag in AK 20, 206