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  • · Fachbeitrag · Mittelverwendnung

    Die Angemessenheit der Vergütung für das Führungspersonal in Stiftungen

    von RA Berthold Theuffel-Werhahn, FAStR/FAHGR, Leiter des Bereichs Stiftungsberatung (bundesweit), PricewaterhouseCoopers GmbH, Kassel

    | Medienberichte über ‒ vermeintlich oder tatsächlich ‒ unverhältnismäßig hohe Vergütungen bei wohlfahrtspflegerischen Körperschaften in Südhessen (Frankfurt und Wiesbaden) und zuvor schon bei der Werkstatt für behinderte Menschen in Duisburg werfen ein Schlaglicht auf das Drittnützigkeitsverbot. Lernen Sie deshalb die Spielregeln kennen, wann eine Vergütung angemessen ist. |

    Mittelverwendungsgebot und Drittnützigkeitsverbot

    Eine steuerbegünstigte Körperschaft darf keine Person durch Ausgaben, die ihrem Zweck fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigen (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 AO). Diese Regelung konkretisiert das in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO enthaltene Mittelverwendungsgebot. Danach dürfen begünstigte Körperschaften ihre Mittel nur für ihre satzungsmäßigen Zwecke ausgeben. Im Umkehrschluss dürfen die Mittel also nicht für andere Zwecke als die in der Satzung festgelegten Zwecke ausgegeben werden (BeckOK-AO, Erdbrügger, § 55 Rz. 59).

     

    Ziffer 24 zu § 55 Abs. 1 Nr. 3 AEAO enthält lediglich den Hinweis, dass bei Vorstandsmitgliedern von Vereinen Tätigkeitsvergütungen gemeinnützigkeitsrechtlich nur zulässig sind, wenn eine entsprechende Satzungsregelung besteht, und dass dies für Stiftungen entsprechend gilt. Sieht die Satzung dagegen vor, dass der Vorstand ehrenamtlich tätig wird, ist es unangemessen, seine Tätigkeit trotzdem zu vergüten (BFH, Beschluss vom 08.08.2001, Az. I B 40/01, Abruf-Nr. 063207).

     

    Wichtig | Die Verwaltungsauffassung ist jedenfalls für Stiftungen falsch. Denn die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Satzungsregelung kann nicht aus § 40 BGB hergeleitet werden, weil § 40 BGB nicht von § 86 BGB als auf Stiftungen entsprechend anwendbar erklärt wird (Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 55 AO Rz. 214).

     

    Der ebenfalls in Ziffer 24 zu § 55 Abs. 1 Nr. 3 AEAO zu findende Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 21.11.2014 (Az. IV C 4 ‒ S 2121/07/0010 :032, Abruf-Nr. 187572) zu „Einzelheiten bei Zahlungen an den Vorstand steuerbegünstigter Vereine“ betrifft nur ehrenamtliche Vorstände. Dies ist bei den genannten Streitfällen, die die mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen, regelmäßig nicht der Fall. Denn dort handelt es sich um hauptamtliche Geschäftsführer (mit entsprechender Gestattungsklausel in der Satzung).

     

    Wichtig | Nur etwas konkreter wird es in Ziffer 20 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 AEAO: Danach ist die Steuerbegünstigung (der gemeinnützigen Körperschaft) auch dann zu versagen, wenn das Verhältnis der Verwaltungsausgaben zu den Ausgaben für die steuerbegünstigten Zwecke zwar insgesamt nicht zu beanstanden, eine einzelne Verwaltungsausgabe, z. B. das Gehalt des Geschäftsführers oder der Aufwand für die Mitglieder- und Spendenwerbung, aber nicht angemessen ist (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 AO).

    Angemessenheit der Vergütung ist zentrales Kriterium

    Praktisch von großer Relevanz ist die Frage der Angemessenheit der Vergütung, die eine gemeinnützige Stiftung ihren hauptamtlichen Stiftungsvorständen (oder Geschäftsführern) zahlt. Denn: Die Steuerbefreiungen, z. B. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, und die Steuervergünstigungen, z. B. § 10b EStG, werden nur gewährt, um steuerbegünstigte Zwecke zu fördern. Entscheidendes Kriterium ist deshalb, ob bei Berücksichtigung des Einzelfalls das Ausgabeverhalten der Körperschaft angemessen ist.

     

    Rechtsprechung verlangt angemessenes Ausgabeverhalten

    Angemessen ist ein Ausgabeverhalten nach ständiger Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 18.12.2002, Az. I R 60/01, Abruf-Nr. 073947; BFH, Beschluss vom 23.09.1998, Az. I B 82/98; FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21.12.2016, Az. 3 K 272/13, Abruf-Nr. 194789), wenn es

    • wirtschaftlich sinnvoll ist und
    • dazu beiträgt, dass ein möglichst hoher Anteil der Mittel unmittelbar und
    • effektiv den hilfsbedürftigen Personen zugutekommt.

     

    § 55 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 AO als Ausprägungen des Gebots der Selbstlosigkeit überschneiden und ergänzen sich. Danach ist jede Zuwendung von Vermögensvorteilen grundsätzlich verboten, sofern die Zuwendung satzungsfremd und ohne entsprechenden Gegenwert erfolgt (Gersch, in: Klein, AO, § 55 Rz. 22). Steuerschädlich sind in dem Zusammenhang insbesondere unverhältnismäßig hohe

    • Vergütungen (z. B. in Gestalt von Gehältern),
    • (pauschalierte) Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgelder, Reisekostenpauschalen an Vorstands-, Aufsichts-, Beiratsmitglieder oder
    • Honorare für Berater oder Gutachter.

     

    Aufwendungsersatz ist grundsätzlich zulässig. Er setzt aber einen konkreten Nachweis oder ‒ bei pauschaler Abgeltung ‒ das Vorliegen von Pauschalierungsregeln voraus. Und er darf über die tatsächlichen Aufwendungen nicht hinausgehen (Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 55 AO, Rz. 217).

     

    Keinesfalls darf die Geschäftsführung so viel kosten, dass die Stiftung für die Stiftungsvorstände/Geschäftsführer zum „Selbstbedienungsladen“ aus Spendengeldern wird und für die Förderung des gemeinnützigen Zwecks fast keine Mittel bleiben (Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 55 AO Rz. 219; Seer, in: Tipke/Kruse, § 55 AO Rz. 22).

     

    Wichtig | Unschädlich hingegen ist allein, wenn sich Leistung (Tätigkeit des Vorstandsmitglieds oder des Geschäftsführers für die Stiftung) und Gegenleistung (die für diese Tätigkeit gezahlte Vergütung) gleichwertig gegenüberstehen. Bei Vorstandsmitgliedern beurteilt sich die Angemessenheit nach ihrer Leistung für die Stiftung, nicht nach ihrem Einkommen in ihrem (Haupt-)Beruf (Seer, in: Tipke/Kruse, § 55 AO, Rz. 22).

     

    Fremdvergleich contra „NPO-Rabatt“

    Dabei kann zur Beurteilung der Frage, welche Vergütung noch angemessen ist, auf die Grundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung zurückgegriffen werden (Seer, in: Tipke/Kruse, § 55 AO, Rz. 22). Insoweit ist wie bei verdeckten Gewinnausschüttungen ein „Fremdvergleich” durchzuführen.

     

    Als Maßstab dienen vergleichbare Vereinbarungen eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters bei nicht steuerbegünstigten Körperschaften (Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 55 AO, Rz. 220; Unger, in: Gosch, § 55 AO Rz. 80). Dabei müssen die Organe die wirtschaftliche Lage der Körperschaft berücksichtigen, aber nur in der Weise, wie dies auch sonst im Geschäftsverkehr zu geschehen hat; zulässig ist nicht jedes Geschäftsgebaren bis an die Grenze der Verschwendung (Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 55 AO, Rz. 220).

     

    Wichtig | Ein pauschaler Abschlag für Rechtsbeziehungen im Dritten Sektor ist dabei nicht angezeigt. Wer als Dritter gegenüber einer steuerbegünstigten Körperschaft Leistungen erbringt, muss dies nicht zu Konditionen unterhalb des Marktniveaus tun (Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 55 AO Rz. 220; Unger, in: Gosch, § 55 AO Rz. 80). Dies wird teilweise anders gesehen, ohne dass es, soweit ersichtlich, Entscheidungen gibt.

     

    Nach Auffassung des FG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 21.12.2016, Az. 3 K 272/13, Abruf-Nr. 194789) müssen auch die Gehälter, die an Geschäftsführer gemeinnütziger Organisationen gezahlt werden, wettbewerbsfähig sein. Dies, um hinreichend qualifizierte Führungskräfte zu gewinnen. Folglich sei eine konkurrenzfähige, marktgerechte Vergütung der Geschäftsführer notwendig. Andererseits sei die Steuerbegünstigung bei gemeinnützigen Gesellschaften ein Wettbewerbsvorteil. Der Staat könne deshalb verlangen, dass die Ausgaben der gemeinnützigen Organisation ‒ auch hinsichtlich der Gehälter der Geschäftsführer ‒ moderat sind, damit ein möglichst hoher Mitteleinsatz für die satzungsmäßige Arbeit erfolgen könne. Auch in der Literatur bestünden diese Bedenken (das FG bezieht sich auf Seer, der aber eher das Extrem im Blick hat).

     

    Wichtig | Allerdings greift das Argument der Steuerbegünstigung jedenfalls nicht für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, der ja gerade von der Steuerbegünstigung ausgeschlossen ist (§ 64 Abs. 1 AO). Das Drittbegünstigungsverbot soll aber auch für Vergütungen gelten, die im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gezahlt werden (siehe unten). Damit werden wirtschaftliche Geschäftsbetriebe steuerbegünstigter Körperschaften im Ergebnis sogar schlechter gestellt als ihre gewerblichen Mitbewerber. Hier bleibt die weitere Entwicklung in der Rechtsprechung abzuwarten.

     

    Der Fremdvergleichsmaßstab gilt für alle Mitarbeiter der gemeinnützigen Körperschaft (Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 55 AO, Rz. 215).

     

    PRAXISTIPP | Mittlerweile werden hochqualifizierte Vergütungsstudien angeboten, mit deren Hilfe sich die Angemessenheit der Vergütung im konkreten Sachverhalt zumindest ansatzweise bestimmen lässt. Da Sachverhalte nie völlig vergleichbar sind und die Angemessenheit der Vergütung von einer erheblichen Vielzahl von Einzelfaktoren bestimmt wird, bleibt immer ein gewisser Ermessensspielraum, den die Finanzverwaltung den Entscheidungsträgern bei steuerbegünstigten Körperschaften belassen muss. Umgekehrt lässt sich mithilfe dieser Vergütungsstudien bestimmen, wann eine Vergütung deutlich übertrieben ist.

     

    Problematische Zuwendungen

    In der Praxis können Zuwendungen in folgenden Fällen problematisch sein:

     

    Unangemessene Vergütungen im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb

    § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO bezieht sich auf sämtliche Vergütungen, die die Körperschaft aus ihren Mitteln aufbringt. Er bezieht sich auch auf Vergütungen, die die Körperschaft im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs zahlt (BFH, Beschluss vom 28.10.2004, Az. I B 95/04, Abruf-Nr. 073948, Seer, in: Tipke/Kruse, § 55 AO Rz. 22).

     

    Im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs stellt sich das Problem, qualifiziertes Personal zu finden, noch deutlicher, wenn ein „NPO-Rabatt“ berücksichtigt werden müsste (siehe oben). Teilweise wird vertreten, dass eine Mittelfehlverwendung auch vorläge, wenn in einer gewerblichen Tochtergesellschaft, die von einer steuerbegünstigten Körperschaft kontrolliert wird, unangemessene Bezüge gezahlt würden (kritisch).

     

    Kein Bedarf an Arbeitsleistung

    Ein Verstoß gegen § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO kann auch bei einem angemessenen Austauschverhältnis vorliegen, wenn die steuerbegünstigte Körperschaft die erworbene Leistung nicht benötigt. Steuerbegünstigungsschädlich sind daher Zinszahlungen für ein Darlehen, das einem Verein ohne erkennbaren wirtschaftlichen Grund gewährt worden ist (Unger, in: Gosch, § 55 AO Rz. 80).

     

    Übertragen auf den Personalbereich wäre denkbar, dass die Einstellung eines Mitarbeiters gegen das Drittnützigkeitsverbot verstößt, wenn die steuerbegünstigte Körperschaft für diese Stelle gar keinen Bedarf hat. Dann hilft es auch nichts, wenn die gezahlte Vergütung für die auszuübende Tätigkeit grundsätzlich angemessen ist.

     

    Abfindungszahlung ohne rechtliche Verpflichtung

    Ein Verstoß gegen das Drittnützigkeitsverbot liegt auch vor, wenn eine steuerbegünstigte Körperschaft einem verdienten vormaligen Geschäftsführer eine „freiwillige“ Abfindung in Höhe von rd. 1 Mio. DM zubilligt, die den gesamten Gewinn des Geschäftsjahrs aufzehrt und zu einem sechsstelligen Verlust führt. Denn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter würde dies nicht tun (FG Münster, Urteil vom 03.03.2009, Az. 9 K 5195/04 K,G,F). Der besonders pikante Aspekt lag in dem Sachverhalt darin, dass diese „Abfindung“ tatsächlich eine verdeckte Gegenleistung an einen früheren Gesellschafter zur Abgeltung des Anteilskaufpreises darstellte.

     

    Erhebliche Gehaltssteigerungen

    Die Unangemessenheit von Jahresgesamtvergütungen kann sich auch aus einem sprunghaften, erheblichen Gehaltsanstieg ergeben. Das FG Mecklenburg-Vorpommern nahm dies in folgendem Fall an: Während die Jahresgesamtvergütung des Geschäftsführers B im Jahr 2007 noch 137.348,00 Euro betrug, war sie im Jahr 2008 auf 243.563,00 Euro angestiegen. Dies war eine prozentuale Gehaltssteigerung um 77 Prozent. Auch in den Folgejahren waren die Gehaltssteigerungen erheblich. So stieg die Jahresgesamtvergütung im Jahr 2009 auf 266.899,11 Euro, im Jahr 2010 auf 283.234,57 Euro und 2011 auf 339.259,00 Euro.

     

    Unentgeltliche Überlassung von Wohnraum

    Auch die unentgeltliche Überlassung von Immobilien, die im Eigentum der steuerbegünstigten Stiftung stehen, an ein Vorstandsmitglied (z. B. Überlassung einer Dienstwohnung), kann gegen § 55 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 AO verstoßen; und zwar dann, wenn die unentgeltliche Überlassung nicht den satzungsmäßigen Zwecken der Stiftung dient (BFH, Beschluss vom 20.12.1995, Az. I B 111/94, Abruf-Nr. 213711, BFH/NV 1996, 383).

    Checkliste zur Prüfung der konkreten Vergütung

    Nachfolgend finden Sie Kriterien, um Vergütungen auf deren Angemessenheit prüfen zu können. Die Checkliste kann natürlich nicht alle denkbaren Fälle umfassen und ist eher als eine Art Denkanstoß zu verstehen. Bei den genannten Punkten kommt es ‒ wie meist ‒ auf eine sorgfältige Dokumentation an, besonders des Auswahlprozesses. Hilfreich ist es ferner, externen Sachverstand einzubinden, z. B. Vergütungsexperten oder den langjährigen Wirtschaftsprüfer/Steuerberater, der die Körperschaft besonders gut kennt.

     

    Checkliste / Kriterien zur Prüfung der Vergütung

    Enthält die Satzung Regelungen zur Vergütung?

    Gibt es einen konkreten Bedarf für die zu besetzende Stelle oder wird diese Stelle primär aus Gründen geschaffen, die nicht der Verfolgung der steuerbegünstigten Zwecke dienen?

    Ist der Bewerber für die zu besetzende Stelle ausreichend qualifiziert, z. B. durch seine

    • Ausbildung,
    • Berufserfahrung,
    • ggf. ‒ sofern erforderlich ‒ Führungserfahrung oder
    • Zusatzqualifikationen?

    Gab es ein transparentes Auswahlverfahren und Regelungen zur Auswahl (bevor diese getroffen wurde)?

    • Wurde das „Vier-Augen-Prinzip“ beachtet?
    • Gab es eine effiziente Kontrolle beim Auswahlverfahren?

    Ist die vereinbarte Vergütung (einschl. Nebenleistungen) der Stelle angemessen? Was erhält jemand mit

    • vergleichbarer Qualifikation
    • für eine vergleichbare Tätigkeit
    • bei einer vergleichbaren Körperschaft
    • in einer vergleichbaren Branche und
    • in vergleichbarer Region?

    Hier kommt es wiederum auf Vergleiche, z. B. aufgrund etablierter Vergütungsstudien, an. Sind solche Vergleiche durchgeführt und verplausibilisiert worden?

     

    Quelle: Ausgabe 02 / 2020 | Seite 23 | ID 46286816