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  • · Fachbeitrag · Prozesskostenhilfe

    Keine Beschränkung der Beiordnung auf den „Gerichtstagsbezirk“

    von RA Norbert Schneider, Neunkirchen

    Wird ein nicht im Gerichtsbezirk niedergelassener Anwalt zu den Bedingungen eines „im Gerichtsbezirk niedergelassenen“ beigeordnet, erhält er seine Reisekosten bis zur höchstmöglichen Entfernung im Gerichtsbezirk. Soweit das Gericht im Gerichtsbezirk nach regionalen Gesichtspunkten auswärtige Gerichtstage abhält, darf nicht auf die höchstmögliche Entfernung im „Gerichtstagsbezirk“ abgestellt werden (LAG Köln 8.3.13, 3 Ta 8/13, Abruf-Nr. 131327).

     

    Sachverhalt

    Die im Gerichtsbezirk ansässige Klägerin hatte vor dem ArbG Bonn Klage erhoben. Ihr wurde PKH unter Beiordnung ihrer in Remscheid niedergelassenen Anwältin bewilligt. Dies erfolgte allerdings mit der Maßgabe, dass die Anwältin nur zu den Bedingungen eines „im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts“ beigeordnet wird. Die Sache wurde dann vom ArbG Bonn auf seinem auswärtigen Gerichtstag in Euskirchen verhandelt. Nach Abschluss des Verfahrens berechnete die Anwältin ihre Reisekosten von Remscheid nach Euskirchen mit (2 x 81 km). Dann beantragte sie deren Festsetzung in Höhe der höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks des ArbG Bonn (2 x 69 km).

     

    Der Urkundsbeamte lehnte zunächst Reisekosten vollständig ab. Auf die Erinnerung hin half er teilweise ab und setzte die Reisekosten bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtstagsbezirks (2 x 40 km) fest. Die weitergehende Erinnerung wurde vom Richter zurückgewiesen.

     

    Der zugelassenen Beschwerde, hat der Richter am ArbG nicht abgeholfen. Er hat sich insoweit darauf berufen, dass mit Gerichtsbezirk i.S. des § 121 ZPO hier der Gerichtstagsbezirk gemeint ist. Wenn ein ArbG nach regionalen Zuständigkeitsgesichtspunkten auswärtige Gerichtstage abhalte - so der Richter - dann müsse § 121 ZPO dahingehend ausgelegt werden, dass nur auf die höchstmögliche Entfernung innerhalb dieses Gerichtstagsbezirks abzustellen sei (so bereits LAG Rheinland-Pfalz 12.5.04, 4 Ta 89/04).

     

    Das LAG hat die arbeitsgerichtliche Entscheidung abgeändert und die Reisekosten antragsgemäß festgesetzt.

     

    Entscheidungsgründe

    Nach § 121 ZPO ist ein im Gerichtsbezirk niedergelassener Anwalt uneingeschränkt beizuordnen. Eine Einschränkung - z.B. zu den Bedingungen eines am Ort des Prozessgerichts niedergelassenen Anwalts - ist nicht zulässig (OLG Oldenburg RVG prof. 06, 63, Abruf-Nr. 060722).

     

    Ist der Anwalt dagegen - wie hier - nicht im Gerichtsbezirk niedergelassen, kommt eine einschränkende Beiordnung in Betracht. Diese allerdings nicht zu den Bedingungen eines „ortsansässigen Anwalts“, den die ZPO nicht kennt, sondern nur zu den Bedingungen eines „im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts“ (OLG Celle AGS 11, 365). Insoweit war PKH zutreffend bewilligt und die Beiordnung auch zutreffend ausgesprochen worden.

     

    Wird ein auswärtiger Anwalt zu den Bedingungen eines „im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts“ beigeordnet, so ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass diesem Anwalt seine Reisekosten gegenüber der Landeskasse zustehen, soweit sie bei höchstmwöglicher Entfernung eines Anwalts im Gerichtsbezirk entstanden wären (LAG Hessen AGS 10, 299). Der auswärtige Anwalt darf sich also den am weitest entfernten Ort innerhalb des Gerichtsbezirks heraussuchen und bis zu dieser Höhe seine Reisekosten geltend machen; selbstverständlich insgesamt nicht höher als seine tatsächlichen Kosten. Ob an dem am weitest entfernten Ort ein Anwalt niedergelassen ist oder nicht, ist dabei unerheblich. Liegt seine auswärtige Kanzlei näher als der am weitesten entfernten Ort innerhalb des Gerichtsbezirks, kann das 
sogar dazu führen, dass dem Anwalt seine gesamten Reisekosten zu erstatten sind.

     

    Die Auffassung des ArbG - es sei hinsichtlich der zu erstattenden Entfernung auf den Gerichtstagsbezirk abzustellen - hat das LAG zu Recht abgelehnt. Dazu hat es zunächst einmal auf den eindeutigen Wortlaut des Beiordnungsbeschlusses hingewiesen, der nach § 45 Abs. 1 RVG für die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung maßgebend ist. Dieser enthält nämlich keine entsprechende Einschränkung, sodass die Frage einer möglichen Beschränkung auf den Gerichtstagsbezirk gar nicht gestellt werden durfte. Nach dem Beiordnungsbeschluss war der Anwalt zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beigeordnet. Folglich muss die Landeskasse auch nach diesen Bedingungen zahlen.

     

    Praxishinweis

    Obwohl es darauf letztlich nach seiner Begründung gar nicht mehr ankam, hat das LAG in seiner Entscheidung dann noch darauf hingewiesen, dass auch eine Beschränkung zu den Bedingungen eines „im Gerichtstagsbezirk niedergelassenen Anwalts“ nicht zulässig gewesen wäre. Die insoweit vom ArbG herangezogene Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz (12.5.04, 4 Ta 89/04), die eine solche entsprechende Einschränkung für zulässig erachtet, lehnt das Gericht ab, weil sie im Gesetz keine Stütze findet. § 121 ZPO stellt ausdrücklich nur auf den Gerichtsbezirk ab und nicht auf den Gerichtstagsbezirk.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Zu den Reisekosten des Anwalts am dritten Ort, BGH RVG prof. 12, 20, Abruf-Nr. 113424 
    • Zur Frage des Vorliegens einer Geschäftsreise bei Wohn- und Kanzleisitz an verschiedenen Orten, OLG Düsseldorf RVG prof. 12, 164, Abruf-Nr. 121509
    Quelle: Ausgabe 05 / 2013 | Seite 75 | ID 39147690