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  • · Fachbeitrag · Immobiliarvollstreckung

    Das gilt für den Gebührenstreitwert einer Räumungsvollstreckung nach Zwangsversteigerung

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | Oft ist unklar, wie sich der Streitwert als Grundlage der Rechtsanwaltsvergütung berechnet, wenn der Anwalt im Auftrag des Erstehers die im Objekt befindlichen Personen zur Räumung und Herausgabe an den Mandanten auffordert. Dazu folgende Beispiele: |

    1. Grundsatz der Wertermittlung vor/in der Vollstreckung

    Der Gegenstandswert in der Vollstreckung richtet sich für die Anwaltsvergütung nach dem Wert der herauszugebenden oder zu leistenden Sachen (§ 25 Abs. 1 Nr. 2 RVG). Er darf jedoch nicht den Wert übersteigen, mit dem der Herausgabe- oder Räumungsanspruch nach den für die Berechnung von Gerichtskosten maßgeblichen Vorschriften zu bewerten ist (inhaltlicher Verweis auf § 41 Abs. 2 GKG). Dabei sind ‒ auch gebührenrechtlich ‒ drei Fälle des Räumungsverlangens auseinanderzuhalten (Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., GKG, § 41 Rn. 38 bis 41). Das Räumungsverlangen wird

     

    • allein auf die Beendigung eines Nutzungsverhältnisses (Ausgangsfall),
    • daneben auf einen anderen Rechtsgrund (Abwandlung 1) oder
    • ausschließlich auf einen anderen Rechtsgrund (Abwandlung 2) gestützt.

     

    • Ausgangsfall: Räumungsverlangen nach Mietrecht

    Ersteher E erhält im Juli 2021 den Zuschlag in der Zwangsversteigerung zu einem Betrag von 300.000 EUR. Der Verkehrswert des Objekts wird durch Beschluss gemäß § 74a ZVG auf 250.000 EUR festgesetzt.

     

    Anwalt R vertritt E und kündigt dem im Objekt wohnenden Mieter M das Mietverhältnis mit einer Frist von drei Monaten nach § 57a ZVG, § 573d BGB wegen Eigenbedarf. Die monatliche Miete bzw. Nutzungsentschädigung beträgt 1.000 EUR.

     

    M wendet ein, dass die Kündigung ausgeschlossen ist, da sie nicht für den ersten Termin erfolgt ist, für den sie zulässig ist (vgl. § 57a S. 2 ZVG). Weil M nicht fristgerecht auszieht, fordert R ihn nochmals unter Klageandrohung zur freiwilligen Räumung und Herausgabe auf.

     

    Welcher Gegenstandswert ist für das Räumungsverlangen anzusetzen, das nur auf die Beendigung des Mietverhältnisses gestützt wird?

     

    Lösung

    Hier ist der Jahresbetrag des vereinbarten Entgelts (§ 41 Abs. 2 S. 1 GKG) bzw. der Wert der Nutzung eines Jahres (§ 41 Abs. 2 S. 2 GKG) maßgeblich. Das sind also 12.000 EUR.

     

    2. Diese Gebühren gibt es je nach Verfahrensstadium

    Obwohl der Zuschlagsbeschluss nach § 93 ZVG ein Räumungstitel ist, „soll“ die Räumung nicht betrieben werden, wenn der Besitzer (im Ausgangsfall also der Mieter) aufgrund eines Rechts besitzt, das durch den Zuschlag nicht erloschen ist (hier: Mietrecht; vgl. § 93 Abs. 1 S. 2 ZVG i. V. m. § 57a ZVG). Im Klartext heißt dies: Das Vollstreckungsgericht darf bei bekannten Umständen (z. B. Anhängigkeit eines Rechtsstreits über das Bestehen eines Mietverhältnisses) die Vollstreckungsklausel nicht erteilen, sonst macht es sich schadenersatzpflichtig (Stöber/Becker, ZVG, 22. Aufl., § 93 Rn. 17). Wird dennoch vollstreckt, ist die Vollstreckung nach § 771 ZPO durch eine Drittwiderspruchsklage (hier des Mieters) angreifbar. Daher ist gebührenrechtlich wie folgt zu unterscheiden:

     

    a) Anwalt hat keine vollstreckbare Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses

    Ist der Rechtsanwalt nicht im Besitz der vollstreckbaren Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses, befindet er sich gebührenrechtlich noch nicht in der Vollstreckung, sondern im außergerichtlichen Verfahren zur Räumung und Herausgabe. Er muss daher auf Räumung und Herausgabe klagen.

     

    • Anwaltsgebühren im außergerichtlichen Verfahren

    R kündigt M wie im Ausgangsfall sowie wegen Herausgabe des Eigentums nach § 985 BGB. M wendet ein, dass die Kündigung ausgeschlossen ist, da sie nicht für den ersten Termin erfolgt ist. Was kann R abrechnen?

     

    Lösung

    R wird für E noch im außergerichtlichen Verfahren zur Räumung und Herausgabe tätig. Denn wegen § 93 Abs. 1 S. 2 ZVG „soll“ er keine Räumungsvollstreckung betreiben. Er kann wie folgt abrechnen:

    1,5-Geschäftsgebühr (Mittelgebühr) gemäß Nr. 2300 VV RVG, § 23 Abs. 1 S. 3, 2 RVG, § 41 Abs. 2 S. GKG aus 12.000 EUR

    999,00 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    193,61 EUR

    1.212,61 EUR

     

    b) Anwalt hat eine vollstreckbare Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses

    Ist der Anwalt im Besitz der vollstreckbaren Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses, ist er gebührenrechtlich in der Vollstreckung. Er könnte einen Gerichtsvollzieher mit der Räumung beauftragen.

     

    • Anwaltsgebühren in der Vollstreckung

    R ist im Besitz der vollstreckbaren Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses und befindet sich gebührenrechtlich in der Vollstreckung. Was kann R abrechnen?

     

    Lösung

    0,3-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3309 VV RVG, § 23 Abs. 1 S. 3, 2 RVG, § 41 Abs. 2 S. GKG aus 12.000 EUR

     

     

    199,80 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    41,76 EUR

    261,56 EUR

     

    c) Gebühren bei einer Drittwiderspruchsklage

    Im Fall einer Drittwiderspruchsklage durch den Mieter entstehen zusätzlich die Gebühren nach Nrn. 3100 ff. VV RVG.

    3. Räumungsverlangen auch aus anderem Rechtsgrund

    Wird das Räumungsverlangen nicht nur auf die Beendigung eines Nutzungsverhältnisses, sondern auch noch auf einen anderen Rechtsgrund gestützt, ist der Wert der Nutzung eines Jahres maßgebend (§ 25 Abs. 1 Nr. 2 RVG i. V. m. § 41 Abs. 2 S. 2 GKG).

     

    • Abwandlung 1: Herausgabe des Eigentums vom Mieter

    R kündigt M wie im Ausgangsfall sowie wegen Herausgabe des Eigentums nach § 985 BGB. M wendet wiederum ein, dass die Kündigung ausgeschlossen ist, da sie nicht für den ersten Termin erfolgt ist. Was kann R abrechnen?

     

    Lösung

    R kann wie im Ausgangsfall abrechnen. Auch hier soll R wegen § 93 Abs. 1 S. 2 ZVG die Räumungsvollstreckung nicht betreiben, sodass im Zweifel Räumungsklage zu erheben ist.

     

    4. Räumungsverlangen nur aus anderem Rechtsgrund

    Wird das Räumungsverlangen nicht auf die Beendigung eines Nutzungsverhältnisses, sondern ausschließlich auf einen anderen Rechtsgrund gestützt, ist als Gebührenwert der Verkehrswert der Immobilie anzusetzen.

     

    • Abwandlung 2: Herausgabe von dem ehemaligen Eigentümer

    R verlangt von dem Schuldner S als ehemaligem Eigentümer Räumung und Herausgabe nach § 90 Abs. 1 ZVG, § 985 BGB, sonst werde er den Gerichtsvollzieher X damit beauftragen. Was kann R abrechnen?

     

    Lösung

    Da R nur die Herausgabe nach § 90 ZVG, § 985 BGB verlangt, ist für den Gegenstandswert der Verkehrswert von 250.000 EUR gemäß 48 GKG i. V. m. § 6 ZPO maßgebend (vgl. LG Augsburg DGVZ 05, 95). Da der Zuschlagsbeschluss hierbei ebenfalls einen Räumungstitel darstellt (vgl. § 93 ZVG), fällt die Räumungsandrohung in den Bereich der Zwangsvollstreckung. R kann deshalb wie folgt abrechnen:

    0,3-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3309 VV RVG aus 250.000 EUR nach § 25 Abs. 1 Nr. 2 HS. 1 RVG, § 48 GKG i. V. m. § 6 ZPO

     

    744,90 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    145,33 EUR

    910,23 EUR

     
    Quelle: Ausgabe 03 / 2022 | Seite 52 | ID 47892218