Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Unterhalt nach § 1615l BGB

    Unterhalt für die Vergangenheit bei § 1615l BGB

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    • 1. § 1615l Abs. 3 BGB enthält eine Rechtsgrundverweisung auf § 1613 BGB, weshalb für die Geltendmachung von Unterhalt für die Vergangenheit grundsätzlich die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB vorliegen müssen, also namentlich eine Aufforderung zur Auskunft oder eine Inverzugsetzung.
    • 2. Ebenso wie beim Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB ist auch ein Antrag auf künftigen Betreuungsunterhalt gemäß § 1615l BGB nur abzuweisen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung für die Zeit nach Vollendung des 3. Lebensjahres absehbar keine kind- und elternbezogenen Verlängerungsgründe mehr vorliegen.
    • 3. Tatbestandliche Feststellungen des Beschwerdegerichts in einer Familienstreitsache können nicht mit der Verfahrensrüge aus § 74 Abs. 3 S. 3, § 71 Abs. 3 Nr. 2b FamFG oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Rechtsbeschwerdegegners angegriffen werden, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V. mit 320 ZPO.
     

    Sachverhalt

    Die Antragstellerin (Mutter) nimmt den Antragsgegner (Vater) auf Betreuungsunterhalt (§ 1615l BGB) in Anspruch. Die Beteiligten sind die nicht verheirateten Eltern eines im April 10 geborenen Kindes. Der Vater hat die Vaterschaft für das Kind im Juni 10 anerkannt. Die Mutter forderte ihn mit Schreiben vom 17.3.11 auf, rückständigen und laufenden Betreuungsunterhalt in Höhe der Differenz zwischen dem Mindestunterhaltsbedarf einer Nichterwerbstätigen von (seinerzeit) 770 EUR und der von ihr bezogenen Erwerbsunfähigkeitsrente zu zahlen. Das AG hat ihn für die Zeit ab April 10 in beantragter Höhe verurteilt. Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen. Gegen die Verpflichtung, Unterhalt für den Zeitraum von Juli 10 bis Februar 11 und für die Zeit ab Mai 13 in einer einen bestimmten Betrag übersteigenden Höhe zu leisten, wendet sich der Vater erfolgreich mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde.

     

    Entscheidungsgründe

    § 1615l Abs. 3 S. 1 BGB enthält auch eine Verweisung auf § 1613 BGB, der damit ohne Modifikation anzuwenden ist. Es handelt sich um eine Rechtsgrundverweisung. Für die Geltendmachung von Unterhalt für die Vergangenheit müssen die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 S. 1 BGB vorliegen, also eine Aufforderung zur Auskunft, eine Inverzugsetzung oder aber die Rechtshängigkeit des Unterhaltsanspruchs. Dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift als auch aus dem Willen des Gesetzgebers sowie einer teleologischen Auslegung. Deshalb hätte die Mutter den Vater nach dessen Vaterschaftsanerkennung wegen des Betreuungsunterhalts zur Auskunft auffordern, in Verzug setzen oder den Unterhaltsanspruch rechtshängig machen müssen. Sie hätte i.V. mit § 1613 Abs. 2 Nr. 2a BGB einen lückenlosen Unterhaltsanspruch geltend machen können.

     

    Der Betreuungsunterhalt ist nach der Systematik des § 1570 BGB nicht zu befristen. Danach steht dem betreuenden Elternteil ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt für mindestens drei Jahre nach der Geburt mit Verlängerungsmöglichkeit aus kind- und elternbezogenen Gründen zu. Der Betreuungsunterhalt während der ersten drei Lebensjahre des Kindes und ein daran anschließender weiterer Betreuungsunterhalt bilden somit einen einheitlichen Unterhaltsanspruch. Nur dann, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung für die Zeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres absehbar keine kind- und elternbezogenen Verlängerungsgründe mehr vorliegen, ist ein Antrag auf künftigen Betreuungsunterhalt abzuweisen. Diese Grundsätze gelten auch für den Unterhaltsanspruch aus § 1615l BGB. Denn beide Ansprüche unterscheiden sich nicht voneinander, was sich schon aus dem Wortlaut der Vorschriften ergibt.

     

    Die Leistungsfähigkeit des Vaters ist nicht richtig beurteilt worden. Das OLG hat seinen Selbstbehalt nach Abzug des Bedarfs der Antragstellerin berechnet, ohne den Kindesunterhalt zu berücksichtigen. Damit hat es gegen den Grundsatz verstoßen, dass der im Rang vorgehende Kindesunterhalt zunächst von dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen hätte abgezogen werden müssen.

     

    Entgegen der Rüge, beruht das Einkommen des Vaters nicht auf unzureichenden Feststellungen. Die Höhe des Einkommens ist im unstreitigen Teil des Tatbestands enthalten. Diese tatbestandlichen Feststellungen können nicht mit der Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 ZPO angegriffen werden. Vielmehr muss dies mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden. Dies gilt auch für Familienstreitsachen, wie sich aus § 74 Abs. 3 S. 3, § 71 Abs. 3 Nr. 2b FamFG und § 113 Abs. 1 FamFG i.V. mit § 320 ZPO ergibt.

     

    Praxishinweis

    Vor der Feststellung der Vaterschaft fällig gewordener Unterhalt kann nach § 1615l Abs. 3 S. 3, § 1613 Abs. 2 Nr. 2a BGB ohne Rücksicht auf § 1613 Abs. 1 BGB verlangt werden.

     

    Im Übrigen hat der BGH nun entschieden, dass sich Unterhalt für die Vergangenheit voll umfänglich nach § 1613 Abs. 1 BGB ohne Modifikationen richtet. Damit ist er der Auffassung nicht gefolgt, dass Unterhalt rückwirkend für die Zeit von einem Jahr seit erstmaliger Entstehung des Anspruchs bzw. jeweils ein Jahr rückwirkend ohne Inverzugsetzung bzw. Rechtshängigkeit des Anspruchs verlangt werden kann.

     

    Weiterführende Hinweise

    • BGH FamRZ 09, 770, zu Gründen für die Verlängerung des Betreuungsunterhalts
    • FK 14, 122, zu den Ansprüchen nach § 1615l BGB gegen den Vater (in diesem Heft)
    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 112 | ID 42737202