· Fachbeitrag · Der praktische Fall
Umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Leistungen im Kinder- und Jugendbereich
| Der Satzungszweck „Förderung der Jugend“ wird in der täglichen Arbeit durch viele Tätigkeiten umgesetzt. Häufig werden diese umsatzsteuerrechtlich unzutreffend besteuert, weil die Verantwortlichen entweder die Umsatzsteuerpflicht der Sachverhalte nicht erkennen oder weil Steuerbefreiungen nicht genutzt werden. Im folgenden Beitrag werden die Abrechnungsmodalitäten mit den Jugendämtern und weitere Beispiele aus der Kinder- und Jugendarbeit auf ihre umsatzsteuerliche Behandlung hin untersucht (Folgebeitrag zu SB 13, 114 ).i |
von StB Ulrich Goetze, Wunstorf
1. Abrechnungsmodalitäten
Die Abrechnung der Leistungen der Stiftung mit den in Anspruch nehmenden Jugendämtern erfolgt nach unterschiedlichen Modellen:
- Die Kosten der Leistungen werden kaufmännisch kalkuliert und in Form von Fachleistungsstundensätzen, entsprechend der konkreten Inanspruchnahme im Einzelfall abgerechnet.
- Die Stiftung bildet mit einem oder mehreren Jugendämtern eine anerkannte Adoptionsvermittlungsstelle. Für die Personal-, Sach- und Overheadkosten werden die realen Gesamtkosten durch die beteiligten Jugendämter zu gleichen Teilen geteilt.
- In ähnlicher Weise wird eine gemeinsame Stelle zur Erstellung gutachterlicher Stellungnahmen über das Vorliegen von Anspruchsvoraussetzungen betrieben. Die Summe der Kosten wird mit einem vereinbarten Schlüssel der jeweiligen Inanspruchnahme durch das einzelne Jugendamt verrechnet.
- Einzelne Tätigkeiten der Stiftung sind gezielt auf die Bedarfssituation einzelner Jugendämter zugeschnitten. Das Jugendamt übernimmt sämtliche Personal-, Sach- und Overheadkosten.
Ergeben sich aus der Form der Abrechnungsgestaltungen steuerrechtliche Folgen? Steuerbar sind die von der Stiftung erbrachten Leistungen. Diese sind von der Umsatzsteuer befreit, wenn ein Befreiungstatbestand nach § 4 UStG vorliegt. Die Tatsache, dass der Wert der Leistungen anhand von verschiedenen Kostenberechnungen ermittelt und berechnet wird, berührt nicht die Steuerpflicht oder Steuerbefreiung der erbrachten Leistungen.
2. Betreiben eines Bauhofs für Jugendliche
Ein Beispiel für die Erfüllung der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe ist der Betrieb eines Bauhofs zur Freizeitgestaltung.
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Eine Stiftung betreibt eine offene Jugendbetreuung in Form eines Bauhofs. In diesem Bauhof werden Veranstaltungen und Angebote im kulturellen und sportlichen Bereich erbracht, im Wesentlichen für Kinder und Jugendliche. Schwerpunkte der Aktivitäten sind die Organisation und Durchführung von Veranstaltungen mit kreativen Beschäftigungen, spielerischen Herausforderungen und sportlicher Betätigung. Die Dauerangebote werden durch öffentliche Zuschüsse finanziert. Für die Durchführung von Veranstaltungen werden von den jugendlichen Besuchern Eintrittsgelder erhoben.
Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung vertritt das Finanzamt die Auffassung, die Veranstaltungen werden im Rahmen eines steuerschädlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (wGB) betrieben, da die Stiftung mit nicht begünstigten Betrieben (Freizeitparks), die ähnliche Leistungen erbringen, in größerem Umfang im Wettbewerb steht (§ 65 Nr. 3 AO). Ist dies zutreffend? |
2.1 Zweckbetrieb
Nach § 11 Abs. 3 SGB VIII gehören zu Schwerpunkten der Jugendarbeit Sport Spiel und Geselligkeit. Damit sind die von der Stiftung betriebenen Aktivitäten, einschließlich der Ausrichtung von Veranstaltungen dem Zweck, „Förderung der Jugend“ zuzuordnen. Darüber hinaus sind Veranstaltungen mit musikalischen Vorführungen, Musikwettbewerben, Theatervorführungen, Filmvorführungen als kulturelle Veranstaltungen zu behandeln. Die Schwerpunkte der für die Jugendlichen angebotenen Aktivitäten sind sportlicher Natur.
- Sportliche Veranstaltungen sind nach § 67a AO ein Zweckbetrieb, wenn die Einnahmen einschließlich Umsatzsteuer insgesamt 45.000 EUR im Jahr nicht übersteigen bzw. wenn bei Ausübung der Option nach § 67a Abs. 2 AO kein bezahlter Sportler an der Veranstaltung teilnimmt.
- Als sportliche Veranstaltung werden organisatorische Maßnahmen definiert, die es Jugendlichen (oder auch Erwachsenen) ermöglichen, Sport zu treiben (BFH 11.10.07, V R 69/06, Abruf-Nr. 080035 m.w.N.). Sport ist eine Tätigkeit zur körperlichen Ertüchtigung durch Leibesübungen oder eine gleichgestellte Betätigung. Eine bestimmte Organisationsform oder -struktur schreibt das Gesetz nicht vor.
- Nach § 65 AO ist weitere Voraussetzung für die Anerkennung eines Zweckbetriebs, dass dieser wGB zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist. Diese Vorgabe ist bei Anwendung des § 67a AO nicht anwendbar, da § 67a AO als die speziellere Vorschrift § 65 AO vorgeht. Nach § 67a AO sind sportliche Veranstaltungen ein Zweckbetrieb, wenn die weiteren Vorgaben erfüllt sind. Der BFH hat zur Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 22b UStG entschieden, dass für Tätigkeiten, die den Kernbereich der Umsatzsteuerbefreiung betreffen, ein Ausschluss nach Art. 133 MWStSystRL nicht in Betracht kommt, da sonst die Befreiung in weiten Teilen leer liefe (BFH 2.3.11, XI R 21/09, Abruf-Nr. 112151). Diese Feststellung gilt ebenso für die Körperschaftsteuerbefreiung.
2.2 Eintrittsgelder von Jugendlichen
Die Umsätze des Vereins aus Eintrittsgeldern von Jugendlichen (bis 27 Jahre) sind umsatzsteuerbefreit nach § 4 Nr. 25 UStG bzw. nach § 4 Nr. 22 UStG.
2.3 Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 25 UStG
Steuerfrei sind auch die Durchführung von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen(§ 4 Nr. 25 S. 3a UStG), wenn die Darbietungen von den von der Jugendhilfe begünstigten Personen selbst erbracht oder die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden und diese Leistungen in engem Zusammenhang mit den in Satz 1 bezeichneten Leistungen stehen. Nach Abs. 4 können Angebote der Jugendarbeit auch Personen, die das 27. Lebensjahr vollendet haben, in angemessenem Umfang einbeziehen.
2.4 Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 UStG
Steuerbefreit sind nach dieser Vorschrift zum einen Veranstaltungen belehrender Art und zum anderen die Teilnehmergebühren an kulturellen und sportlichen Veranstaltungen von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken dienen.
- Das für die Teilnahme an den Veranstaltungen erhobene Eintrittsgeld ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Leistungsinhalte als Teilnehmergebühren i.S. von § 4 Nr. 22b UStG zu werten. Die Angebote der Stiftung für Kinder und Jugendliche im Rahmen des Bauhofs sind kreativ (künstlerisch) und/oder sportlich und werden überwiegend zusammen mit den Besuchern durchgeführt. Die Kinder und Jugendlichen beteiligen sich aktiv. Nach der Rechtsprechung des BFH wird eine bestimmte Organisationsform und -struktur nicht verlangt. Teilnehmergebühren liegen nach der Rechtsprechung auch vor, wenn die Entgelte Beförderungen oder Nutzungsüberlassungen von Sportgeräten und -anlagen einschließen, sofern die weiteren Leistungen im Rahmen einer sportlichen Veranstaltung erbracht werden (BFH 25.7.96, V R 7/95).
- Auch der belehrende und kreative Charakter vieler Angebote wie Zeichnen, Malen, Tanzen ist durch die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22a UStG abgedeckt. Diese Steuerbegünstigung erfasst auch Kurse, die nicht der Aus- und Fortbildung im engeren Sinne dienen.
2.5 Berufung auf die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie
Die Leistungen des Vereins sind auch unter Berufung auf die vorstehenden Befreiungsvorgaben der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie von der Umsatzsteuer befreit. Nach Art. 132 Abs. 1i MwStSystRL sind mit der Aus- und Fortbildung eng verbundene Umsätze steuerbefreit. Dieser Begriff ist nach der EuGH-Rechtsprechung nicht besonders eng auszulegen (EuGH 11.1.01, Rs. C 76/99). Nach Art. 132 Abs. 1m und o MwStSystRL können Angebote in Sport und Kultur als begünstigte Umsätze, die unter § 4 Nr. 22 UStG fallen, subsumiert werden. Die Steuerbefreiung ist auch nicht aus Wettbewerbsgründen nach Art. 133 MWStSystRL ausgeschlossen. Art. 133 gibt vor, dass die Mitgliedstaaten die Befreiungen von gewissen Bedingungen abhängig machen können. Von dieser Möglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht.
3. Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen
Ein weiteres Beispiel für Kinder- und Jugendarbeit betrifft die Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen als Fördermaßnahme.
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Eine Stiftung, deren Satzungszweck die Förderung der Jugend ist, organisiert für die eigenen Mitarbeiter und für Jugendämter gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen. Diese finden in zu diesem Zweck eigens dauerhaft angemieteten Schulungsräumen sowie in jeweils für die Veranstaltung extra angemieteten externen Räumlichkeiten (Tagungshäuser, Jugendgästehaus etc.) statt. Bei Tagesveranstaltungen umfasst das Angebot auch eine Mittagsverköstigung (externer Lieferservice bzw. Besuch einer externen Gaststätte) sowie Kalt- und Heißgetränke, Kekse bzw. Kuchen. Für die eigenen Mitarbeiter ist der Besuch der Fortbildungsveranstaltung Teil des Dienstgeschäfts. Für jeden externen Teilnehmer vereinnahmt die Stiftung von deren Dienststelle (Jugendamt) einen kostendeckenden Teilnahmebeitrag, der die Raummiete, die Kosten der Organisation, der Referent/-innen und der Verköstigung umfasst. Bislang wurde hierbei keine Umsatzsteuer erhoben. |
Die von der Stiftung vereinnahmten Entgelte für die Teilnahme an Bildungsveranstaltungen sind nach § 4 Nr. 22a UStG von der Umsatzsteuer befreit, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden. Die Steuerbefreiung erstreckt sich auch auf die mit solchen Veranstaltungen üblicherweise zusammenhängenden (unselbstständigen) Nebenleistungen, wie die Abgabe von Studienmaterialien und Erfrischungen.
Steuerfrei sind die eigentlichen Seminarleistungen, nicht aber auch die Gewährung von Verpflegung auf den Seminaren. Das vereinnahmte Entgelt ist bei Gewährung von Verpflegung aufzuteilen (BFH 7.10.10, V R 12/10, Abruf-Nr. 110345). Eine Steuerbefreiung der Verpflegungsleistungen nach § 4 Nr. 23 UStG oder nach § 4 Nr. 25 b UStG kommt nicht in Betracht.Die genannten Steuerbefreiungen gelten nur für Mitarbeiter bei einer unmittelbaren Tätigkeit im engen Zusammenhang mit der Betreuung von Jugendlichen. Als enger Zusammenhang ist eine enge sachliche/inhaltliche Verknüpfung gemeint. Die Bildungsveranstaltungen müssen einen Zweck erfüllen, der in die betreffende Leistung der Jugendhilfe/Inobhutnahme eingebunden ist. Dieses würde bei einer Veranstaltung mit Jugendlichen gegeben sein.
Da Unterbringung und Verpflegung im Zusammenhang mit Bildungsmaßnahmen nach § 68 Nr. 8 AO als Zweckbetrieb gelten, unterliegen diese Leistungen dem ermäßigten Steuersatz von 7 %.Aus den entsprechenden Bezugskosten können Vorsteuern herausgerechnet werden.
Wenn die Stiftung als Bildungsträger ein einheitliches Entgelt berechnet, ist der Preis aufzuteilen. Dies hat durch eine Schätzung zu erfolgen (§ 162 AO). Der Anteil des Entgelts für die steuerpflichtig erbrachten Leistungen kann in Höhe der für die Verpflegung entstandenen Kosten im Verhältnis zu den Gesamtkosten des Seminars geschätzt werden.
Die Verpflegungsleistungen an die eigenen Mitarbeiter der Stiftung können als steuerpflichtige Sachzuwendungennach § 3 Abs. 1b Nr. 2 UStG umsatzsteuerpflichtig sein (Abschn. 1.8 UStAE). Sofern die Bediensteten der Stiftung sich regelmäßig in einer Betriebskantine verpflegen können, ist die Verpflegung anlässlich der Bildungsveranstaltung umsatzsteuerpflichtig. Anzusetzen ist der Sachbezugswert.
Sofern kein Kantinenessenangeboten wird, gilt Folgendes: Die Bildungsmaßnahmen sind eine betrieblich veranlasste Maßnahme. Die in diesem Zusammenhang angebotenen Verpflegungsleistungen sind durch das betriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Teilnahme veranlasst. Die Befriedigung des privaten Bedarfs der Arbeitnehmer wird überlagert durch eine Maßnahme des Arbeitgebers zur Gestaltung der Dienstausübung. Es liegt in diesem Fall kein steuerbarer Leistungsaustausch vor. Die Verpflegung ist kein Lohnbestandteil. Es besteht ein betriebliches Interesse an der Inanspruchnahme der angebotenen Verpflegung, da ein Verlassen der Bildungsstätte der Teilnehmer zu einer längeren Unterbrechung führen würde. Daher liegt kein tauschähnlicher Umsatz vor.
4. Vermietung einer Hausmeisterwohnung
Betreutes Wohnen ist ein weiteres Angebot der Kinder- und Jugendhilfe. Wie werden die Einnahmen aus der direkten Vermietung steuerlich behandelt?
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Zum Betrieb einer Jugendhilfeeinrichtung des betreuten Wohnens hat eine Stiftung ein Gebäudekomplex angemietet. Hierin befindet sich auch eine Hausmeisterwohnung, die an den Hausmeister vermietet wird. Für die Durchführung von Maßnahmen der Jugendhilfe zur Verselbstständigung werden junge Volljährige in eigenen Wohnungen durch die Stiftung betreut. Hierbei handelt es sich in der Regel um Wohnraum, den die jungen Menschen selber angemietet haben. In Einzelfällen mietet die Stiftung den Wohnraum und vermietet ihn an den jungen Menschen weiter. Dieser bestreitet die Mietkosten aus Jugendhilfeleistungen (SGB VIII) oder Leistungen nach SGB II („Hartz IV“), d.h. aus eigenen Einkünften. Die von den jungen Menschen durch die Jugendhilfeeinrichtung vereinnahmten Mietkosten entsprechen hierbei den Mietzahlungen an den Vermieter des Wohnraums. Gleichermaßen wird mit Mietnebenkosten verfahren, sowie teilweise mit den Abrechnungen von Telefon und Strom, welche von den Mietern vereinnahmt und an den Vermieter der Wohnung weitergeleitet werden. |
Einnahmen aus der langfristigen Vermietung von Wohnungen sind nach § 4 Nr. 12a UStG von der Umsatzsteuer befreit. Gleiches gilt für Mietnebenkosten, soweit es sich um unselbstständige Nebenleistungen der Vermietung handelt.
Telefonkosten gelten nicht als eng verbundene Umsätze einer Wohnungsvermietung. Bei einer Vertragsgestaltung dergestalt, dass die Telefonkosten des Bewohners im Rahmen eines durchlaufenden Postens von dem Bewohner (Untermieter) vereinnahmt und an den Vermieter weitergeleitet werden, liegt kein steuerbarer Umsatz vor.