· Fachbeitrag · Prozessrecht
Einsicht bzw. Beiziehung von Messunterlagen
| Der Strom von Entscheidungen zur Einsicht bzw. zur Beiziehung von Messunterlagen im Bußgeldverfahren reißt nicht ab. Wir stellen Ihnen die Entscheidungen vor, die uns in der letzten Zeit bekannt geworden sind (vgl. dazu auch noch VA 17, 185 ). |
1. Aktuelle Rechtsprechung
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KG 6.9.17, 3 Ws (B) 248/17, Abruf-Nr. 197445 | Wenn die Verteidigung bei einem im Grundsatz standardisierten Messverfahren Verständnisfragen oder Zweifel allgemeiner Art hat, so ist es ihr unbenommen, sich im Vorfeld der Hauptverhandlung bei der Bußgeldbehörde die Messunterlagen zu besorgen, sie durch einen privat zu beauftragenden (und zu honorierenden) Sachverständigen auswerten zu lassen und ‒ gegebenenfalls ‒ auf der Grundlage dann einzelfallbezogener Einwände Beweis- oder sonstige gegen die Richtigkeit der Messung gerichtete Anträge zu stellen. Einem Beweisantrag in der Hauptverhandlung muss das AG dazu nicht nachgehen. |
OLG Bamberg 24.8.17, 3 Ss OWi 1162/17, Abruf-Nr. 197437 | Hat sich der Tatrichter aufgrund der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens eingehalten wurden, verstößt die Ablehnung eines Antrags der Verteidigung auf Einsicht in die digitale Messdatei, die sog. Statistikdatei und deren Überlassung einschließlich sog. Rohmessdaten weder gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens noch ist rechtliches Gehör verletzt, weshalb allein deshalb ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde ausscheidet (Anschluss an OLG Bamberg, VA 16, 104). |
OLG Bamberg 4.10.17, 3 Ss OWi 1232/17, Abruf-Nr. 197436 | Die Ablehnung eines Antrags auf Beiziehung von nicht bei den Akten befindlichen Unterlagen (etwa Lebensakte eines Abstands- und Geschwindigkeitsmessgeräts) verletzt nicht den Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK); vielmehr handelt es sich um einen Beweisermittlungsantrag, dessen Ablehnung nur unter Aufklärungsgesichtspunkten (§ 244 Abs. 2 StPO) gerügt werden kann. |
LG Trier 14.9.17, 1 Qs 46/17, Abruf-Nr. 197441 | Der Verteidigung sind die gesamte Messreihe mit Rohmessdaten, die Statistikdatei, der Public Key, die Wartungs- und Instandsetzungsnachweise seit der letzten Eichung sowie die Eichnachweise seit der ersten Inbetriebnahme zur Verfügung zu stellen. Gegen eine ablehnende amtsgerichtliche Entscheidung ist das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig. |
AG Aalen 24.8.17, 12 OWi 204/17, Abruf-Nr. 197449 | Die Messserie gehört i. d. R. nicht zu den Akten, die dem Gericht vorliegen und in die dann nach § 147 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 OWiG ein Akteneinsichtsrecht bestünde. Auch die verkehrsrechtliche Anordnung betreffend die Geschwindigkeitsbegrenzung muss nicht durch die Bußgeldstelle übermittelt werden, da es dem Verteidiger zuzumuten ist, ggf. mit der Bußgeldstelle in Kontakt zu treten, um auf diese Weise die verwaltungsrechtlichen Fragen der Anordnung Geschwindigkeitsbegrenzung zu klären. |
AG Andernach 15.9.17, 2h OWi 131/17, Abruf-Nr. 197448 | Die Bußgeldbehörde ist verpflichtet, der Verteidigung den gesamten Messfilm in einem allgemein lesbaren Dateiformat zur Verfügung zu stellen. Ein geeignetes Speichermedium ist vom Betroffenen oder seinem Verteidiger zur Verfügung zu stellen. Die Bußgeldbehörde ist auch verpflichtet, die gemäß § 31 MessEG erforderlichen Nachweise über Wartungen, Reparaturen oder sonstige Eingriffe am Messgerät, einschließlich solcher durch elektronisch vorgenommenen Maßnahmen, für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten nach Ablauf der nach § 41 MessEG bestimmten Eichfrist zum Verfahren beizuziehen und dem Verteidiger zur Verfügung zu stellen, soweit solche vorhanden sind. |
AG Bad Hersfeld 26.10.17, 70 OWi 56/17, Abruf-Nr. 197950 | Dem Betroffenen sind auf Antrag die streitgegenständige XML-Datei zu einer Messung zur Verfügung zu stellen. Die Verwaltungsbehörde kann dem Antrag dadurch entsprechen, dass sie einen Ausdruck der ausgewerteten XML-Datei zur Akte nimmt und dem Verteidiger bzw. dem Betroffen zur Verfügung stellt. |
AG Brandenburg 5.10.17, 25 OWi 837/17, Abruf-Nr. 197951 | Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Ziel, die Bußgeldbehörde zur Heranziehung weiterer Beweismittel zu verpflichten, ist gem. § 62 Abs. 1 S. 2 unzulässig. Es handelt sich dabei nämlich um eine Maßnahme, die zur Vorbereitung der Entscheidung getroffen wird und keine selbstständige Bedeutung hat. Welche Beweismittel die Bußgeldbehörde beizieht und zum Akteninhalt macht, ist zunächst ihr überlassen. |
AG Merzig 23.8.17, 21 OWi 110/17, Abruf-Nr. 197446 | In Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsverstößen sind alle in Betracht kommenden Messdaten an die Verteidigung herauszugeben, um dieser eine Überprüfung des Messvorgangs zu ermöglichen. Neben der Messstatistik sind die Falldaten der gesamten Messserie herauszugeben. Außerdem ist der Verteidigung die Einsicht in die Lebensakte des Messgeräts zu gewähren. |
2. Relevanz für die Praxis
Die Entscheidungen untermauern erneut, wie uneinig die Rechtsprechung sich in der für den Betroffenen wichtigen Frage ist. Exemplarisch soll dazu nur auf den Beschluss des LG Trier und auf den des OLG Bamberg hingewiesen werden.
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