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  • · Fachbeitrag · Weihnachtsgratifikation

    Zahlung der Weihnachtsgratifikation nach freiem Ermessen hält AGB-Kontrolle stand

    von DirArbG Dr. Guido Mareck, Siegen

    Behält sich der ArbG im Arbeitsvertrag vor, die Höhe einer Weihnachtsgratifikation jeweils jährlich neu festzusetzen, hält eine solche Klausel der AGB-Kontrolle stand. Die Festsetzung hat nach billigem Ermessen zu erfolgen, die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts durch den ArbG ist gerichtlich überprüfbar (BAG 16.1.13, 10 AZR 26/12, Abruf-Nr. 131305).

     

    Sachverhalt

    Der ArbN und der ArbG, ein Unternehmen der Metallindustrie, haben arbeitsvertraglich folgende Vereinbarung getroffen:

     

    „Dem ArbN steht eine jährliche Weihnachtsgratifikation in einer vom ArbG jeweils pro Jahr festgelegten Höhe zu.“

     

    In den Jahren 2007 bis 2010 zahlte der ArbG jeweils unterschiedlich hohe Beträge an den ArbN als Weihnachtsgratifikation. Der ArbN hält die arbeitsvertragliche Regelung für unwirksam und verlangt die Zahlung eines Weihnachtsgelds nach den Tarifgewerken der Metallindustrie.

     

    Entscheidungsgründe

    Der 10. Senat des BAG hat die Zahlungsklage mit der Begründung abgewiesen, ein Anspruch des ArbN aus § 612 BGB in Verbindung mit den tariflichen Vorschriften der Metallindustrie über Sonderzahlungen würde zunächst die Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Klausel über die jährliche Weihnachtsgratifikation voraussetzen. Diese Klausel sei aber wirksam und halte insbesondere einer Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB stand.

     

    Die Klausel enthalte keinen nach § 308 Nr. 4 BGB unzulässigen Änderungsvorbehalt. Der ArbG habe nämlich nicht die Möglichkeit, eine versprochene Leistung nachträglich zu ändern. Er könne nur die Höhe der Leistung erstmals festsetzen. Diese Leistungsfestsetzung müsse jedoch billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB entsprechen. Nur die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts durch den ArbG sei gerichtlich überprüfbar. Die Leistungsbestimmung in den streitgegenständlichen Jahren durch den ArbG habe der ArbN im Rahmen seiner Zahlungsklage aber gerade nicht angegriffen.

     

    Die Klausel im Arbeitsvertrag sei auch nicht intransparent und damit nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam. Der Bestimmung sei eindeutig zu entnehmen, dass sich der ArbG vorbehalte, die Höhe der Weihnachtsgratifikation in jedem Jahr neu festzusetzen. Zwar seien in der Klausel keine weiteren Kriterien für diese Festsetzung durch den ArbG genannt. Die Ausübung der Leistungsbestimmung müsse aber nach billigem Ermessen gem. § 315 BGB erfolgen und sei gerichtlich überprüfbar. Die hieraus resultierende Unsicherheit für den ArbN sei schon deswegen hinnehmbar, weil der ArbG auch die rechtliche Möglichkeit gehabt hätte, durch einen arbeitsvertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalt einen Rechtsanspruch für die Zukunft völlig auszuschließen.

     

    Auch eine unangemessene Benachteiligung des ArbN gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB liege nicht vor. Einseitige Leistungsbestimmungsrechte in Verträgen seien grundsätzlich, wie schon § 315 BGB zeige, gesetzlich anerkannt.

     

    Die Formulierung der Klausel zeige darüber hinaus, dass mit der Weihnachtsgratifikation nicht etwa besondere Leistungen des ArbN im Bezugszeitraum honoriert werden sollten. Vielmehr sollte allein der Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt Anknüpfungspunkt für die Gewährung sein. Damit bestehe nicht die möglicherweise den ArbN benachteiligende Möglichkeit für den ArbG, zum einen die leistungssteuernde Wirkung des Gratifikationsversprechens für die Zukunft zu nutzen und zum anderen die Entscheidung über die Höhe der Zahlung allein von seinem Willen abhängig zu machen.

     

    Da die Gratifikationsklausel keine spezifischen Leistungsanreize für den ArbN setzte, die nachträglich hätten frustriert werden können und der ArbN die Leistungsbestimmung als solche durch den ArbG in den Jahren 2007 bis 2010 nicht konkret beanstandet hat, unterlag die Zahlungsklage in der Revisionsinstanz der Abweisung.

     

    Praxishinweis

    Das Urteil des 10. Senats räumt dem ArbG einen relativ weiten Spielraum zur flexiblen Gestaltung arbeitsvertraglicher Gratifikationsregelungen ein. Neben Freiwilligkeitsvorbehalten (oder den wegen der Schwierigkeiten bei der Formulierung der Widerrufsgründe nicht zu empfehlenden Widerrufsvorbehalten) kann sich der ArbG auch die Zahlung einer Gratifikation nach billigem Ermessen vorbehalten.

     

    Dies hat für den ArbG aber den Nachteil, dass er so einen Rechtsanspruch des ArbN auf die „freiwillige“ Leistung für die Zukunft gerade nicht ausschließt, sondern sich nur die Entscheidung über die konkrete Höhe für jedes Jahr vorbehält.

     

    Zwar kann eine solche Entscheidung, die - wie das BAG betont g- gerichtlich überprüfbar ist, in Ausnahmefällen auch eine Höhe der Zahlung von „Null“ ergeben. Der ArbG muss dann aber anhand konkreter Tatsachen, wie zum Beispiel Umsatz- und Gewinneinbrüchen, darlegen und beweisen können, warum nur eine solche Festsetzung der Leistung gerechtfertigt war.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Intransparente Rückzahlungsklauseln im Fortbildungsvertrag: BAG AA 13, 81
    • Inhaltskontrolle der Pauschalabgeltung von Überstunden: BAG AA 12, 188
    • Dienstwagen-Rückgabeklausel bei Freistellung: BAG AA 12, 163
    Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 116 | ID 39996390