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  • · Fachbeitrag · Satzung

    Neue Entwicklungen zur Feststellung der formellen Satzungsmäßigkeit kennen und handeln

    von Rechtsanwalt Michael Röcken, Bonn, www.ra-roecken.de

    | Nicht nur die Rechtsprechung hat sich in der jüngsten Zeit mit den Anforderungen des § 60a AO befasst, auch der Gesetzgeber ist aktiv geworden. Er hat mit einer Ergänzung im Jahressteuergesetz 2020 unterschiedliche Auffassungen zwischen Rechtsprechung und Finanzverwaltung zur Frage der Berücksichtigung der tatsächlichen Geschäftsführung geklärt. Aktuell hat das FG Niedersachsen ein weiteres Kapitel beigetragen, indem es die satzungsmäßigen Anforderungen an eine ausländische Stiftung konkretisiert hat. SB fasst die drei Dinge für Sie zusammen. |

    Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen

    Das Ehrenamtsstärkungsgesetz hatte (im Jahr 2013) ein neues Verfahren zur gesonderten Feststellung der satzungsgemäßen Voraussetzungen geschaffen, das die „vorläufige Bescheinigung der Gemeinnützigkeit“ abgelöst hatte.

     

    Streit um Berücksichtigung der tatsächlichen Geschäftsführung

    Nach dem bis zum 28.12.2020 geltenden Gesetzeswortlaut musste die Finanzverwaltung in diesem Verfahren nur den Satzungsinhalt, nicht jedoch die tatsächliche Geschäftsführung (§ 63 AO) prüfen. Begründet wurde diese Auffassung mit dem zweistufigen Besteuerungsverfahren (FG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.04.2020, Az. 3 V 185/20, Abruf-Nr. 217878; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 05.03.2018, Az. 10 K 3622/16, Abruf-Nr. 222786; FG Niedersachsen, Urteil vom 21.06.2018, Az. 10 K 254/16, Abruf-Nr. 222787).

     

    Dem stand die Sicht der Finanzverwaltung entgegen, die in AEAO (Nr. 2 S. 4 zu § 60a AO) festgeschrieben war: Danach war die Feststellung nach § 60a Abs. 1 AO abzulehnen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung über die gesonderte Feststellung Erkenntnisse vorlagen, dass die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft den Anforderungen des § 51 AO nicht entsprach.

     

    Künftig kein Bescheid mehr bei nicht gemeinnütziger Geschäftsführung

    Der AEAO ist als norminterpretierende Verwaltungsvorschrift keine Rechtsnorm, sondern lediglich Ausdruck der Meinung einer Verwaltungsbehörde. Daher bindet dieser nach ständiger Rechtsprechung des BFH die Finanzgerichte nicht (BFH, Urteil vom 12.03.2020, Az. V R 5/17, Abruf-Nr. 217488). Der Gesetzgeber sah hier Handlungsbedarf und erweiterte im Jahressteuergesetz 2020 den § 60a AO um einen neuen Absatz 6, der seit 29.12.2020 gilt.

     

    Ziel dieser Ergänzung war es nach dem Willen des Gesetzgebers, die rechtsmissbräuchliche Verwendung des Feststellungsbescheids nach § 60a AO auszuschließen, was „auch das Vertrauen des Spenders auf die korrekte Verwendung der von ihm zugewendeten Spende“ erhöhen sollte (BT-Drs. 19/25160, 204).

     

     

    • Der neue § 60a Abs. 6 AO

    Liegen bis zum Zeitpunkt des Erlasses des erstmaligen Körperschaftsteuerbescheids oder Freistellungsbescheids bereits Erkenntnisse vor, dass die tatsächliche Geschäftsführung gegen die satzungsmäßigen Voraussetzungen verstößt, ist die Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach Abs. 1 S. 1 abzulehnen. S. 1 gilt entsprechend für die Aufhebung bestehender Feststellungen nach § 60a.

     

    Wichtig | Damit kann die Finanzverwaltung nun auch die tatsächliche Geschäftsführung der Stiftung prüfen, bevor erstmalig der Feststellungsbescheid nach § 60a AO ergeht. Die Praxis lehrt, dass die Sachbearbeiter hier verstärkt den Internetauftritt prüfen. Auch sonstige Veröffentlichungen der Stiftung, z. B. Informationsbroschüren, werden einbezogen.

    Vorgaben durch die „Mustersatzung“ und Satzungsinhalte

    Erfahrungsgemäß wird der Feststellungsbescheid erteilt, wenn die „Mustersatzung“ (Anlage 1 zu § 60 AO) wortwörtlich übernommen wird, auch wenn der AEAO (Nr. 2 zu § 60 AO) denselben Aufbau und dieselbe Reihenfolge der Bestimmungen wie in der Mustersatzung nicht verlangt.

     

    Unabhängig von diesen Vorgaben muss die Satzung so präzise gefasst sein, dass aus ihr unmittelbar entnommen werden kann, ob die Voraussetzungen der Steuerbegünstigung vorliegen (§ 60 AO formelle Satzungsmäßigkeit). Hier ist es auch erforderlich, dass in der Satzung zunächst die Art der Steuerbegünstigung ‒ also „gemeinnützig“, „mildtätig“ oder „kirchlich“ ‒ ausdrücklich im Wortlaut der Satzung festgelegt wird und eines dieser Wörter im Wortlaut der Satzung enthalten ist (FG Hessen, Urteil vom 27.11.2020, Az. 4 K 619/18, Abruf-Nr. 221360; SB 5/2021, Seite 82 → Abruf-Nr. 47323439).

     

    Eine wortwörtliche Übernahme der Mustersatzung wird in der Rechtsprechung abgelehnt (FG Düsseldorf, Urteil vom 20.08.2019, Az. 6 K 481/19 AO, Abruf-Nr. 211310). Im Gesetzestext wird nur auf die „Festlegungen“ der Mustersatzung verwiesen, und es wird gerade nicht gefordert, dass die Satzung einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck bzw. Muster entsprechen muss (FG Hessen, Urteil vom 28.06.2017, Az. 4 K 917/16, Abruf-Nr. 195922). Zudem ist es nicht erforderlich, dass die Satzung einen oder mehrere der in § 52 Abs. 2 AO enthaltenen Zwecke dem Wortlaut nach wiederholt (FG Hessen, Urteil vom 26.02.2020, Az. 4 K 594/18, Abruf-Nr. 215651; Az. beim BFH: V R 11/20).

     

    Die Satzung muss jedoch die Bestimmung enthalten, dass die Tätigkeit der Stiftung selbstlos erfolgt. Ob der Begriff „selbstlos“ verwendet werden muss oder es ausreicht, wenn aus der Satzung hervorgeht, was die Stiftung unter „selbstlos“ versteht, hat das FG Düsseldorf zuletzt offengelassen (FG Düsseldorf, Urteil vom 20.08.2019, Az. 6 K 481/19 AO , Abruf-Nr. 211310).

     

    PRAXISTIPP | Um auf Nummer sicher zu gehen, sollten Stiftungen den Satzungstext mit der Finanzverwaltung eng abstimmen.

     

    Rechtsschutz bei Versagung der formellen Satzungsmäßigkeit

    Nach allgemeiner Auffassung ist bei der erstmaligen Ablehnung einer gesonderten Feststellung nach § 60a AO in einem Hauptsacheverfahren Verpflichtungsklage zu erheben. Auf dieser Grundlage soll vorläufiger Rechtsschutz durch einstweilige Anordnung (§ 114 FGO) erfolgen. Dem hat sich der BFH nun für den Fall angeschlossen, dass eine steuerbegünstigte Körperschaft die Feststellung der Satzungsmäßigkeit nach § 60a Abs. 2 Nr. 1 AO beantragt (BFH, Beschluss vom 02.12.2020, Az. V B 25/20, Abruf-Nr. 220314), SB 3/2021, Seite 42 → Abruf-Nr. 47116849).

    Vorgaben für Stiftungen ausländischen Rechts

    Auch bei Stiftungen nach ausländischem Recht ist allein das innerstaatliche deutsche Recht Prüfungsmaßstab, so das FG Niedersachsen (Beschluss vom 04.05.2020, Az. 6 K 53/18, Abruf-Nr. 221955) im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 15.11.2017, Az. I R 39/15, Abruf-Nr. 200490).

     

    In dem Verfahren vor dem FG Niedersachsen hatte eine nach österreichischem Recht steuerbegünstigte Stiftung den Erlass des Feststellungsbescheids verlangt. Das Finanzamt hatte den Erlass versagt, u. a. weil nach seiner Ansicht nicht hinreichend erkennbar war, inwieweit neben gemeinnützigen Zwecken auch mildtätige Zwecke verfolgt werden sollten. Zudem vermisste das Finanzamt einen ausreichenden Inlandsbezug im Sinne des § 51 Abs. 2 AO. Diese Bedenken teilte das FG nicht. Die Satzung genüge §§ 51 AO:

     

    • Es sei unerheblich, dass die Formulierungen in der Satzung der Stiftung von denen der Mustersatzung abwichen. Unter Berücksichtigung der Grundfreiheiten müsse es im überstaatlichen Bereich ausreichen, wenn die Satzung inhaltlich den Angaben in der Mustersatzung entspreche, was hier der Fall sei. Insbesondere sei aus der Satzungsformulierung, dass „keine Gewinnerzielungsabsicht vorliege“, ersichtlich, dass die Stiftung „nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Ziele“ verfolge.

     

    • Die Vermögensbindung (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 AO) lag vor, weil die Satzung für den Fall der Auflösung vorsah, dass „bei Auflösung der Stiftung (aufgrund gesetzlicher Bestimmungen) ohne Umwandlung in einem Fonds oder bei Wegfall des bisherigen begünstigten Stiftungszwecks, das nach Abdeckung der Passiva verbleibende Stiftungsvermögen für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke im Sinne der §§ 34ff BAO zu verwenden“ sei.

     

    • Auch der nach § 51 Abs. 2 AO erforderliche Inlandsbezug war gegeben, weil nach der Satzung der Stiftung „insbesondere das deutschsprachige Kabarett zu fördern“ war.

     

    PRAXISTIPP | Weil eine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage des Zusammenwirkens der Vorschriften anderer Staaten (hier der BAO-Österreich) mit den deutschen Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts bei im Inland beschränkt steuerpflichtigen ausländischen Stiftungen bisher nicht vorliege, hat das FG die Revision zum BFH zugelassen. Die Finanzverwaltung hat sie eingelegt, sie trägt das Az. V R 15/20.

     
    Quelle: Ausgabe 07 / 2021 | Seite 132 | ID 47455284