· Fachbeitrag · Fahrverbot
Neue(re) Rechtsprechung zum Fahrverbot:Augenblicksversagen und berufliche Gründe
von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg
| Der Beitrag greift einzelne Fallfragen aus der aktuellen Rechtsprechung zum Augenblicksversagen und zum Absehen vom Fahrverbot aus beruflichen Gründen auf. |
1. Augenblicksversagen
Der in der Rechtsprechung verwendete Ausdruck „Augenblicksversagen“ beschreibt nur den Umstand, dass der Handelnde für eine kurze Zeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Dieser Umstand allein ist aber noch kein ausreichender Grund, den Schuldvorwurf herabzustufen, wenn die objektiven Merkmale der groben Verletzung gegeben sind. Eine Vielzahl der Fälle unbewusster Fahrlässigkeit, insbesondere bei Regelverstößen im Straßenverkehr, beruht gerade darauf, dass der Handelnde für eine kurze Zeit unaufmerksam ist und das an ihn gerichtete Ge- oder Verbot übersieht. Vielmehr müssen weitere, in der Person des Handelnden liegende besondere Umstände hinzukommen, die den Grund des momentanen Versagens erkennen und in einem milderen Licht erscheinen lassen (KG 17.1.18, 3 Ws (B) 356/17, Abruf-Nr. 203074).
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Umstände des Einzelfalls | Augenblicksversagen ja oder nein? | Fundstelle |
Einmaliges Übersehen eines einseitig aufgestellten Verkehrszeichens, weil es möglicherweise verdeckt war. | Ja. | AG Potsdam 23.1.17, 4131 Js 34510/16 |
Geschwindigkeitsüberschreitung anlässlich eines Überholmanövers. | Nein, das Überholen in einem solchen Fall begründet keinen Ausnahmeumstand im Sinne geringen Verschuldens. Dies gilt regelmäßig auch, wenn es sich um eine übersichtliche, breit ausgebaute und schnurgerade verlaufende Fahrbahn ohne Wohnbebauung oder Fußgängerverkehr handelt. | OLG Bamberg VA 18, 140 |
Rotlichtverstoß | Nein. Ein „Augenblicksversagen“ ist kein ausreichender Grund, den Schuldvorwurf herabzustufen, wenn die objektiven Merkmale der groben Verletzung gegeben sind. | KG 17.1.18, 3 Ws (B) 356/17, Abruf-Nr. 203074 |
Rotlichtverstoß | Leichte Fahrlässigkeit im Sinne eines Augenblicksversagens setzt voraus, dass die Ordnungswidrigkeit in einer „besonders schwierigen, insbesondere überraschend eingetretenen Verkehrslage“ begangen wurde. | KG 7.12.17, 3 Ws (B) 341/17, Abruf-Nr. 202075, VRS 132, 239 OLG Düsseldorf DAR 15, 213 |
Rotlichtverstoß an einer Lichtzeichenanlage hinter der Kreuzung, an der der ortsunkundige Betroffene einen qualifizierten Rotlichtverstoß begangen hat. | Nein, denn bereits begrifflich ist eine von weitem sichtbar länger gesperrte Autobahnauffahrt das Gegenteil einer „überraschend eingetretenen Verkehrslage, sodass eine Irritierung durch die Sperrung der Autobahnauffahrt ausscheidet. | KG 7.12.17, 3 Ws (B) 341/17, Abruf-Nr. 203075, VRS 132, 239 |
Rotlichtverstoß beim Einfahren in den durch Wechsellichtzeichen geschützten Bereich einer belebten innerstädtischen Kreuzung mit mehreren Fahrspuren. | Nein, da von einem Kraftfahrzeugführer in der Verkehrssituation eine gesteigerte Aufmerksamkeit verlangt werden muss. | KG 7.12.17, 3 Ws (B) 341/17, Abruf-Nr. 203075, VRS 132, 239 |
Geschwindigkeitsüberschreitung, der Betroffene hat sich wegen anstehender wichtiger Termine in Gedanken befunden. | Nein. | AG Dortmund 25.8.17, 729 OWi-267 Js 1323/17-211/17 |
Die Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit erfolgt durch ein einmalig und einseitig aufgestelltes Vorschriftszeichen. | Der Regelvermutung steht dieser alleinige Umstand, nicht von vornherein entgegen. Anlass zur Prüfung des Vorliegens eines Ausnahmefalls besteht nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, z. B. wenn der Betroffene die Wahrnehmung des Verkehrsschilds bestreitet oder wenn besondere Witterungs- oder Straßenverhältnisse festgestellt sind. | OLG Celle VRS 131, 319 (a.A. OLG Brandenburg, 20.2.17, (1) 53 Ss-OWi 56/17 (34/17) |
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