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  • · Fachbeitrag · Unterhaltsprivileg

    Aussetzung der durch VA bedingten Rentenkürzung wegen nachehelichen Unterhalts

    von VRiOLG Hartmut Wick, Celle

    • 1.Eine Anpassung der durch Versorgungsausgleich (VA) bedingten Versorgungskürzung (§ 33 VersAusglG) wirkt ab dem ersten Tag im Monat, der dem Monat der Antragstellung beim Familiengericht (FamG) folgt.
    • 2.Eine Aussetzung nach § 33 Abs. 3 VersAusglG kommt lediglich in Höhe der Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte aus den Regelversorgungen des § 32 VersAusglG, aus denen die ausgleichspflichtige Person eine laufende Versorgung bezieht, in Betracht. Wurde der VA noch auf der Grundlage des bis zum 31.8.09 geltenden früheren Rechts durchgeführt, entspricht dies bei Anrechten beider Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung dem Betrag, der im Wege des Splittings nach § 1587b Abs. 1 BGB a.F. ausgeglichen wurde.
    • 3.Die Aussetzung der Rentenkürzung ist nach § 33 Abs. 3 VersAusglG auf die Höhe des Unterhaltsanspruchs beschränkt, den der geschiedene Ehegatte nach § 33 Abs. 1 VersAusglG bei ungekürzter Versorgung hätte. Liegt bereits ein Unterhaltstitel zugunsten des Geschiedenen auf der Grundlage der ungekürzten Versorgung vor, ist im Rahmen des § 33 Abs. 3 VersAusglG von diesem Unterhaltstitel auszugehen. Bestehen allerdings Anhaltspunkte dafür, dass der vorliegende Unterhaltstitel nicht (mehr) dem gegenwärtigen gesetzlichen Unterhaltsanspruch entspricht, hat das FamG diesen neu zu ermitteln.
    • 4.Der gerichtliche Titel über die Aussetzung der durch den VA bedingten Kürzung der Rente muss den Umfang der Aussetzung betragsmäßig festlegen und darf sich nicht auf eine Aussetzung des vollen Kürzungsbetrags beschränken, auch wenn der fiktive Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten gegenwärtig die Rentenkürzung übersteigt.

    (BGH 21.3.12, XII ZB 234/11, FamRZ 12, 853, Abruf-Nr. 121266)

     

    Sachverhalt

    Die Beteiligten wurden vor Inkrafttreten des neuen Rechts (1.9.09) geschieden. Der VA wurde durchgeführt und der Ehemann M verurteilt, der Ehefrau F nachehelichen Unterhalt von rund 900 EUR/Monat zu zahlen. Die seinerzeitigen Einkünfte des M wurden zugrunde gelegt. Im VA wurden durch Splitting (§ 1587b Abs. 1 BGB) gesetzliche Rentenanwartschaften von rund 545 EUR/Monat (Ehezeitende 31.8.04) auf F übertragen. Zum Ausgleich eines Anrechts des M wurden aus einer betrieblichen Altersversorgung gesetzliche Rentenanwartschaften rund 5 EUR/Monat durch erweitertes Splitting (§ 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG) auf F übertragen. Seit dem 1.7.10 bezieht M eine vorgezogene Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung, die vor Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge rund 1.078 EUR/Monat beträgt. Ohne Beachtung des VA beliefe sich die Rente auf 1.608 EUR brutto/Monat (Differenz 530 EUR). Die Rente ist wegen vorzeitiger Inanspruchnahme um 7,5 Prozent gekürzt worden. M hat beim AG am 7.7.10 eingehend beantragt, die durch VA bedingte Kürzung seiner laufenden Rente in vollem Umfang auszusetzen.

     

    Das OLG hat die Kürzung der Rente mit Wirkung ab 1.8.10 in Höhe des vollen Kürzungsbetrags ausgesetzt. Mit Rechtsbeschwerde begehrt M eine Aussetzung der Kürzung ab 1.7.10 und eine Kürzung der Rente um einen festen Betrag. Der Rentenversicherungsträger wendet sich mit seiner Rechtsbeschwerde ebenfalls gegen den dynamischen Beschlusstenor des OLG.

     

    Entscheidungsgründe

    Der Beschluss ist aufzuheben und die Sache an das OLG zurückzuverweisen. Zu Unrecht hat das OLG die durch den VA bedingte Rentenkürzung des M in vollem Umfang ausgesetzt. §§ 33 bis 38 VersAusglG gelten nur für Anrechte aus den Regelsicherungssystemen, § 32 VersAusglG. Eine Anpassung der Rentenkürzung wegen der gesetzlichen Unterhaltspflicht kommt nur im Umfang der bei M durch Splitting gekürzten gesetzlichen Rente in Betracht.

     

    § 33 Abs. 3 VersAusglG beschränkt die Aussetzung der durch VA ausgelösten Rentenkürzung auf die Höhe des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs. Den fiktiven Unterhaltsanspruch der F hat das OLG nicht ermittelt. Besteht bereits ein Unterhaltstitel zugunsten des geschiedenen Ehegatten, ist im Rahmen des § 33 Abs. 3 VersAusglG von dem titulierten Unterhaltsbetrag auszugehen. Die Rechtskraft des Titels bindet das FamG für die Aussetzung einer durch VA bedingten Rentenkürzung. Allerdings ist die gesetzgeberische Intention, eine Manipulation durch kollusives Zusammenwirken der Ehegatten zu verhindern, zu beachten. Deshalb hat das FamG den Unterhaltsanspruch fiktiv neu zu ermitteln, wenn Anhaltspunkte für eine Änderung der Umstände bestehen. Das ist der Fall, wenn ein älterer Unterhaltstitel vorliegt, der nach Eintritt in den Ruhestand die aktuelle Unterhaltspflicht nicht mehr abbildet. So liegt es hier: Die Renteneinkünfte des M sind niedriger als sein Einkommen, das dem im Scheidungsurteil titulierten nachehelichen Unterhalt zugrunde lag. Die Rentenkürzung darf gemäß § 33 Abs. 3 VersAusglG nur bis zur Höhe der Differenz der Ausgleichswerte aus den Anrechten des § 32 VersAusglG ausgesetzt werden. Wurde der VA nach altem Recht durchgeführt, ist bei beiderseitigen gesetzlichen Rentenanwartschaften der durch Splitting nach § 1587b Abs. 1 BGB a.F. ausgeglichene Betrag maßgeblich. Die weitergehende Kürzung der gesetzlichen Rente des M durch erweitertes Splitting nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG, bleibt außer Betracht. Ausgeglichen worden ist hierdurch ein nicht von § 32 VersAusglG erfasstes betriebliches Anrecht.

     

    Der Beschlusstenor ist zu unbestimmt. Der Titel, der die durch VA bedingte Rentenkürzung aussetzt, muss den Umfang der Aussetzung betragsmäßig festlegen. Dieser muss sich zumindest ohne Weiteres aus dem Titel errechnen lassen. Es reicht nicht aus, wenn auf Urkunden Bezug genommen wird, die nicht Bestandteil des Titels sind, oder wenn die Leistung nur aus dem Inhalt anderer Schriftstücke ermittelt werden kann. Eine Aussetzung „in Höhe des vollen Kürzungsbetrags“ verstößt gegen § 33 VersAusglG, weil sie sich allein an dem dynamischen Kürzungsbetrag orientiert und die Aussetzung der Kürzung die Höhe des fiktiven gesetzlichen Unterhaltsanspruchs übersteigen kann. Dieser Tenor würde sich nicht nur auf die Kürzung durch Splitting nach § 1587b Abs. 1 BGB a.F. beschränken, sondern auch zur Aussetzung der Kürzung durch erweitertes Splitting nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG führen. Dies sieht § 32 VersAusglG gerade nicht vor.

     

    Zutreffend hat das OLG die Kürzung der Rente des M erst für die Zeit ab dem 1.8.10 ausgesetzt. Nach § 34 Abs. 3 VersAusglG wirkt die Anpassung ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Antragstellung folgt. Der eindeutige Gesetzeswortlaut lässt keine abweichende Ermessensausübung zu.

     

    Praxishinweis

    Das Unterhaltsprivileg der §§ 33, 34 VersAusglG ermöglicht es, die durch rechtskräftige, wirksame VA-Entscheidung ausgelöste Rentenkürzung des Ausgleichspflichtigen auszusetzen. Die Aussetzung wirkt gemäß § 33 Abs. 1 VersAusglG so lange, wie der Ausgleichsberechtigte aus dem mit VA erworbenen Anrecht noch keine Rente erhalten kann, also bis er tatsächlich Rente bezieht. Der Pflichtige muss den Versorgungsträger, bei dem die Kürzung ausgesetzt ist, unverzüglich informieren, wenn die Rente beginnt, § 34 Abs. 5 VersAusglG. Dann entscheidet der Versorgungsträger, ob die Aussetzung der Versorgungskürzung beendet wird, § 34 Abs. 6 S. 1 VersAusglG. Kommt der Pflichtige dieser Pflicht nicht nach, macht er sich schadenersatzpflichtig. Er muss den Versorgungsträger nach § 34 Abs. 5 VersAusglG auch über den Wegfall oder Änderungen seiner Unterhaltszahlungen, über den Bezug einer laufenden Versorgung nach § 32 VersAusglG und über die Wiederheirat oder Tod der Ausgleichsberechtigten informieren. Nur im Fall einer Unterhaltsänderung entscheidet nach § 34 Abs. 6 S. 2 VersAusglG das FamG. Die Aussetzung der Versorgungskürzung erfolgt nur auf Antrag, zu dem nach § 34 Abs. 2 S. 1 VersAusglG beide Ehegatten berechtigt sind. Da die Anpassung gemäß § 34 Abs. 3 VersAusglG frühestens ab dem auf die Antragstellung folgenden Monat wirkt, sollte der Antrag vor Eintritt der Voraussetzungen des § 33 VersAusglG gestellt werden, seit dem 1.9.09 beim FamG (§ 34 Abs. 1 VersAusglG). Für die örtliche Zuständigkeit gilt § 218 FamFG.

     

    Ist der Pflichtige bei Rechtskraft der Entscheidung über den VA noch nicht Rentner, kann er die Aussetzung der Versorgungskürzung erst ab Rentenbeginn beantragen. Der Antrag leitet ein selbstständiges Verfahren über den VA nach § 111 Nr. 7, § 217 FamFG ein. Da es sich nicht um eine Streitsache nach § 112 FamFG handelt, besteht kein Anwaltszwang. Der Verfahrenswert richtet sich nach § 50 Abs. 1, 3 FamGKG. Für jedes verfahrensgegenständliche Anrecht sind 10 Prozent des Dreimonatseinkommens der Eheleute zugrunde zu legen (OLG Celle FamRB 13, 17).

     

    MERKE |  Nach neuem Recht muss die Aussetzung der Versorgungskürzung auch beantragt werden, wenn der Ausgleichspflichtige bei Rechtskraft der Entscheidung über den VA bereits Rente bezieht. Das Rentnerprivileg, wonach eine bereits laufende Rente/Pension in der bisherigen Höhe weitergezahlt wurde, bis auch der Ausgleichsberechtigte rentenberechtigt wurde, ist mit der Reform zum 1.9.09 beseitigt worden. Der Antrag kann nicht im Scheidungsverbund gestellt werden, weil die Kürzung nur ausgesetzt werden kann, wenn sie bereits wirksam eingetreten ist (Wick FuR 11, 605; str.). Ein Rentner kann den Antrag dennoch schon vor Rechtskraft der Scheidung stellen. So wird gesichert, dass ab Rechtskraft der im Scheidungsverbund getroffenen Entscheidung über den VA über den Antrag im selbstständigen Verfahren entschieden werden kann und dass die Aussetzung sofort nach Eintritt der Versorgungskürzung wirksam wird.

     

     

    Quelle: Ausgabe 05 / 2013 | Seite 82 | ID 35508960