Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Ehegattenunterhalt

    Quotenunterhalt versus konkrete Bedarfsberechnung

    von VRiOLG a.D. Dr. Jürgen Soyka, Meerbusch

    | Der BGH hält es auch bei günstigen Einkommensverhältnissen unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig, den Unterhalt anhand der Quotenmethode zu ermitteln. |

    Sachverhalt

    Die Beteiligten sind getrennt lebende Ehegatten. Im Scheidungsverbundverfahren streiten sie in der Folgesache zum nachehelichen Unterhalt und über Auskunftspflichten des Antragstellers (M). Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Die Ehefrau (F) bezieht eine Rente wegen Berufsunfähigkeit und bewohnt ein in ihrem Alleineigentum stehendes Einfamilienhaus. Der M ist als Anwalt und Notar Seniorpartner einer Sozietät. Zwischen den Beteiligten schwebt ein Verfahren über Trennungsunterhalt. Die F nimmt den M, der sich für „unbegrenzt leistungsfähig“ erklärt hat, im Wege des Stufenantrags noch auf Auskunft über sein Einkommen sowie entsprechende Vorlage von Belegen in Anspruch. Das AG hat den Antrag durch Teilbeschluss abgewiesen, weil die F wegen des von ihr konkret bezifferten Unterhalts auf die Auskunft nicht angewiesen sei. Auf die Beschwerde der F hat das OLG dem Antrag im Wesentlichen stattgegeben. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde blieb erfolglos.

     

    • 1. Der Anspruch auf Auskunft über das Einkommen des Unterhaltspflichtigen ist bereits gegeben, wenn die Auskunft für den Unterhaltsanspruch Bedeutung haben kann (im Anschluss an Senatsurteile FamRZ 94, 1169; 82, 996).
    • 2. Es ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Tatsachengerichte i. S. e. tatsächlichen Vermutung davon ausgehen, dass ein Familien-einkommen bis zur Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommensbetrags vollständig für den Lebensbedarf der Familie verwendet worden ist. Der Unterhaltsbedarf kann in diesem Fall ohne Darlegung der konkreten Einkommensverwendung nach der Einkommensquote bemessen werden (teilweise Aufgabe von Senatsurteil FamRZ 10, 1637).
    • 3. Soweit das Einkommen darüber hinausgeht, hat der Unterhaltsberechtigte, wenn er dennoch Unterhalt nach der Quotenmethode begehrt, die vollständige Verwendung des Einkommens für den Lebensbedarf darzulegen und im Bestreitensfall in vollem Umfang zu beweisen.
    • 4. Ein Auskunftsanspruch gegen den Unterhaltspflichtigen ist immer schon dann gegeben, wenn unabhängig von der tatsächlichen Vermutung der Einkommensverwendung eine Darlegung des Bedarfs nach der Quotenmethode in Betracht kommt. Aufgrund der Erklärung des Unterhaltspflichtigen, er sei „unbegrenzt leistungsfähig“, entfällt der Auskunftsanspruch noch nicht (Fortführung von Senatsurteil FamRZ 94, 1169).
     

    Entscheidungsgründe

    Der Auskunftsanspruch beruht auf § 1580 BGB. Die Auskunftspflicht besteht ab Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags. Sie besteht nicht, wenn feststeht, dass die Auskunft den Unterhaltsanspruch oder die Unterhaltspflicht unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen kann. Die Auskunft zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen wirkt sich vor allem auf den Bedarf, die Bedürftigkeit und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen aus. Daher ist kein Auskunftsanspruch gegeben, wenn der Unterhaltsanspruch ersichtlich bereits aus anderen Gründen, als den wirtschaftlichen Verhältnissen, nicht besteht. Ein solcher Fall ist aber nicht gegeben, wenn die jeweiligen Voraussetzungen bzw. ihr Fehlen in die Darlegungs- und Beweislast des Auskunftspflichtigen fällt. Der Auskunftsanspruch dient auch dazu, dass sich der Berechtigte ein Bild von der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen machen und das Prozess- bzw. Verfahrensrisiko verlässlich einschätzen kann.

     

    § 243 S. 1 Nr. 2 FamFG setzt voraus, dass der Unterhaltspflichtige seiner Auskunftspflicht nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist. Die Vorschrift geht damit davon aus, dass eine umfassende Auskunftspflicht besteht, ohne Rücksicht auf die Darlegungs- und Beweislast.

     

    Für den Auskunftsanspruch genügt die Möglichkeit, dass die Auskunft Einfluss auf den Unterhalt hat. Wenn dies nicht ausgeschlossen erscheint, dass die Auskunft nach den ausgeführten Maßstäben für die Bemessung des Unterhalts benötigt wird, bleibt es bei der voll umfänglichen Auskunftspflicht.

     

    Wenn sich der Unterhaltspflichtige für „unbegrenzt leistungsfähig“ erklärt, beschränkt sich diese Erklärung auf den Verzicht des Einwands fehlender oder eingeschränkter Leistungsfähigkeit. Folge: Das Gericht muss den Unterhalt ohne Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen festsetzen. Dieser Aspekt ist nur auf die Leistungsfähigkeit beschränkt. Damit steht noch nicht fest, dass auch der Unterhaltsbedarf ohne Rücksicht auf die Höhe des Einkommens oder des Vermögens ermittelt werden kann.

     

    Für die Bedarfsbemessung gilt § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB. Maßgeblich sind die ehelichen Lebensverhältnisse. Entscheidend ist das Familieneinkommen. In den meisten Fällen wird der Unterhalt nach einer Quote des Gesamteinkommens der Ehegatten ermittelt. Nach dieser Methode wird i. S. e. tatsächlichen Vermutung davon ausgegangen, dass im Wesentlichen das gesamte Einkommen zu Konsumzwecken verbraucht wird. Dies ist die Rechtfertigung dafür, den Halbteilungsgrundsatz anzuwenden, wonach das Familieneinkommen hälftig auf beide Ehegatten verteilt wird.

     

    Bei günstigen Einkommensverhältnissen ist nicht mehr ohne Weiteres davon auszugehen, dass das Einkommen ausgegeben worden ist, um den Lebensstandard zu bestreiten. Vielmehr liegt hier die Vermutung nahe, dass ein Teil des Einkommens der Vermögensbildung zufließt. Da der Unterhaltsbedarf allein dazu bestimmt ist, den laufenden Lebensbedarf abzudecken, muss der Berechtigte vortragen, in welchem Umfang das Familieneinkommen für den Konsum verbraucht worden ist.

     

    Auch in solchen Fällen ist die Quotenbedarfsmethode zulässig. Voraussetzung ist: Der Berechtigte trägt mangels tatsächlicher Vermutung für den vollständigen Verbrauch der Einkünfte zu Konsumzwecken zusätzlich vor, dass und in welchem Umfang die hohen Einkünfte verwendet worden sind, um die ehelichen Lebensverhältnisse zu decken. Wenn der Schuldner dem substanziiert widerspricht, bleibt es bei der Darlegungs- und Beweislast des Berechtigten auch für den vollständigen Verbrauch zu Konsumzwecken. Dabei ist es zulässig, wenn die Gerichte von einer tatsächlichen Vermutung für den vollständigen Verbrauch des Familieneinkommens ausgehen, wenn diese das Doppelte des höchsten Einkommensbetrags der Düsseldorfer Tabelle (DT) nicht übersteigt. Soweit das Familieneinkommen darüber hinausgeht, muss der Berechtigte, die vollständige Verwendung des Einkommens für den Lebensbedarf darlegen und ggf. voll beweisen, wenn er Unterhalt nach der Quotenmethode begehrt.

     

    Die Erklärung der unbegrenzten Leistungsfähigkeit steht einem Auskunftsanspruch nicht entgegen, weil weiterhin möglich ist, dass das Einkommen des M für die Bedarfsbemessung bedeutsam bleibt. Dies ist der Fall, wenn es der F gelingen wird, ihren Unterhaltsbedarf, ausgehend von einer Einkommensquote, zu beziffern. Dass Sie für den vollständigen Verbrauch des Einkommens in vollem Umfang darlegungs- und beweisbelastet wäre, schließt die Unterhaltsrelevanz der Einkommensauskunft noch nicht aus, weil das Einkommen weiterhin ein wichtiger Anhaltspunkt für das Konsumverhalten der Ehegatten während des Zusammenlebens sein kann und damit auch die Darlegung des Unterhaltsbedarfs in zulässiger Weise erleichtern kann.

    Relevanz für die Praxis

    Diese Entscheidung dürfte mit Vorsicht zu genießen sein: Wenn man dem Wortlaut folgt, könnte man davon ausgehen, dass eine konkrete Bedarfsberechnung damit gar nicht mehr möglich ist, sondern nur ein Quotenunterhalt, der auch bei höheren Einkünften gegeben sein kann, wenn der Unterhaltsberechtigte beweist, dass die gesamten Einkünfte ausgegeben worden sind, um die Lebenshaltungskosten zu bestreiten.

     

    Sättigungsgrenze liegt beim doppelten Betrag des Höchstbetrags der DT

    Nach Ansicht des BGH ist es nicht zu beanstanden, dass die Sättigungsgrenze bei dem doppelten Betrag des Höchstbetrags der Düsseldorfer Tabelle liegt. In seiner Entscheidung vom 11.8.10 ist er noch davon ausgegangen, dass die Grenze des Quotenbedarfs bei 3/7 des Höchsteinkommens der Düsseldorfer Tabelle liegt (FamRZ 10, 1637). Zwischen den beiden Auffassungen liegen rund 8.000 EUR. Dies erleichtert zwangsläufig die Darlegung des Unterhalts, wenn auch bei sehr hohen Einkünften mit der Einkommensquote gerechnet werden darf, ohne dass der Bedarf konkret darzulegen ist. Die Entscheidung des BGH geht ferner in die Richtung, dass ein Auskunftsanspruch im Hinblick auf den Bedarf nur gegeben ist, wenn Quotenunterhalt verlangt wird, nicht aber bei einer konkreten Bedarfsberechnung. Auch dies widerspricht den bisherigen BGH-Entscheidungen.

     

    Der BGH geht zu Recht davon aus, dass auch bei höheren Einkünften ein konkreter Unterhaltsbedarf sich nicht etwa an den ehelichen Lebensverhältnissen, wie sie tatsächlich angesetzt worden sind, orientiert, sondern dass es auf eine objektive Betrachtungsweise ankommt. Dies ergibt sich aus mehreren Entscheidungen des BGH zur Vermögensbildung, in denen er darauf hingewiesen hat, dass eine Vermögensbildung nur zu berücksichtigen ist, wenn diese nach objektiver Betrachtungsweise angemessen ist. Es kommt also nicht auf die tatsächliche Vermögensbildung und auf die dadurch beeinflussten tatsächlichen ehelichen Lebensverhältnisse an, sondern auf die ehelichen Lebensverhältnisse, die sich ergeben würden, wenn sich die Vermögensbildung im Rahmen des Angemessenen hält (BGH FuR 07, 484).

     

    Diese Rechtsprechung lässt sich auch auf konkrete Bedarfsberechnungen übertragen. Auch in diesen Fällen wären letztlich die tatsächlichen ehelichen Lebensverhältnisse durch die Höhe der Vermögensbildung beeinflusst worden, weil bei unangemessen hoher Vermögensbildung entsprechend bescheidenere eheliche Lebensverhältnisse gegeben wären.

     

    Bezüglich des Auskunftsanspruchs hat der BGH darauf hingewiesen, dass auch bei der konkreten Bedarfsberechnung eine Auskunft erforderlich ist, damit man aufgrund des festgestellten Einkommens überhaupt erst prüfen kann, ob das tatsächliche Ausgabeverhalten der Eheleute in der Ehe bei objektiver Betrachtungsweise dem Angemessenen entspricht. Auch dazu ist die Höhe der tatsächlichen Einkünfte bedeutsam (BGH FamRZ 82, 151). Der BGH geht auf diese Aspekte hier überhaupt nicht ein, sondern befasst sich ausschließlich mit dem Quotenunterhalt.

     

    Vortrag der „uneingeschränkten Leistungsfähigkeit“

    Bezüglich der Berufung des M auf seine „uneingeschränkte Leistungsfähigkeit“ geht der BGH zu Recht davon aus, dass diese nur die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, nicht aber den Bedarf betrifft. Wenn die Auskünfte weiterhin für den Bedarf bedeutsam sind, macht die „uneingeschränkte Leistungsfähigkeit“ den Auskunftsanspruch nicht überflüssig. Insoweit weicht der BGH von seiner Entscheidung ab, in der er einen Auskunftsanspruch verneint hat, weil sich der Unterhaltspflichtige auf eine „uneingeschränkte Leistungsfähigkeit“ berufen hat (BGH FamRZ 94, 1169). Dies bedeutet also, dass sich die Berufung auf die „uneingeschränkte Leistungsfähigkeit“ ausschließlich auf die Stufe der Leistungsfähigkeit, nicht aber auf den Bedarf auswirkt, sodass man nicht davon ausgehen kann, dass der Unterhaltspflichtige Einkünfte in einer Höhe erzielt, die sich auf die Bedarfsberechnungen auch nicht mehr auswirken können, weil sie jeden konkreten Bedarf rechtfertigen.

     

    Interessant sind ferner die Erwägungen zur Auskunftsberechtigung. Der BGH geht davon aus, dass ein Auskunftsanspruch auch besteht, wenn der die Auskunft Verlangende darlegungs- und beweisbelastet ist, um das Prozessrisiko richtig einschätzen zu können. Hier sollte aber überlegt werden, ob dieser Weg auch beschritten werden soll, wenn die Bedeutung des Prozessrisikos dies nicht unabweisbar gebietet, da so der andere Beteiligte dabei unterstützt wird, seiner Darlegungslast nachzukommen. Dies führt dazu, dass ihm die ihm obliegende Darlegungslast durch das Auskunftsverlangen abgenommen wird.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2018 | Seite 112 | ID 45279900