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  • · Fachbeitrag · Zugewinnausgleich

    Abweichen vom gesetzlichen Stichtag

    von VRiOLG a.D. Dr. Jürgen Soyka, Meerbusch

    | Der BGH hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen beim ZGA vom gesetzlichen Stichtag abgewichen werden darf. |

     

    Sachverhalt

    Die Ehefrau (F) begehrt im Rahmen eines ZGA-Verfahrens von ihrem Ehemann (M) Auskunft bezogen auf einen nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags liegenden Zeitpunkt. Die Beteiligten heirateten im April 1987. Der Scheidungsantrag wurde der F am 11.3.13 zugestellt. Während der M ursprünglich die Ansicht vertreten hatte, die Trennung sei bereits im Rahmen eines Streits über mehrere Affären des M am 1.4.12 erfolgt, stellte das AG nach einer Beweisaufnahme im Wege eines Zwischenbeschlusses fest, dass sich die Beteiligten erst am 5.11.12 getrennt hatten. Das AG hat den Antrag der F zurückgewiesen, den M zu verpflichten, zusätzlich Auskunft zum 6.11.13 zu erteilen. Die dagegen gerichtete Beschwerde und Rechtsbeschwerde blieben erfolglos.

     

     

    • a) § 1379 BGB regelt die Auskunftspflicht im Zugewinnausgleichsverfahren umfassend; daneben ist für einen Auskunftsanspruch aus § 242 BGB kein Raum.
    • b) Begehrt ein Ehegatte im Fall einer verfrühten Stellung des Scheidungsantrags durch den anderen Ehegatten Auskunft zu einem gesetzlich nicht geregelten Stichtag, so hat er einen besonderen Ausnahmefall darzulegen, der es rechtfertigt, die Stichtage des Gesetzes zu modifizieren. Dieser ist gegeben, wenn das sich ohne eine solche Korrektur ergebende Ergebnis grob unbillig erscheint und die Gewährung des Ausgleichsanspruchs in der vom Gesetz vorgesehenen Art und Weise dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde.
    • c) Der Auskunftsberechtigte hat konkrete Tatsachen vorzutragen, die ein ausnahmsweises Abweichen vom gesetzlichen Stichtag notwendig machen.
     

    Entscheidungsgründe

    Es besteht kein Auskunftsanspruch aus § 1379 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB. Denn dieser Auskunftsanspruch ist gerechtfertigt, soweit er für die Berechnung des Anfangs- und Endvermögens (AV und EV) bedeutsam ist. Danach ergeben sich drei Stichtage, der Tag der Eheschließung, der Tag der Zustellung des Scheidungsantrags und der Trennungszeitpunkt.

     

    Eine Auskunftspflicht besteht auch nur für die genannten Stichtage und hinsichtlich etwaig vorgenommener illoyaler Vermögensminderungen. Ein anderer Stichtag für die Auskunft, der zeitig nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags liegt, ist bei einem verfrühten Scheidungsantrag in besonderen Ausnahmefällen möglich, wenn das sich ohne eine solche Korrektur ergebende Ergebnis grob unbillig erscheint und die Gewährung des Ausgleichsanspruchs in der vom Gesetz vorgesehenen Art und Weise dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde.

     

    Ob dies der Fall ist und die Berufung auf den Stichtag des § 1384 BGB mithin rechtsmissbräuchlich i. S. v. § 242 BGB erscheint, ist anhand einer umfassenden Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Ein solcher Ausnahmefall ist infolge eines verfrüht rechtshängig gemachten Scheidungsantrags möglich. Dies kann gegeben sein, wenn ein Ehegatte mit seinem verfrühten Scheidungsantrag in illoyaler Weise bezweckt, dass der andere an einer für ihn konkret absehbaren erheblichen Vermögensvermehrung nicht mehr teilhat. Damit könnten Vermögensänderungen, die an sich in der Zeit zwischen Trennung und Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags eintreten und deshalb in die Ausgleichberechnung einzubeziehen wären, dem ZGA entzogen worden sein.

     

    Eine weitere Fallgestaltung ist, wenn Eheleute nach Rechtshängigkeit wieder über viele Jahre hinweg zusammenleben und die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags aus den Augen verloren haben. Der Ausgleichsberechtigte muss die Umstände darlegen und beweisen, die ausnahmsweise zu einem Abweichen der Auskunftspflicht zum Stichtag führen. Es reicht aber nicht aus, wenn der Berechtigte lediglich Tatsachen vorträgt, denen zufolge eine Verschiebung des Endstichtags nicht ausgeschlossen ist. Denn es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf Auskunft für einen nach der Rechtshängigkeit liegenden Zeitpunkt. Ein Zeitraum von acht Monaten zwischen dem Datum der Zustellung des Scheidungsantrags und dem Ablauf des Trennungsjahres reicht für sich alleine nicht aus, einen neuen Stichtag zu begründen. Der M hatte den Scheidungsantrag nicht böswillig verfrüht gestellt.

     

    Es sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, aus denen sich ergibt, dass durch den verfrühten Scheidungsantrag das EV in Benachteiligungsabsicht gemindert werden sollte.

     

    Für einen Auskunftsanspruch aus § 242 BGB neben dem § 1379 BGB ist kein Raum. Denn § 1379 BGB ist weiter gefasst und erfasst auch illoyalere Vermögensminderungen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Diese Entscheidung fußt darauf, dass maßgebend für den Stichtag die Zustellung des Scheidungsantrags ist, auf den hin die Ehe geschieden worden ist. Bei verfrühten Scheidungsanträgen ist im Regelfall die Zustellung des verfrühten Antrags maßgebend, weil dann, wenn das Trennungsjahr später abläuft, die Scheidungsvoraussetzungen während des Verfahrens eingetreten sind, sodass zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung die Ehe geschieden werden kann. Dies bedeutet, dass die verfrühte Zustellung des Scheidungsantrags maßgeblich ist für den Stichtag. Bei dieser Fallkonstellation kommt es auf Folgendes an: Wegen des verfrühten Stichtags fließen Vermögenszuwächse, die zum eigentlichen Stichtag zu berücksichtigen wären, nicht ins EV. Fraglich ist, ob daher eine Auskunft auch zu einem späteren Zeitpunkt gerechtfertigt ist. Dazu muss der die Auskunft Begehrende vortragen, dass sich die Vermögensmassen in beträchtlicher Höhe verändert haben.

     

    Eine andere Fallkonstellation ist gegeben, wenn die Eheleute schon einmal ein Scheidungsverfahren betrieben haben, dies aber über Jahre hinweg nicht weiterbetrieben wird. Wird später ein erneuter Scheidungsantrag gestellt, fällt dies im Regelfall auf, sodass den Eheleuten mitgeteilt wird, dass das Verfahren wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig ist. Dies führt dazu, dass das ursprüngliche Verfahren fortgeführt wird. Auch dies hat zur Konsequenz, dass der Stichtag zugrunde zu legen ist, der durch die Zustellung des dama-ligen Scheidungsantrags begründet wird. Auch bei solchen Fallkonstellationen kann die Vermögensmasse zu einem späteren Stichtag bedeutsam sein, wenn beide Eheleute das frühere Verfahren vergessen haben und es zu erheblichen Veränderungen in der Vermögenslage der Eheleute gekommen ist.

     

    Die Darlegungs- und Beweislast dürfte bei dem Ehegatten liegen, der eine erhebliche Veränderung der Vermögenslage der Eheleute geltend macht und

    sich auf einen späteren Stichtag beruft. Soweit sich der andere Ehegatte auf einen Einkommensrückgang als wesentliche Veränderung des Vermögens beruft und der andere eine illoyale Vermögensminderung einwendet, muss der den Einkommensrückgang geltend machende Ehegatte das Nichtvorliegen einer illoyalen Vermögensminderung beweisen, weil die Geltendmachung der Gegenseite ein substanziiertes Bestreiten einer beachtlichen, den Stichtag rechtfertigenden Vermögensänderung darstellt.

     

    MERKE | Zu der Stichtagsproblematik im VA-Verfahren hat der BGH Folgendes entschieden: Die Nachteile, die einem Ehegatten aus einem verfrühten Scheidungsantrag erwachsen, sind nur als Härtefall unter den Voraussetzungen des § 27 VersAusglG im Wege der Beschränkung oder des Wegfalls des VA auszugleichen, nicht aber durch eine Verschiebung des Ehezeitendes (BGH FK 18, 154).

     

    Weiterführende Hinweise

    Quelle: Ausgabe 01 / 2019 | Seite 4 | ID 45281023