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  • · Fachbeitrag · Dokumentenpauschale

    Was Sie für das Scannen abrechnen können

    von Wolf Schulenburg, geprüfter Rechts- und Notarfachwirt, Berlin

    | Nicht erst seit der Ankündigung des beA nimmt die Digitalisierung in den Kanzleien zu. Wo sich früher Akten aus Papier türmten, werden diese heute oft nur noch als elektronische Dateien vorgehalten. Auch im Bereich der Kommunikation mit Mandant, Gegner und Gericht nimmt die elektronische Korrespondenz einen immer stärken Platz ein. Der Gesetzgeber behandelt den damit einhergehenden Arbeits- und Personalaufwand jedoch vergütungsrechtlich nicht immer nachvollziehbar. Hinzu kommt: Durch das 2. KostRModG sind einschneidende Änderungen eingetreten, sodass die bisherige Rechtsprechung oft nicht mehr für die veränderte Rechtslage herangezogen werden kann. Der folgende Beitrag zeigt, wann die mit der Digitalisierung verbundene Arbeit durch die Gebühren nach Vorb. 7 Abs. 1 S. 1 VV abgegolten ist und wann der Anwalt die Dokumentenpauschale erhält. |

    1. Rückblick: Änderungen durch das 2. KostRModG

    Vor Inkrafttreten des 2. KostRModG am 1.8.13 sprach das Gesetz noch von „Ablichtung“. Bis dahin löste daher nach der h. M. bereits das Einscannen die Dokumentenpauschale aus. Dies ist nach der Novelle nicht mehr der Fall. Der Gesetzgeber hat das Wort „Ablichtung“ durch „Kopie“ ersetzt.

     

    Nach der Gesetzesbegründung meint „Kopie“ i. S. d. RVG nun die Reproduktion der Vorlage auf einem körperlichen Gegenstand (z. B. Papier, Karton, Folie). Umkehrschluss: Das Speichern auf USB-Stick, CD-ROM, DVD oder Festplatte stellt keine solche Reproduktion und damit keine „Kopie“ dar (AnwK-RVG/Volpert, 8. Aufl., Nr. 7000 VV Rn. 25; a. A. Meyer, JurBüro 14, 127).

     

    PRAXISHINWEIS | Folge: Das Einscannen eines Dokuments, das bis dahin der „Ablichtung“ gleichgestellt war, ist nun keine Kopie i. S. d. RVG und begründet daher keinen Ersatzanspruch mehr. Die noch auf der alten Gesetzeslage ergangene Rechtsprechung und Literaturmeinungen sind insoweit überholt.

     

    2. Die elektronische Datei als „Auslage“

    Die elektronische Datei wird lediglich bei den Auslagen (Nr. 7000 ff. VV) erwähnt und zwar bei der Dokumentenpauschale Nr. 7000 Nr. 2 VV RVG.

     

    PRAXISHINWEIS | Oft wird übersehen, dass die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Nr. 2 VV RVG nur in begrenzten Ausnahmefällen unter folgenden ‒ kummulativen - Voraussetzungen berechnet werden kann:

     

    • 1. Es muss sich um Kopien oder Ausdrucke i. S. v. Nr. 7000 Nr. 1d VV RVG handeln.
    • 2. Die Datei muss jemandem überlassen oder zum Abruf bereitgestellt werden.
    • 3. Der Mandant muss sein Einverständnis mit der Erstellung erteilt haben.
     

    a) Kopien oder Ausdrucke nach Nr. 7000 Nr. 1d VV RVG

    Da Nr. 7000 Nr. 2 VV RVG nur im Fall der Nr. 1d anzuwenden ist und Nr. 1d ein eigener Auslagentatbestand und kein Auffangtatbestand für die in Nr. 1a bis c genannten Kopien oder Ausdrucke ist, muss ein von Buchst. a bis c abzugrenzender „sonstiger Falla“ vorliegen. Ein solcher liegt demnach nur vor, wenn die Kopien oder Ausdrucke nicht den Buchst. a bis c unterfallen.

     

    • Beispiel

    Rechtsanwalt A fertigt zur Zustellung an den Gegner G weniger als 101 Kopien an. Dieser Aufwand unterfällt zwar grundsätzlich der Nr. 1b. Es fällt aber aufgrund der geringeren Anzahl der Kopien weder eine Dokumentenpauschale nach Nr. 1b noch nach Nr. 1d an. Somit ist auch Nr. 2 ausgeschlossen. Dieser Aufwand wird vielmehr durch die allgemeinen Gebühren mit abgegolten (Vorb. 7 Abs. 1 S. 1 VV).

     

    Verlangt der Auftraggeber dagegen z. B. die zusätzliche elektronische Übersendung von Schriftstücken für sich selbst, zur Unterrichtung des Haftpflicht- oder Rechtsschutzversicherers, seines Arbeitgebers, einer Behörde (z. B. Sozial- oder Jugendamt) des Verkehrsanwalts oder Terminsvertreters oder auch anderweitig vertretener Streitgenossen, liegt ein Fall der Nr. 1d vor.

     

    • Beispiel

    Rechtsanwalt A übersendet dem Auftraggeber X auf dessen Anfordern (vorab oder noch einmal) zusätzlich per E-Mail den Schriftsatz der Gegenseite. Hier liegt ein „sonstiger Fall“ der Nr. 1d vor (OLG Düsseldorf JurBüro 86, 874), sodass A nach Nr. 2 abrechnen kann. Das zusätzliche Exemplar unterfällt nicht der Nr. 1c („zur notwendigen Unterrichtung des Auftraggebers“).

     

    Unerheblich ist dabei der Zweck der Anfertigung oder der Adressat, sodass für die Anwendung von Nr. 1d nicht nur der Auftraggeber oder ein Dritter, sondern auch das Gericht oder der Gegner in Betracht kommen können.

     

    • Beispiel

    Das Gericht fordert Rechtsanwalt A auf, Kopien oder Ausdrucke, die der sich bislang selbst vertretende Mandant M seinem Schreiben nicht beigelegt hat, zu übersenden. Liegt das Einverständnis des Auftraggebers vor (s. u., b), unterfallen diese Kopien der Nr. 1d (AnwK-RVG/Volpert, 8. Aufl., Nr. 7000 VV Rn. 144).

     

    b) Überlassen oder zum Abruf bereitstellen

    Als weitere Voraussetzung muss der Anwalt die elektronische(n) Datei(en) dem Adressaten überlassen oder zum Abruf bereitstellen. Wie er diese überlässt, ist nicht entscheidend. Es kommt also weder darauf an, in welchem Format die Dateien gespeichert sind, noch ob er sie per E-Mail versendet oder sie mittels CD oder USB-Stick dem Empfänger überlässt. Auch die konkreten Umstände beim Bereitstellen der Dateien zum Abruf sind bedeutungslos. Es kann z. B. ein direkter Download-Link versandt werden, unter dem der Empfänger die vom Anwalt zur Verfügung gestellten Daten automatisiert abrufen kann, oder der Adressat mittels Benutzerkennung und Passwort in die Lage versetzt werden, die Dateien vom eigenen Kanzlei-Server oder einer Cloud herunterladen zu können.

     

    c) Einverständnis des Auftraggebers

    Soweit das ausdrückliche Einverständnis des Auftraggebers fehlt, erscheint es auf den ersten Blick fraglich, ob der Anwalt auch ohne ein solches die Dokumentenpauschale berechnen darf. Insoweit ist auch das stillschweigende Einverständnis ausreichend, wenn der Rechtsanwalt die Anfertigung der Kopie oder des Ausdrucks zur sachgerechten Ausführung seines Auftrags für erforderlich halten durfte. Es ist daher der Einzelfall zu betrachten, wobei kein kleinlicher Maßstab anzusetzen ist (OLG Frankfurt JurBüro 82, 744; AnwBl 79, 437). Das nachträgliche Einverständnis des Auftraggebers genügt (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 23. Aufl., Nr. 7000 Rn. 160; AnwK-RVG/Volpert, 8. Aufl., Rn. 150).

     

    MERKE | Bei einem Pflichtverteidiger ist weder die Staatskasse noch der Angeklagte Auftraggeber i. S. d. Nr. 1d. Daher kann er keine Dokumentenpauschale nach Nr. 2 beanspruchen (KG RVGreport 14, 233; OLG Düsseldorf NJW 08, 2058).

     

    3. Höhe der Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Nr. 2 VV RVG

    Die Dokumentenpauschale beträgt 1,50 EUR pro Datei und ist auf insgesamt max. 5 EUR gekappt, soweit die Dateien in einem Arbeitsgang überlassen, bereitgestellt oder auf denselben Datenträger übertragen werden.

     

    MERKE | Werden mehrere Dateien mittels Kompressionsprogramm (z. B. ZIP, RAR) in nur einer „Archiv-“ bzw. „Container-Datei“ versandt oder bereitgestellt, ist auf die Anzahl der in der Kompressionsdatei enthaltenen einzelnen Dateien abzustellen (AnwK-RVG/Volpert, 8. Aufl., Nr. 7000 VV Rn. 165; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 23. Aufl., Nr. 7000 VV Rn. 192; Burhoff/Schmidt/Volpert, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl., Nr. 7000 VV Rn. 161). Wie viele Arbeitsgänge der Anwalt abrechnen darf, richtet sich danach, was ein verständiger Anwalt als zweckdienliche und für den Mandanten kostensparende Arbeitsweise ansehen durfte. Insoweit ist ihm ein gewisser Ermessensspielraum zuzubilligen (Gerold/Schmidt, a. a. O., Rn. 197).

     
    • Beispiel

    Mandant M verlangt, ihm Dateien per E-Mail zuzusenden. Aufgrund der Größe der Dateien und des begrenzten Speicherplatzes des E-Mail-Postfachs ist es nicht möglich, die Schriftstücke in nur einer E-Mail zu übersenden. Rechtsanwalt A übersendet daher fünf E-Mails; die ersten beiden enthalten sieben Dateien, die letzten drei nur jeweils eine. A darf in diesem Fall 2 x 5 EUR sowie 3 x 1,50 EUR, insgesamt somit 14,50 EUR, als Dokumentenpauschale Nr. 2 berechnen.

     

    Wichtig | Da die o. g. Beträge nur auf „denselben Datenträger“ abstellen, können die Beträge entsprechend häufig der Anzahl mehrerer Datenträger anfallen.

    4. Spezialregelung: Anm. Abs. 2 zu Nr. 7000 VV

    Verlangt der Mandant ausdrücklich oder stillschweigend, dass ihm ein Papier-dokument elektronisch überlassen wird, ist die Anm. Abs. 2 zu Nr. 7000 VV zu beachten: Wird zu diesem Zweck das Dokument eingescannt, greifen die Kappungsgrenzen nach Nr. 2 nicht. Vielmehr berechnet sich die Dokumentenpauschale in diesem Fall so, wie sie nach Nr. 1 zu berechnen wäre: für die ersten 50 Seiten also 0,50 EUR (schwarz/weiß) bzw. 1 EUR (farbig) und 0,15 EUR (schwarz/weiß) bzw. 0,30 EUR (farbig) für jede weitere Seite.

     

    PRAXISHINWEIS | Diese spezielle Regelung bedeutet jedoch nicht, dass die Beträge der Nr. 2 unterschritten werden (Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., Nr. 7000 VV Rn. 206). Der Rechtsanwalt kann in einem solchen Fall diese höheren Beträge nach Nr. 2 berechnen, wenn der nach Nr. 1 errechnete Betrag geringer ausfällt.

     

    Wichtig | Anm. Abs. 2 stellt nur auf das „Überlassen“ ab, also gerade nicht für das „Bereitstellen zum Abruf“. Daher wird diese spezielle Regelung nicht in dem Fall angewandt, dass die Datei(en) lediglich zum Abruf (Download-Link, Kanzlei-Server oder Cloud) bereitgestellt werden.

     

    Weiter ist für die Anm. Abs. 2 entscheidend, dass das Einscannen „zum Zweck der Überlassung“ stattfindet. Fehlt es daran, ist Anm. Abs. 2 nicht anzuwenden.

     

    PRAXISHINWEIS | Haben Sie für Ihre elektronische Akte bereits die entsprechenden Schriftstücke oder sogar ganze Verfahrensakten vorher eingescannt, halten Sie sie also bereits vor, können Sie für den Fall, dass Ihr Mandant später die elektronische Übersendung wünscht, nur die Dokumentenpauschale nach Nr. 2 berechnen. Denn es fehlt zum Zeitpunkt des Einscannens die Bedingung, dass das Einscannen „zum Zwecke der Überlassung“ geschah.

     

    5. Kopieren von Datenträgern

    Das Kopieren des Inhalts eines Datenträgers ist vergleichbar mit dem Einscannen eines „analogen“ Schriftstücks: So wie für das Einscannen selbst, fällt auch für das Kopieren des Datenträgers noch keine Dokumentenpauschale Nr. 2 an. Es handelt sich nicht um eine „Kopie“ i. S. d. Nr. 7000 VV (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 23. Aufl., Nr. 7000 VV Rn. 24). Damit der Rechtsanwalt die Dokumentenpauschale berechnen darf, muss der Datenträger in den Fällen der Nr. 1 d) vielmehr jemandem überlassen werden.

    6. Kosten des Datenträgers

    Der Rechtsanwalt hat einen Ersatzanspruch hinsichtlich der Anschaffungs- und Personalkosten für das Kopieren und Überlassen des Datenträgers, da diese Kosten nicht von den allgemeinen Gebühren oder der Dokumentenpauschale abgegolten sind. Er kann diese Kosten daher als gesonderte Aufwendungen nach Vorb. 7 Abs. 1 S. 2 VV erstattet verlangen, auch neben einem etwaigen Anspruch auf die Dokumentenpauschale (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., Vorb. 7 VV Rn. 23; KG RVGreport 14, 233).

    Quelle: Ausgabe 01 / 2018 | Seite 8 | ID 45008261