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  • · Fachbeitrag · Steuerhinterziehung

    Umsatzsteuerhinterziehung bei Goldhandelsgeschäften

    von StA Katrin Steinlein, Ladenburg/Karlsruhe

    | Es bleibt dabei: Täter einer Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO kann nur sein, wer selbst zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist. Liegt diese Voraussetzung nur beim „Vordermann“, nicht aber beim „Hintermann“ vor, so ist der „Hintermann“ bei dessen pflichtwidrigem Unterlassen nicht Mittäter i.S. des § 25 Abs. 2 StGB (BGH 9.4.13, 1 StR 586-12, Abruf-Nr. 131546 ). |

    1. Sachverhalt

    Das LG hatte den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in mehreren Fällen (Tatkomplex I) sowie wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in mehreren Fällen (Tatkomplex II) zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.

     

    1.1 Tatkomplex I

    Der Angeklagte war führendes Mitglied einer Gruppe, die sich zusammengeschlossen hatte, um bei Verkäufen von „schwarz“ - also ohne Umsatzsteuer beschafftem - Altgold systematisch einen „Umsatzsteuergewinn“ zu erwirtschaften. Dabei wurden Scheideanstalten mit Altgold beliefert. Als liefernde Unternehmer (Einlieferer) traten teilweise führende Mitglieder der Gruppe, hauptsächlich aber Personen auf, die zu diesem Zwecke angeworben worden waren und lediglich als „Strohleute“ fungierten. Die Scheideanstalten überwiesen diesen Einlieferern beim Ankauf des Goldes den Bruttokaufpreis und rechneten mit ihnen unter Ausweis von Umsatzsteuer im Gutschriftsverfahren (§ 14 Abs. 2 S. 2 UStG) ab. Die Einlieferer reichten den überwiesenen Betrag unter Einbehalt einer geringfügigen „Provision“ an führende Mitglieder der Gruppe weiter.

     

    Anschließend wurden innerhalb der Gruppe Scheinrechnungen erstellt, die die Einlieferer in die Lage versetzten, in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen die sich aus den Goldverkäufen ergebende Zahllast durch sich aus den Scheinrechnungen ergebende Vorsteuer zu minimieren. Soweit die Einlieferer teilweise unter Falschpersonalien auftraten, wurde auf die Erstellung solcher Scheinrechnungen verzichtet. Die Einlieferer hielten sich im Wesentlichen an die gemachten Vorgaben, teilweise gaben sie jedoch trotz erstellter Scheinrechnungen absprachewidrig keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab.

     

    Das LG hatte sämtliche im Zusammenhang mit der Belieferung der Goldscheideanstalten begangenen Taten als auch von dem Angeklagten als Täter gemeinschaftlich bewirkte Umsatzsteuerhinterziehungen angesehen. Soweit die Einlieferer Vorsteuern aus Scheinrechnungen geltend gemacht hatten (Taten nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO), habe der Angeklagte - zuständig für die „Logistik“ der Scheinrechnungen - dies maßgeblich mitbewirkt. Soweit die Einlieferer „Strohleute“ der führenden Bandenmitglieder waren und keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben hatten (Taten nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO), sei der Angeklagte neben den weiteren führenden Mitgliedern als „Mitunternehmer“ verpflichtet gewesen, für die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen Sorge zu tragen. Hatten hingegen führende Bandenmitglieder, also keine „Strohleute“, die Goldscheideanstalten selbst beliefert und keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben, müsse sich der Angeklagte jedenfalls deren Pflichtwidrigkeit nach § 25 Abs. 2 StGB zurechnen lassen.

     

    1.2 Tatkomplex II

    Der Angeklagte hatte außerhalb der Bande weitere Unterstützungshandlungen zu vergleichbaren Taten geleistet, die das LG als Beihilfe zur Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 27 StGB gewertet hatte.

    2. Entscheidungsgründe

    Der BGH hat auf die Revision des Angeklagten das Urteil im Tatkomplex I teilweise im Schuldspruch abgeändert, insoweit die Einzelstrafaussprüche sowie den Gesamtstrafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen. Im Übrigen wurde die Revision verworfen. Zur Verurteilung des Angeklagten wegen täterschaftlicher Steuerhinterziehungen (Tatkomplex I) hat der BGH im Wesentlichen ausgeführt:

     

    2.1 Durch unrichtige Angaben bewirkte Steuerhinterziehungen

    Das LG hatte zu Recht den Angeklagten wegen gemeinschaftlich begangener Steuerhinterziehungen nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 25 Abs. 2 StGB verurteilt. Die Einlieferer hatten Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben, die wegen des Vorsteuerabzugs aus Scheinrechnungen falsch waren. Dies musste der Angeklagte sich zurechnen lassen. Insoweit verweist der BGH auf seine bisherige Rechtsprechung, nach der (Mit-)Täter einer Straftat nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, also durch aktives Tun, „jedermann“ sein kann, bei dem die Voraussetzungen einer gemeinschaftlichen Begehungsweise i.S. von § 25 Abs. 2 StGB gegeben sind (ständige Rechtsprechung - nur BGH 6.10.89, 3 StR 80/89, wistra 90, 100). Dass er die Tatbeiträge lediglich im Vorfeld der Abgabe der Steuererklärungen erbracht hatte, war ohne Bedeutung (BGH 25.9.12, 1 StR 407/12, DStR 13, 268, PStR 13, 32).

     

    2.2 Steuerhinterziehungen durch pflichtwidriges Unterlassen

    Soweit das LG den Angeklagten wegen gemeinschaftlicher Steuerhinterziehungen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verurteilt hatte, hat der BGH zwischen der eigenen Pflichtenstellung des Angeklagten und der Zurechnung des pflichtwidrigen Unterlassens weiterer Tatbeteiligter differenziert.

     

    2.2.1 Eigene Pflichtenstellung des Angeklagten

    In den Fällen, in denen die Einlieferer keine Umsatzsteuervoranmeldungen über ihre Goldverkäufe an die Scheideanstalten abgegeben hatten, und es sich bei ihnen um „Strohleute“ handelte, hatte das LG im Ergebnis zu Recht den Angeklagten als Mittäter einer Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO angesehen. Denn in diesen Fällen war der Angeklagte einer ihm obliegenden Verpflichtung, für die „Strohleute“ über diese Goldverkäufe Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben, nicht nachgekommen. Er stand zwar selbst in keiner Leistungsbeziehung zu den Scheideanstalten, weil allein die Einlieferer, auch soweit sie nur „Strohleute“ waren, gegenüber den Scheideanstalten aufgetreten waren: Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Dies gilt auch, wenn an den Vereinbarungen „Strohleute“ beteiligt sind, denn auch ein „Strohmann“ kann Unternehmer und Leistender i.S. des UStG sein. Unbeachtlich ist ein „vorgeschobenes“ Strohmanngeschäft zwar dann, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wird, d.h. wenn beide Vertragsparteien einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem „Hintermann“ eintreten sollen (§ 41 Abs. 2 AO; BFH 12.5.11, V R 25/10, DStRE 11, 1326; BFH 31.1.02, V B 108/01, DStR 02, 762; BGH 22.5.03, 5 StR 520/02, wistra 03, 344; Heidner in Bunjes, UStG, 11. Aufl., § 3 Rn. 98 ff.). Für die Scheideanstalten bestanden aber keine Anhaltspunkte, dass die Einlieferer nur für „Hintermänner“ tätig wurden und ihnen lediglich die Funktion eines „Rechnungsschreibers“ bzw. hier „Gutschriftsempfängers“ zukam. Damit waren die Einlieferer (und nicht der Angeklagte) als an die Scheideanstalten leistende Unternehmer anzusehen, obwohl sie nur „Strohleute“ waren.

     

    Eine eigenständige Verpflichtung des Angeklagten, über die Goldverkäufe für die „Strohleute“ Umsatzsteuervoranmeldungen einzureichen, leitete sich indes - so jetzt der BGH - aus § 35 AO her. Nach dieser Vorschrift hat derjenige, der als Verfügungsberechtigter auftritt, dieselben steuerlichen Pflichten wie ein gesetzlicher Vertreter, soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann. Diese Voraussetzungen lagen vor. Den Feststellungen ließ sich entnehmen, dass die „Strohleute“ die Goldgeschäfte wirtschaftlich völlig aus der Hand gegeben hatten und sich im Verhältnis zu den führenden Bandenmitgliedern, also auch dem Angeklagten, in einer „arbeitnehmerähnlichen Stellung“ befanden. Dieser trat auch nach außen - zumindest gegenüber einer begrenzten Öffentlichkeit (BFH 5.8.10, V R 13/09, BFH/NV 11, 81, PStR 11, 56) - als Verfügungsberechtigter auf und wäre zumindest mittelbar (BFH 16.3.95, VII R 38/94, BStBl II 95, 859) rechtlich und tatsächlich in der Lage gewesen, die in Rede stehenden Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben. Dies hatte er pflichtwidrig i.S. von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO unterlassen.

     

    2.2.2 Zurechnung des pflichtwidrigen Unterlassens weiterer Tatbeteiligter?

    In den Fällen, in denen es sich bei den Einlieferern nicht um „Strohleute“, sondern ebenfalls führende Bandenmitglieder handelte, ist der BGH der Ansicht des LG, der Angeklagte sei auch insoweit Mittäter der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, nicht gefolgt. Er hat daher in den betreffenden Fällen das Urteil im Schuldspruch auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung abgeändert.

     

    Eigene Erklärungspflichten schieden in dieser Konstellation aus; namentlich die Voraussetzungen des § 35 AO lagen in dieser Fallgestaltung nicht vor. Aber auch der Auffassung des LG, der Angeklagte habe sich in diesen Fällen das pflichtwidrige Unterlassen der anderen führenden Bandenmitglieder zurechnen lassen müssen, weil die allgemeinen Voraussetzungen von Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) vorgelegen hätten, ist der BGH nicht gefolgt. Der BGH hat vielmehr an seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO festgehalten (BGH 12.11.86, 3 StR 405/86, wistra 87, 147), nach der Täter einer solchen, also durch Unterlassen begangenen Steuerhinterziehung nur derjenige sein kann, der selbst - sei es nach den Steuergesetzen, sei es nach strafrechtlichen Garantiegrundsätzen (hierzu Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 370 Rn. 161 ff.) - zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist.

     

    Zwar ergebe sich aus § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO keine Beschränkung des Täterkreises auf den Steuerpflichtigen, was aus der Formulierung des § 370 Abs. 1 AO, normstrukturellen Erwägungen sowie aus dem Schutzzweck des § 370 AO folge. Hieraus ergebe sich jedoch nicht, dass Täter durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO auch derjenige sein könne, der nicht selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet sei. Einer Zurechnung fremder Pflichtverletzungen stehe der Wortlaut der Norm (Art 103 Abs. 2 GG) entgegen, der allein auf das Verhalten des Täters selbst abstelle.

    3. Praxishinweis

    Dem Urteil des BGH können für Fälle der Umsatzsteuerhinterziehung folgende bedeutsame Gesichtspunkte entnommen werden:

     

    • Geht es um die umsatzsteuerrechtliche „Zurechnung“ von Ausgangsumsätzen (Lieferungen/sonstigen Leistungen), sind grundsätzlich die zivilrechtlichen Vereinbarungen maßgeblich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Leistungsempfänger insoweit „gutgläubig“ ist.

     

    • Der BGH hat an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten, nach der nur derjenige Täter einer Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO sein kann, der eine eigene Pflicht zur Offenbarung steuerlich erheblicher Tatsachen gegenüber den Finanzbehörden hat. Die Zurechnung der Pflichtverletzungen anderer Tatbeteiligter scheidet aus. Die vom BGH ehemals angedeutete Möglichkeit (BGH 1.2.07, 5 StR 372/06, NJW 07, 1294 Rn. 27), auch bei § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO die strafrechtliche Verantwortlichkeit bei einem Hintermann, dem keine eigenen Offenbarungspflichten gegenüber den Finanzbehörden obliegen, über den „Rechtsgedanken der mittelbaren Täterschaft“ zu begründen, dürfte damit ebenfalls nunmehr verschlossen sein.

     

    • Eine eigene Pflichtenstellung des Hintermanns kann sich aus § 35 AO ergeben, wenn der „Vordermann“ ein von ihm vorgeschobener „Strohmann“ in „arbeitnehmerähnlicher Stellung“ ist. Bei der Auslegung des § 35 AO wird der Tatrichter sein Augenmerk insbesondere auf die Frage zu richten haben, inwieweit der Hintermann als Verfügungsberechtigter i.S. von § 35 AO nach außen aufgetreten ist. Tut er dies zumindest gegenüber einer „begrenzten Öffentlichkeit“, so genügt dies auch dann, wenn er das Auftreten gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit weisungsabhängigen Personen überlässt. Daneben ist sorgfältig zu prüfen, inwieweit der Hintermann nicht nur tatsächlich, sondern auch - zumindest mittelbar - rechtlich in der Lage war, die steuerlichen Pflichten des „Strohmanns“ zu erfüllen.
    Quelle: Ausgabe 06 / 2013 | Seite 142 | ID 39546770