20.02.2024 · IWW-Abrufnummer 239844
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Beschluss vom 23.01.2024 – 26 Ta (Kost) 6073/23
Tenor:
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. August 2023 - 55 Ca 2277/23 - abgeändert und der Gegenstandswert für das Verfahren auf 36.487,66 Euro sowie für den Vergleich - unter Berücksichtigung eines Vergleichsmehrwerts in Höhe 26.483,37 Euro - auf 62.971,03 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der Kläger wendet sich im eigenen Namen gegen die Berechnung des Gegenstandswerts durch das Arbeitsgericht.
2
Das Arbeitsgericht hat zur Berechnung der maßgeblichen durchschnittlichen Bruttovergütung des Klägers, der stark schwankende Vergütung vor dem Hintergrund unterschiedlicher Provisionsleistungen erhalten hat, dessen Einkommen in den Monaten November 2022 bis Januar 2023 zugrunde gelegt und dabei urlaubsrechtliche Gesichtspunkte berücksichtigt. Die Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 30. April 2023 gekündigt. Der Kläger hat hiergegen Kündigungsschutzklage erhoben und die Erteilung eines Zeugnisses geltend gemacht sowie die Erstellung eines Nachweises nach dem Nachweisgesetz.
3
Das Arbeitsgericht hat den Beschluss, mit dem es den Gegenstandswert festgesetzt hat, den Prozessbevollmächtigten der Parteien, nicht aber dem Kläger zugestellt.
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Der Kläger hat gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 21. August 2023 mit einem am 18. September 2023 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Den Klägervertretern war die Beschwerde bereits am 29. August 2023 zugestellt worden.
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Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Es hat das damit begründet, dass die Beschwerde bereits unzulässig sei, da der Kläger die Beschwerdefrist nicht gewahrt habe. Außerdem sei die Beschwerde auch unbegründet. Denn bei der Berechnung des Durchschnittseinkommens seien die Grundsätze anzuwenden, wie sie im Urlaubsrecht für das Urlaubsentgelt und im Übrigen auch für die Entgeltfortzahlung maßgeblich seien.
II.
6
1) Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft und auch fristgerecht eingelegt worden.
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a) Die sofortige Beschwerde gegen einen Wertfestsetzungsbeschluss gemäß § 33 Abs. 1 RVG kann von den Antragsberechtigten gemäß § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG nur innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt werden; eine verspätet eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Zu beachten ist dabei, dass der Wertfestsetzungsbeschluss nach § 33 Abs. 1 RVG nicht nur dem die Wertfestsetzung beantragenden Rechtsanwalt, sondern auch der Partei persönlich zuzustellen ist. Denn in einem Wertfestsetzungsverfahren nach § 33 RVG ist der antragstellende Rechtsanwalt, auch wenn er für das streitige Verfahren als Prozessbevollmächtigter der Partei bestellt war, nicht zur Wahrnehmung der Interessen seines Auftraggebers berufen. Er ist an dem Wertfestsetzungsverfahren vielmehr in eigenem Interesse beteiligt, da von der Wertfestsetzung die Höhe der anwaltlichen Gebühren abhängt. § 172 Abs. 1 ZPO findet folglich keine Anwendung. Legt die Partei selbst sofortige Beschwerde gegen den Wertfestsetzungsbeschluss ein, bestimmt sich der Lauf der Beschwerdefrist daher nach dem Zeitpunkt der Zustellung bei ihr; die Zustellung des Beschlusses an den antragstellenden Rechtsanwalt ist ohne Bedeutung (vgl. LAG Berlin-Brandenburg vom 08. März 2017 -17 Ta (Kost) 6006/17; LAG Bremen 1. November 2017 - 2 Ta 34/17 , Rn. 14).
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b) Der mit der sofortigen Beschwerde angegriffene Wertfestsetzungsbeschluss vom 21. August 2023 ist ausschließlich den Prozessbevollmächtigten der Parteien und nicht dem Kläger persönlich zugestellt worden. Damit begann die Beschwerdefrist nach § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG nicht zu laufen, weswegen die am 29. August 2023 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangene Streitwertbeschwerde nicht verspätet ist.
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2) Die Beschwerde ist auch begründet.
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a) Bei der Berechnung der Vergütung für ein Vierteljahr bzw. der Monatsvergütung ist das arbeitsleistungsbezogene Arbeitsentgelt des auf den Beendigungstermin folgenden Vierteljahreszeitraums zugrunde zu legen. Jahres- oder sonstige Leistungen werden unabhängig vom Auszahlungszeitpunkt berücksichtigt, wenn sie auch Entgeltcharakter haben. Das Monatsentgelt errechnet sich mit einem Drittel des Vierteljahresentgeltes. Insoweit teilt die Kammer den Ansatz der Streitwertkommission im Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit, dort unter ** abgedruckt.
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b) Bei variabler Vergütung ist bei der Bestimmung der auf das Beendigungsdatum folgenden Vergütung ein angemessener Referenzzeitraum festzulegen. Ein Zeitraum von nur dreizehn Wochen bildet die potentiellen Vergütungserwartungen vor dem Hintergrund der stark schwankenden Provisionszahlungen hier nicht ausreichend ab. Die Kammer hat daher den Jahresdurchschnitt im Jahr 2022 zugrunde gelegt, nachdem der Kläger nach mehreren Aufforderungen bereit war, jedenfalls die Vergütung für das Jahr 2022 mitzuteilen. Die durchschnittliche Vergütung berechnet sich wie folgt:
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Januar 20228105,84Februar 20225173,84März 202216020,08April 20227525,85Mai 20227103,21Juni 20226960,01Juli 20227828,01August 20229100,01September 202212743,70Oktober 20225303,69November 20226135,10Dezember 202214793,82106793,16:12 =8899,4313
Daraus ergibt sich ein Vierteljahreseinkommen in Höhe von 26.698,29 Euro. Dieser Betrag war bei der Bemessung des Gegenstandswerts zugrunde zu legen.
14
Für den Antrag zu 3) ergibt sich ein Betrag in Höhe von 8.899,43 Euro und für den Antrag zu 4) ein solcher in Höbe von 889,94 Euro. Insgesamt errechnet sich für das Verfahren ein Gegenstandswert in Höhe von 36.487,66 Euro und für den Vergleich - unter Berücksichtigung eines mit der Beschwerde nicht angegriffenen Vergleichsmehrwerts in Höhe 26.483,37 Euro - ein Betrag in Höhe von 62.971,03 Euro.
III.
15
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 33 Abs. 9 RVG . Eine Gebühr ist angesichts des Erfolgs der Beschwerde nicht angefallen.
IV.
16
Die Entscheidung ist unanfechtbar.