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  • · Fachbeitrag · Autokauf

    Ort der Nacherfüllung: Fahrzeug bringen oder abholen lassen?

    von VRiOLG a.D. Dr. Christoph Eggert, Leverkusen

    | Mit der Grundsatzentscheidung BGHZ 189, 196 = VA 11, 91 (Faltanhänger) hat der BGH zwar die Weichen zugunsten des Kfz-Handels gestellt und den Ort für die Nachbesserung i.d.R. am Betriebssitz des Händlers angesiedelt. Der Käufer muss also das angeblich mangelhafte Fahrzeug dort vorführen, damit der Händler die Reklamation prüfen und ggf. den Mangel beseitigen kann. Doch keine Regel ohne Ausnahme. Die uneinheitliche Entscheidungspraxis zeigt das Dilemma, in dem die beteiligten Vertragspartner und ihre Rechtsberater stecken. Der Beitrag bietet Lösungsansätze. |

     

    Übersicht / Die Ausgangslage nach dem Faltanhänger-Urteil BGHZ 189, 196

    Voraussetzung für einen wirksamen Rücktritt oder ein sonstiges sekundäres Mängelrecht ist grundsätzlich, dass der Käufer dem Verkäufer eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat, die ergebnislos abgelaufen ist (§ 323 Abs. 1, § 281 Abs. 1 S. 1 BGB). Das Nacherfüllungsverlangen beschränkt sich dabei nicht auf eine mündliche oder schriftliche Aufforderung zur Nacherfüllung innerhalb angemessener Frist. Der Käufer muss auch bereit sein, dem Verkäufer das Fahrzeug zur Verfügung zu stellen, damit der es auf die Mängelrüge hin entsprechend untersuchen kann. Der Verkäufer muss sich daher nicht auf ein Nacherfüllungsverlangen des Käufers einlassen, bevor dieser ihm am Erfüllungsort (!) die Gelegenheit zu einer solchen Untersuchung gegeben hat (BGH VA 15, 149; NJW 13, 1074).

     

    Was der Käufer zu tun hat und was er ohne nachteilige Folgen unterlassen darf, hängt somit entscheidend davon ab, dass der Erfüllungsort objektiv richtig bestimmt wird. Nach BGHZ 189, 196 ist der Erfüllungsort nach der allg. Vorschrift des § 269 Abs. 1 BGB so zu bestimmen:

     

    • Stufe 1: Haben die Parteien eine Vereinbarung getroffen? Bei Fehlanzeige:
    • Stufe 2: Was besagen die jeweiligen Umstände, insbes. die Natur des Schuldverhältnisses? Wenn auch insoweit kein Ergebnis:
    • Stufe 3: im Zweifel der Wohnsitz bzw. Geschäftssitz des Schuldners.

     

    Bezogen auf den Kauf neuer und gebrauchter Fahrzeuge heißt das konkret:

     

    • Stufe 1: Meist Fehlanzeige. In den AGB ist der Ort für Nachbesserungsarbeiten allenfalls für die Sondersituation „Liegenbleiben/Betriebsunfähigkeit“ geregelt. Eine Generalklausel wie „Erfüllungsort ist der Betriebssitz des Verkäufers“ fehlt in der Mehrzahl der Fälle selbst für B2B-Verträge, und zwar sowohl für die Nachbesserung als auch für die Nachlieferung. Wenn vorhanden, ist Streit über die Zulässigkeit programmiert.

     

    • Stufe 2: Hier spielt die Musik - trotz oder gerade wegen BGHZ 189, 196 mit höchst unerfreulichen Dissonanzen. Den Hintergrund bilden Gebrauchtwagenstreitigkeiten. Bei fabrikneuen Kfz ist die Lage aus einer Reihe von Gründen im Allgemeinen deutlich entspannter. Für Probleme sorgen vor allem Gebrauchtwagengeschäfte mit größerer Entfernung zwischen Käuferwohnsitz und Betriebsort des Händlers, zumal in Kombination mit behaupteter Verkehrsunsicherheit. Regelfall oder Ausnahmesituation? Diese Frage entscheidet der BGH - für den gesamten Kauf von Mobilien (also nicht nur B2C) - nach dem extrem schwammigen Kriterium der „erheblichen Unannehmlichkeiten“ (Näheres unten im Rechtsprechungsüberblick).

     

    • Stufe 3: Die Auffangregel kommt zum Zuge, wenn bei der Prüfung auf der Stufe 2 ortsprägende Umstände fehlen, z.B. bei der Ersatzlieferung die Reparaturnotwendigkeit oder bei der Nachbesserung die erforderliche Werkstatt(technik). In derartigen Fällen kommt es nicht etwa zu einem Ortswechsel in Richtung Käuferwohnsitz/Belegenheitsort. Im Ergebnis bleibt es beim Firmensitz des Händlers.
     

    Rechtsprechungsübersicht /  Verkäufergünstige Entscheidungen

    In folgenden Fällen haben die Gerichte zulasten des Käufers und damit pro Verkäufer entschieden:

     

    • Der Käufer verlangt Nacherfüllung und fordert den Händler auf, das angeblich mangelhafte Fahrzeug bei ihm abzuholen, nach Sach- und Rechtslage ist aber der Firmensitz des Händlers der wahre Erfüllungsort (BGHZ 189, 196 = VA 11, 91 - Faltanhänger). Rücktritt unwirksam.

     

    • Der Verkäufer ist bereit, sich das Fahrzeug auf berechtigte Mängel an seinem Wohn-/Geschäftssitz anzusehen (dort ist der wahre Erfüllungsort), der Käufer bietet demgegenüber eine Besichtigung am aktuellen Standort an (BGH NJW 13, 1074 - Motorboot). Rücktritt unwirksam.

     

    • Der Käufer fordert den Händler auf, das Fahrzeug bei ihm abzuholen oder eine Firma an seinem Wohnsitz mit der Reparatur zu beauftragen, während der wahre Erfüllungsort beim Händler ist (LG Berlin, Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO 23.10.12, 55 S 168/12).

     

    • Der Händler ist sich sicher und liegt damit auch objektiv richtig, dass der Erfüllungsort bei ihm ist. Er bittet den Käufer, das Fahrzeug vorzuführen. Das wird abgelehnt oder von einer unzulässigen Bedingung abhängig gemacht. Konsequenz: Unwirksamkeit von Rücktritt/Minderung/Schadenersatz statt der Leistung.

     

    • Beispiel 1: Der Neuwagenkäufer macht die Untersuchung des Fahrzeugs durch den Händler davon abhängig, dass dieser sich zuvor mit der von ihm gewählten Art der Nacherfüllung (hier: Lieferung eines neuen Fahrzeugs) einverstanden erklärt (BGH NJW 10, 1448).
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    • Beispiel 2: Der Käufer ist bereit, dem Händler das Fahrzeug zur Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Er macht seine Bereitschaft aber davon abhängig, dass der Händler ihm in jedem Fall, also egal, was bei der Prüfung herauskommt, die Transportkosten erstattet (LG Heidelberg VA 15, 55, Abruf-Nr. 144022).
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    • Beispiel 3: Nachdem er den Mangel entdeckt hat, fordert der Käufer den Händler auf, die Reparaturkosten zu übernehmen. Später stellt er die Abholung des Fahrzeugs oder die Übernahme der Transportkosten zur Wahl, auch eine Besichtigung an seinem Wohnort. Kein taugliches Nacherfüllungsverlangen, so das AG Köpenick 14.8.14, 9 C 6/14, Abruf-Nr. 145083.
    • „Erhebliche Unannehmlichkeiten“ verneint:
      • BGHZ 186, 196: Die Entfernung für den Transport des mangelhaften Anhängers war 180 km (einfache Strecke).

     

      • AG Berlin-Mitte 18.3.15, 9 C 184/14, Abruf-Nr. 144657: Käufer, wohnhaft am Chiemsee, kauft von einem Berliner Händler einen gebrauchten Mercedes. Mängelrüge: Defekt des Steuergeräts des Automatikgetriebes. Erfüllungsort ist laut AG mangels abweichender Vereinbarung Berlin. „Erhebliche Unannehmlichkeit“ bleibt ungeprüft.

     

      • LG Heidelberg VA 15, 55: Selbstabholung und Überführung; einfache Entfernung 250 km, mangelbedingte Verkehrsunsicherheit gutachterlich bestätigt, gleichwohl Bringschuld bejaht („erhebliche Unannehmlichkeit“ nicht geprüft).
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      • AG Düsseldorf 13.3.14, 51 C 14931/13, Abruf-Nr. 141467: Käufer, wohnhaft in der Nähe von Gifhorn/Nds., kauft von einem Düsseldorfer Händler einen gebrauchten BMW 530. Mit der Begründung, das Fahrzeug sei mangelbedingt (Elektronikproblem) nicht verkehrssicher, verlangt der Käufer, dass der Wagen an seinem Wohnsitz abgeholt wird. Das AG beruft sich auf BGHZ 189, 196 und bestimmt den Betriebssitz des Händlers als Erfüllungsort. Da der Händler die Transportkosten trage, entstehe dem Käufer kein Nachteil.

     

      • AG Wedding 4.9.13, 13 C 31/13, Abruf-Nr. 133195: Keine „erheblichen Unannehmlichkeiten“ für einen Kölner, der von einem Händler in Berlin einen gebrauchten Mercedes gekauft hatte, das Fahrzeug in Berlin vorzuführen. Argument: Käufer war bereit, zum Kauf nach Berlin zu reisen und das Fahrzeug dort abzuholen (ein nach BGHZ 189, 196 Tz. 55 beachtliches Argument).

     

      • LG Hildesheim 4.7.12, 2 O 100/12, Abruf-Nr. 122427: Keine „erhebliche Unannehmlichkeiten“ für einen Käufer, der einen gebrauchten Kia von einem Berliner Händler gekauft hat, das angeblich mangelbedingt nicht mehr fahrtaugliche Fahrzeug von Lengede/Nds. nach Berlin zu transportieren. Argumentation wie AG Wedding.
    • „Erhebliche Unannehmlichkeiten“ bejaht:
      • OLG Koblenz 20.4.15, 12 U 97/14, Abruf-Nr. 145084: Kauf eines gebrauchten Pkw durch einen Verbraucher. Wo er wegen eines Motorschadens liegen geblieben ist, geht aus dem Urteil nicht hervor. Die Rede ist von „großer Entfernung“. Dass der Pkw nicht auf eigener Achse gebracht werden konnte, stand außer Streit. Das Verladen auf einen Transporter und das Bringen zum Betrieb des Händlers ist für das OLG eine „erhebliche Unannehmlichkeit“.