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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer/Treuhandstiftung

    FG Münster: Unselbstständige Stiftung ist kein Leistungsempfänger nach dem Umsatzsteuerrecht

    von Rechtsanwältin Dr. Alena Kirchinger, Flick Gocke Schaumburg Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater Partnerschaft mbB, München

    | Das FG Münster hat entschieden, dass eine unselbstständige (nichtrechtsfähige) Stiftung in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht kein Leistungsempfänger im Rahmen von Leistungsaustauschverhältnissen mit ihrem Rechtsträger sein kann. Stiftungsträger, die bislang Umsatzsteuer für ihre Betätigung zu Gunsten der von ihnen verwalteten unselbstständigen Stiftungen abgeführt haben, sollten die Entscheidung kennen. SB stellt sie Ihnen vor und erläutert Handlungsempfehlungen für die Praxis. |

    Bisherige Linie im Umsatzsteuerrecht

    Bislang ging die steuerrechtliche Literatur davon aus, dass unselbstständige Stiftungen Leistungsempfänger im Sinne des Umsatzsteuerrechts sein können (Hüttemann/Herzog, DB 2004, 1001 [1009]; zweifelnd Hüttemann in Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht und Spendenrecht, 5. Aufl. 2021, Steuerbegünstigte Körperschaften, Rz. 2.70). Die unselbstständigen Stiftungen sollten lediglich aufgrund ihrer fehlenden wirtschaftlichen Betätigung kein Recht auf Vorsteuerabzug aus der zu ihren Gunsten vorgenommenen Verwaltungstätigkeit durch den Stiftungsträger haben.

     

    Vor dem Hintergrund, dass unselbstständigen Stiftungen die (Teil-)Rechtsfähigkeit fehlt, sodass sie im Rechtsverkehr nicht selbst handeln können, wirkt die Einordnung als Leistungsempfänger befremdlich. Zurückführen lässt sie sich jedoch wohl darauf, dass unselbstständige Stiftungen als sog. (Ertrag-)Steuersubjekt anerkannt sind (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG). Sie unterliegen einer eigenen Steuerpflicht.

    Neue Linie durch Urteil des FG Münster

    Das FG Münster beschreitet umsatzsteuerrechtlich nun einen abweichenden Weg. Unselbstständige Stiftungen sollen demnach (doch) kein Leistungsempfänger i. S. d. Umsatzsteuerrechts sein können (FG Münster, Urteil vom 05.05.2022, Az. 5 K 1753/20 U, Abruf-Nr. 230039).

     

    Folgender (vereinfachter) Sachverhalt lag dem Urteil zugrunde

    Der Kläger, ein eingetragener, als gemeinnützig anerkannter Verein unterstützt, berät und verwaltet unter anderem mehrere unselbstständige Stiftungen. Diese werden funktional als eigene Abteilungen des Vereins geführt.

     

    Der Verein erhob von den unselbstständigen Stiftungen „Stiftungsbeiträge“ für seine Verwaltungs- und Beratungstätigkeit. Mangels Rechtsfähigkeit verfügen die vom Verein verwalteten unselbstständigen Stiftungen zudem über kein eigenes Personal. Die Anstellungsverträge mit dem benötigten Personal schließt der Verein unter eindeutiger Benennung des inhaltlichen und fachlichen Einsatzortes in der jeweiligen unselbstständigen Stiftung ab. Die hierdurch dem Verein entstandenen Personalkosten belastet dieser den Stiftungen jeweils weiter.

     

    Die unselbstständigen Stiftungen hat das Finanzamt als gemeinnützige Körperschaften anerkannt.

     

    Finanzamt: Stiftung ist umsatzsteuerrechtlicher Leistungsempfänger

    Im Rahmen einer Betriebsprüfung kam das Finanzamt zu dem Ergebnis, dass die dauerhafte Überlassung des Personals des Vereins an die nichtrechtsfähigen Stiftungen gegen Aufwandsersatz einen umsatzsteuerbaren und -pflichtigen Umsatz begründe. Es liege eine wirtschaftliche Tätigkeit vor, die über den Rahmen der Vermögensverwaltung hinausgehe. Auch nichtrechtsfähige Stiftungen könnten umsatzsteuerrechtliche Leistungsempfänger sein.

     

    Weiter ordnete das Finanzamt die vom Verein für seine Verwaltungs- und Beratungsleistungen erhobenen pauschalierten Stiftungsbeiträge als Entgelt für eine umsatzsteuerpflichtige Leistung ein. Die unselbstständigen Stiftungen seien als sonstige Wirtschaftsgebilde umsatzsteuerrechtliche Leistungsempfänger. Eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft lehnte das Finanzamt aufgrund der fehlenden finanziellen Eingliederung von Stiftungen ab.

     

    FG Münster: Stiftung ist kein umsatzsteuerrechtlicher Leistungsempfänger

    Das FG Münster teilte diese rechtliche Einordnung nicht. Den unselbstständigen Stiftungen fehle die Qualität eines Rechtssubjekts und damit die Möglichkeit, umsatzsteuerrechtlicher Leistungsempfänger zu sein. Das für einen Leistungsaustausch erforderliche Rechtsverhältnis könne zwischen Verein und jeweiliger Stiftung nicht bestehen.

     

    Zudem interpretiert das Gericht die jeweiligen Stiftungsgeschäfte dahingehend, dass ihnen zivilrechtlich eine (grundsätzlich nicht kündbare) Schenkung unter Auflagen zugrunde liegt. Der Verein sei daher planmäßig dauerhaft zivilrechtlicher Eigentümer des jeweiligen Stiftungsvermögens geworden. Grund hierfür sei die auf Dauer angelegte Vermögensübertragung durch den jeweiligen Stifter. Dass der Verein das jeweilige Stiftungsvermögen gesondert von seinem übrigen Vermögen zu verwalten und entsprechend der zivilvertraglichen Auflagen zweckgerichtet zu verwenden habe, ändere daran nichts. Das Stiftungsvermögen sei vollstreckungs- und insolvenzrechtlich Vermögen des Vereins, sodass das Stiftungsvermögen auch Forderungen von Gläubigern des Vereins ausgesetzt sein könne.

     

    Demnach erfolgen die Verwaltungsleistungen des Vereins nach Einschätzung des FG Münster nur innerhalb seines eigenen Unternehmens. Sog. Innenumsätze zwischen den Organisationseinheiten eines einheitlichen Unternehmens sind jedoch nicht umsatzsteuerbar.

     

    Wichtig | Das FG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum BFH zugelassen. Ob das Finanzamt sie einlegt, wird sich zeigen.

    Bedeutung des Urteils für die Praxis

    Dass die unselbstständigen Stiftungen nicht Träger von Rechten und Pflichten sein können und damit zwischen ihnen und dem Verein kein Leistungsaustauschverhältnis bestehen kann, überzeugt. Es wäre in der Tat widersprüchlich die Person des Leistenden und die des Leistungsempfängers nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu bestimmen und gleichwohl eine Person, die mangels eigener Rechtsfähigkeit nicht Partei derartiger Rechtsverhältnisse sein kann, als Leistenden oder als Leistungsempfänger anzusehen. Die ertragsteuerrechtliche Fiktion der Steuersubjektivität in § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG von unselbstständigen Stiftungen ist folglich nicht auf das Umsatzsteuerrecht übertragbar.

     

    Insgesamt bewegt sich die Entscheidung des FG Münster im selben Fahrwasser wie einige weitere wegweisende steuerrechtliche Entscheidungen. Allen gemeinsam ist, dass der rechtlichen Selbstständigkeit ein erhöhtes Augenmerk zuteil wird. Zu sehen ist dies zum einen an dem ‒ auch vom FG Münster herangezogenen ‒ Urteil des BFH zur Bruchteilsgemeinschaft. In Abkehr seiner bisherigen Rechtsprechung kam der BFH im Jahr 2018 zu dem Ergebnis, dass eine Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB mangels Rechtsfähigkeit im Verhältnis zu Dritten rechtlich inexistent und damit weder Leistende noch Leistungsempfängerin sein kann (BFH, Urteil vom 22.11.2018, Az. V R 65/17, Abruf-Nr. 206994, Rz. 20-23). Schließlich beschäftigen sich die Gerichte derzeit mit der Frage auch im Zusammenhang mit der Unionsrechtskonformität der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft (BFH, Beschluss vom 11.12.2019, Az. XI R 16/18, Abruf-Nr. 214978, Rz. 59).

    Handlungsempfehlungen für unselbstständige Stiftungen

    Für unselbstständige Stiftungen und ihre Stiftungsträger bleibt jedenfalls festzuhalten, dass im Nachgang zum FG Münster ggf. auch der BFH zu dem Ergebnis kommen könnte, dass kein Leistungsaustauschverhältnis besteht. Das hätte zur Folge: Umsatzsteuer für Verwaltungstätigkeiten und eine Personalbereitstellung des Stiftungsträgers gegenüber der unselbstständigen Stiftung wären dann bislang fälschlich der Umsatzsteuer unterworfen worden.

     

    PRAXISTIPP | Stiftungsträger unselbstständiger Stiftungen sollten nunmehr prüfen, wie die vermeintlichen Leistungen des Stiftungsträgers an die Stiftungen bislang behandelt wurden. Bescheide, in denen auch Umsatzsteuer aus vermeintlichen Leistungen des Stiftungsträgers an die verwaltete unselbstständige Stiftung enthalten ist, sollten ggf. offen gehalten werden, um abgeführte Umsatzsteuer vom Finanzamt zurückfordern zu können. Sofern Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis über die Betätigung des Rechtsträgers erstellt wurden, bedarf es dabei übrigens keiner Rechnungskorrekturen. Denn nach der Auffassung von Rechtsprechung und Finanzverwaltung stellen Abrechnungen über solche sog. Innenumsätze mit gesondertem Steuerausweis keine tauglichen Rechnungen i. S. v. § 14c Abs. 1 S. 1 UStG dar (vgl. Abschn. 14.1. Abs. 4 S. 2 UStAE; BFH, Urteil vom 28.10.2010, Az. V R 7/10, Abruf-Nr. 110546, BStBl. II 2011, 391).

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2022 | Seite 155 | ID 48483196