· Fachbeitrag · Verkehrsunfallrecht
Außergerichtlich regulierter Schaden: Gegenstandswert nicht zu niedrig ansetzen
von RA Norbert Schneider, Neunkirchen
Der Gegenstandswert einer außergerichtlichen Schadensregulierung bemisst sich nach dem vollen Wert der Wiederbeschaffungskosten ohne Restwert-Abzug (AG Norderstedt 15.9.15, 47 C 118/15, Abruf-Nr. 145694 ). |
Sachverhalt
Nach einem Verkehrsunfall beauftragte die Klägerin K den Anwalt A damit, ihren Schaden zu regulieren. A regulierte und forderte seine Kosten als Schadenersatz von dem gegnerischen Haftpflichtversicherer. Als Gegenstandswert setzte er den vollen Wiederbeschaffungswert an, den ein Sachverständiger geschätzt hatte. Den ebenfalls sachverständlich festgesetzten Restwert zog er nicht ab. Der Versicherer subtrahierte den Restwert allerdings von dem Gegenstandswert und bezahlte die Kosten nur nach diesem geringeren Wert. Die Klage des A war erfolgreich.
Entscheidungsgründe
Der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch des Geschädigten gegenüber dem Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer richtet sich nach dem sogenannten Erledigungswert (BGH 7.11.07, VIII ZR 341/06, Abruf-Nr. 080311). Dieser ergibt sich aus der Summe aller berechtigten Schadenersatzforderungen. Für die außergerichtliche Tätigkeit ist der volle Wiederbeschaffungswert anzusetzen, ohne den Restwert abzuziehen. Der Wiederbeschaffungswert spiegelt nämlich die Schadenshöhe für den Geschädigten im Unfallzeitpunkt wider. Wenn das Fahrzeug beim Geschädigten verbleibt oder von ihm verwertet wird, kann der Versicherer zwar später den Restwert abziehen und muss nur einen geringeren Betrag zahlen. Dies ist jedoch zunächst unerheblich. Abgesehen davon überprüft der Anwalt auch regelmäßig die Höhe des angesetzten Restwerts im Fall eines Totalschadens und berät den Geschädigten, wie der Restwert verwertet werden kann.
Praxishinweis
Tritt infolge des Unfalls ein wirtschaftlicher Totalschaden ein, besteht der Schaden des Mandanten in der Höhe des Betrags, den er aufwenden muss, um sich ein vergleichbares Fahrzeug anzuschaffen. Der Restwert des Fahrzeugs ist zunächst unerheblich und ändert nichts an diesem Schaden. Erst wenn ein entsprechender Erlös erzielt wird, kompensiert er im Nachhinein den Schaden. Dies kann aber nicht dazu führen, dass sich der Erledigungswert reduziert. Abgesehen hiervon soll der Anwalt in der Regel auch den Restwert realisieren. Auch zu dieser adäquaten Schadensfolge darf sich ein Geschädigter anwaltlicher Hilfe bedienen. Der Anwalt muss prüfen, ob das Restwertangebot werthaltig ist. Zudem muss er den Mandanten beraten, wie er sein Fahrzeug verwertet. Ebenso wie das AG Norderstedt haben inzwischen auch andere Gerichte entschieden (z.B. AG Ahlen AGS 14, 543; AG Wesel RVGprof. 11, 154; LG Aachen AnwBl 15, 720).
Quelle: Leseprobe aus Anwalt und Kanzlei, Ausgabe 11 / 2015 | Seite 182