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  • · Fachbeitrag · Übertragung der Entscheidungsbefugnis

    Standardimpfung: Impfwilliger Elternteil darf entscheiden

    | Bei Uneinigkeit der Eltern über die Durchführung einer (Standard-)Impfung kann die Entscheidungsbefugnis dem Elternteil, der die Impfung des Kindes entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut befürwortet (sog. STIKO), jedenfalls übertragen werden, wenn bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorliegen. Ein konkreter Impfanlass muss nicht bestehen ( BGH 3.5.17, XII ZB 157/16, Abruf-Nr. 194155 ). |

     

    Mit dieser Entscheidung hat der BGH die erstinstanzliche Entscheidung des OLG Thüringen bestätigt (FK 16, 73, Abruf-Nr. 146717). Der Senat schließt sich der wohl h. M. an (KG FamRZ 06, 142; OLG Frankfurt FamRZ 16, 834; OLG Karlsruhe 2.6.15, 18 UF 117/15; Staudinger/Peschel-Gutzeit, BGB [2015], § 1628 Rn. 29; MüKo/Huber, BGB, 7. Aufl., § 1628 Rn. 14; Palandt/Götz, BGB, 76. Aufl., § 1687 Rn. 7; BeckOGK/Mehrle, BGB [Stand: 15.11.16], § 1687 Rn. 63; jurisPK-BGB/Poncelet [Stand: 15.10.16], § 1687 Rn. 21) und hält auch eine sog. Standard- oder Routineimpfung eines Kindes für eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind. Sowohl das durch eine Impfung vermeidbare und mit möglichen Komplikationen verbundene Infektionsrisiko als auch das Risiko einer Impfschädigung belegen, dass es sich nicht nur um eine Alltagsangelegenheit handelt.

     

    Die Amtsermittlungspflicht gem. § 26 FamFG führt nicht dazu, dass ein Sachverständigengutachten einzuholen wäre. Denn die Empfehlungen der STIKO sind als medizinischer Standard anerkannt. Bei einer Impfempfehlung der STIKO ist davon auszugehen, dass aufgrund von sachverständigen Erkenntnissen der hierfür eingesetzten Expertenkommission der Nutzen der Impfungen deren Risiken überwiegt. Dagegen spricht nicht, dass keine gesetzliche Impfpflicht besteht.

     

    Zutreffend ist, dass öffentliche Empfehlungen eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Lebensumstände des betroffenen Kindes nicht ersetzen können. Dieser Hinweis stellt aber das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung nicht infrage. Denn das OLG hat die individuellen Lebensumstände des Kindes durchaus gewürdigt.

     

    MERKE | Die aufgrund § 1628 BGB zu treffende Entscheidung des Familiengerichts richtet sich gem. § 1697a BGB nach dem Kindeswohl. Die Entscheidungskompetenz ist dem Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird. Möglich ist aber auch eine sog. Negativentscheidung. Wenn keiner der von den Eltern gemachten Vorschläge mit dem Kindeswohl vereinbar ist, oder wenn eine Bewahrung des gegenwärtigen Zustands als die bessere Konfliktlösung erscheint, kann das Familiengericht auch den Antrag zurückweisen.

     

    Ein Verfahren gem. § 1628 BGB kann für das Familiengericht auch Anlass sein, von Amts wegen ein Verfahren gem. § 1666 BGB einzuleiten.

     
    Quelle: Ausgabe 07 / 2017 | Seite 109 | ID 44714290