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  • · Fachbeitrag · Vergütungsvereinbarung

    Mindestvergütung und Zeittaktklausel in der Vergütungsvereinbarung

    | In der Rechtsprechung der Obergerichte war bislang die Frage der Zulässigkeit der Vereinbarung einer Mindestvergütung und einer Zeittaktklausel in einer Vergütungsvereinbarung umstritten. Hierzu hat jetzt der BGH Klartext gesprochen. |

     

    Sachverhalt

    Der Kläger hatte den beklagten Anwalt beauftragt, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber wahrzunehmen, der ihm den Abschluss eines Aufhebungsvertrags angeboten hatte. Der Kläger hatte bei Mandatserteilung eine vorformulierte Vergütungsvereinbarung unterzeichnet, in der es u. a. hieß:

     

    • § 1 Vergütung

    Die Vergütung berechnet sich nach dem Zeitaufwand der Kanzlei. Für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts wird ein Vergütungssatz von 290 EUR pro Stunde zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer in Höhe von derzeit 19 Prozent berechnet. Für Tätigkeiten des Sekretariats wird ein Stundensatz in Höhe von 60 EUR vereinbart. Die Kanzlei ist berechtigt, die Tätigkeiten des Sekretariats pauschal mit 15 Minuten pro Stunde anwaltlicher Tätigkeit abzurechnen. Erforderliche Reise-, Wege- und Wartezeiten gelten als Arbeitszeit. Die Abrechnung des Zeitaufwands erfolgt im 15-Minuten-Takt (0,25 Stunden). Für angefangene 15 Minuten wird jeweils ein Viertel des Stundensatzes berechnet. Der Mandant erhält eine Abrechnung über den angefallenen Zeitaufwand. Der Mandant schuldet in allen Fällen ‒ Beratung, außergerichtliche und gerichtliche Vertretung ‒ mindestens das Dreifache der gesetzlichen Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Eine Abfindung wird abweichend von der gesetzlichen Regelung dem Gegenstandswert hinzugerechnet.

     

    Der Anwalt erreichte in den Verhandlungen mit dem Arbeitgeber des Klägers den Abschluss eines Abwicklungsvertrags, nach dem das Arbeitsverhältnis beendet wurde und der Kläger eine Abfindung von 10.000 EUR brutto erhielt. Der Arbeitgeber überwies insgesamt 9.875,99 EUR an den Beklagten. Unter Hinweis auf die Vergütungsvereinbarung stellte der Rechtsanwalt dem Kläger Gebühren in Höhe der dreifachen gesetzlichen Gebühren in Höhe von insgesamt 11.276,44 EUR in Rechnung. Der Rechnung liegt ein Gegenstandswert von 23.931,53 EUR zugrunde. Sie weist den dreifachen Satz einer 2,5-Geschäftsgebühr nach diesem Wert, den dreifachen Satz einer 1,5-Einigungsgebühr, die Auslagenpauschale und die Umsatzsteuer aus. Der Beklagte verrechnete das vereinnahmte Fremdgeld und forderte den Mandanten zur Zahlung des seiner Ansicht nach noch offenen Betrags von 1.400,45 EUR auf.

     

    Der Mandant erhob Klage auf Zahlung von 9.875,99 EUR. Der beklagte Rechtsanwalt hat Widerklage auf Zahlung von 1.400,45 EUR erhoben. Er hat hilfsweise Zeithonorar in Höhe von zunächst 4.742,15 EUR, dann 5.173,53 EUR abgerechnet. Unter Anwendung der Zeitklausel hat er einen Aufwand von 25 Stunden und 15 Minuten behauptet und zusätzlich eine hierauf bezogene Sekretariatspauschale berechnet. Das LG hat den Beklagten unter Abweisung der Widerklage verurteilt, 8.495,59 EUR nebst Zinsen zu zahlen und vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen zu erstatten. Das OLG München hat den Beklagten zur Zahlung von 8.334,54 EUR verurteilt. Dagegen hatte die Revision des Beklagten beim BGH keinen Erfolg. Der BGH trifft in seiner umfangreich begründeten Entscheidung drei Kernaussagen (13.2.20, IX ZR 140/19, Abruf-Nr. 215025):

     

    • Drei Kernaussagen des BGH
    • 1. Eine formularmäßige Vergütungsvereinbarung, die eine Mindestvergütung des Rechtsanwalts in Höhe des Dreifachen der gesetzlichen Vergütung vorsieht, ist jedenfalls im Rechtsverkehr mit Verbrauchern wegen unangemessener Benachteiligung des Mandanten unwirksam, wenn das Mandat die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Mandanten betrifft und die Vergütungsvereinbarung zusätzlich eine Erhöhung des Gegenstandswertes um die Abfindung vorsieht.

     

    • 2. Die formularmäßige Vereinbarung eines Zeithonorars, die den Rechtsanwalt berechtigt, für angefangene 15 Minuten jeweils ein Viertel des Stundensatzes zu berechnen, benachteiligt den Mandanten jedenfalls im Rechtsverkehr mit Verbrauchern entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.

     

    • 3. Sieht eine Vergütungsvereinbarung ein Zeithonorar für Sekretariatstätigkeiten vor und eröffnet sie dem Rechtsanwalt die an keine Voraussetzungen gebundene Möglichkeit, statt des tatsächlichen Aufwandes pauschal 15 Minuten pro Stunde abgerechneter Anwaltstätigkeit abzurechnen, gilt insoweit die gesetzliche Vergütung als vereinbart.
     

    Relevanz für die Praxis

    Bereits in der Vergangenheit sind Mindesthonorare in Höhe des Zweifachen der gesetzlichen Gebühren als angemessen angesehen worden (OLG München AGS 16, 558; RVG prof. 17, 26). Gegen Vereinbarungen des Dreifachen der gesetzli-chen Vergütung sind hingegen Bedenken angemeldet worden (OLG München RVGreport 19, 374; vgl. dazu den Hinweis in BRAK.-Mitt. 17, 118 auf § 4 Abs. 3 S. 2 RVG). Der BGH sieht eine solche Vereinbarung in Verbindung mit der Klausel über die Erhöhung des Gegenstandswertes als eine unangemessene Benachteiligung und bei Verbrauchern als unwirksam an.

     

    PRAXISTIPP | Zwar bezieht sich die Entscheidung des BGH nur auf „Verbraucher“. Es empfiehlt sich aber, auch bei Unternehmern allenfalls Mindesthonorare in Höhe des Zweifachen der gesetzlichen Gebühren zu vereinbaren.

     

    Ob die formularmäßige Vereinbarung eines 15-Minuten-Takts einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhält, hatte der BGH bisher offengelassen (BGH AnwBl. 09, 554; NJW 11, 63). In der Rechtsprechung der OLG und in der Literatur waren die Ansichten hingegen geteilt.

     

    MERKE | Der BGH ist nun der Auffassung, dass eine formularmäßig vereinbarte 15-Minuten-Zeittaktklausel gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB ‒ jedenfalls im Rechtsverkehr mit Verbrauchern ‒ unwirksam ist. Zwar gebe es durchaus gute Gründe für eine Abrechnung nach Zeittakten. Dem stehen jedoch die berechtigten Interessen des Mandanten gegenüber, nur die Arbeitszeit zu bezahlen, die der Rechtsanwalt tatsächlich auf seine, des Mandanten, Angelegenheit verwandt hat. Offengelassen hat der BGH jedoch letztlich die Frage, welcher Zeittakt angesichts dessen noch vertretbar wäre (vgl. dazu OLG München AGS 19, 378, wonach ein Zeittakt von 15 Minuten unwirksam ist, sechs Minuten ggf. wirksam sein können).

     

    Die Unwirksamkeit der Fünfzehn-Minuten-Zeittaktklausel hat jedoch die Wirksamkeit der Vereinbarung des Zeithonorars nicht erfasst (§ 306 Abs. 1 BGB), weil das vereinbarte Zeithonorar und die Zeittaktklausel nicht untrennbar zusammenhingen.

     

    MERKE | Insoweit ist der BGH davon ausgegangen, dass der Anwalt nur einen Aufwand von insgesamt 268 Minuten vergütet verlangen kann. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die berechnete Vergütung entstanden ist, sieht der BGH somit ‒ zutreffend ‒ beim Anwalt. Er muss über pauschale Angaben hinaus die während des abgerechneten Zeitraums getroffenen Maßnahmen konkret und in nachprüfbarer Weise darlegen. Eine solche nähere Substanziierung ist erforderlich, weil die für die Bearbeitung des Mandats aufgewandte Arbeitszeit kaum kontrolliert werden kann. Zudem ist zu prüfen, ob die nachgewiesenen Stunden in einem angemessenen Verhältnis zu Umfang und Schwierigkeiten der Sache stehen.

     

    Nicht geprüft hat der BGH, ob der beklagte Rechtsanwalt verpflichtet gewesen wäre, den Mandanten vor Abschluss des Beratungsvertrags auf die Höhe der nach der vorgeschlagenen Vergütungsvereinbarung voraussichtlich entstehenden Gebührenansprüche hinzuweisen.

     

    PRAXISTIPP | Aus besonderen Umständen des Einzelfalls kann sich nach Treu und Glauben eine solche Pflicht ergeben ‒ auch ohne (Nach-)Frage des Auftraggebers. Das ist z. B. der Fall, wenn die Höhe der vom Auftraggeber zu zahlenden Gebühren das von ihm verfolgte Ziel wirtschaftlich sinnlos macht (BGH NJW 07, 2332). Hier war der Senat der Ansicht, dass im Fall der vorliegenden Vergütungsvereinbarung, eine Hinweispflicht des Rechtsanwalts naheliegt.

     

    Das OLG war davon ausgegangen, dass das für den Kläger unbefriedigende wirtschaftliche Ergebnis der Beauftragung des Anwalts bei Vertragsschluss nicht absehbar gewesen sei. Das erscheint dem BGH allerdings zweifelhaft. Die Ausführungen des BGH insoweit waren zwar nicht tragend. Sie führen jedoch zu dem Fazit: Sollten Sie solche Vergütungsvereinbarungen abschließen wollen, belehren Sie Ihren Mandanten zumindest darüber, dass das Verfahren wirtschaftlich für ihn ggf. wie das „Hornberger Schießen“ ausgehen könnte, also dass das durch denn Prozess Erlangte für die anwaltlichen Vergütungsansprüche „draufgeht“.

     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2020 | Seite 100 | ID 46493931