Übersicht 1 / Fehler beim Sachverständigenbeweis |
- 1. Unterlassen der gebotenen Aufklärung, indem ein SV-Beweisantrag übergangen bzw. übersehen worden ist (Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, § 286 ZPO und wesentlicher Verfahrensmangel i.S.v. § 538 Abs. Nr. 1 ZPO, st. Rspr., z.B. BGH 24.3.15, VI ZR 534/13, Abruf-Nr. 176619; OLG Hamm NZV 15, 37).
- 2. Unterlassen einer Begutachtung von Amts wegen nach § 144 Abs. 1, § 287 Abs. 1 S. 2 ZPO (OLG München NZV 15, 38 - auch zur Hinweis- und Urteilsbegründungspflicht des Gerichts).
- 3. Unzulässiges Zurückweisen des SV-Beweisantrags wegen
- überzogener Anforderungen an die Darlegung „der zu begutachtenden Punkte“ (§ 403 ZPO), dazu OLG Saarbrücken VA 15, 1 (Anwaltsregress).
- überzogener Anforderungen an die Benennung des Sachverständigen (vgl. OLG Saarbrücken VA 15, 1).
- Fehleinschätzung der Erforderlichkeit einer (weiteren) Begutachtung (zur Problematik in HWS-Sachen OLG München 21.10.11, 10 U 1995/11, Abruf-Nr. 114039; zum Gesamtkomplex „HWS-Verletzung“ Doukoff in: Ludovisy/Eggert/Burhoff, Praxis des Straßenverkehrsrechts, 6. Aufl., 2015, § 2 Rn 980 ff.).
- Fehlbeurteilung der Eignungsfrage, z.B. wegen vermeintlich fehlender Anknüpfungstatsachen; häufiger Fehler (mitunter auch Verwechselung mit den sog. Befundtatsachen); Rspr.-Beispiele mit bejahter Ungeeignetheit bzgl. des Unfallhergangs bei Eggert VA 11, 168 (Checkliste III); instruktiv OLG Jena 30.11.11, 7 U 178/10, Abruf-Nr. 121845 (Unfallrekonstruktion).
- angeblich eigener Sachkunde (BGH NJW 15, 1311 - auch zur Hinweis- und Ausweispflicht des Gerichts).
- unzulässiger Beweisantizipation (OLG Hamm NZV 15, 37).
- Verkennen der Beweislastverteilung.
- prozessordnungswidriger Anwendung einer Verspätungsvorschrift (BVerfG NJW 09, 1585; BGH 3.3.15, VI ZR 490/13, juris, zu § 531 Abs. 2 ZPO).
- 4. Auswahlverstoß nach § 404 Abs. 2 ZPO. Beispiel: Statt einen Unfallanalytiker mit der Klärung des Unfallhergangs zu beauftragen setzt das Gericht einen Sachverständigen für das Kfz-Mechanikerhandwerk ein (OLG München 22.2.15, 10 U 1722/14, Abruf-Nr. 144365).
- 5. Verstoß gegen § 404a Abs. 1 und 3, § 407a Abs. 5 ZPO: keine oder eine unzulängliche „Leitung“, keine sachgerechten Vorgaben etc. (besonders wichtig bei medizinischen Gutachten, vgl. Doukoff, DAR-Extra 13, 745).
|
- 6. Verletzung des Anhörungsrechts nach §§ 402, 397 ZPO; häufiger Fehler (aktuell BVerfG NJW-RR 13, 626; BGH VersR 15, 257; näher Eggert, VA 11, 168/170, auch zur Anhörung von Amts wegen nach § 411 Abs. 3 ZPO).
- 7. Keine Beauftragung eines weiteren Sachverständigen (Obergutachter). Zum Verstoß gegen § 412 ZPO BGH NJW 11, 852.
- 8. Verstoß gegen § 285 Abs. 1, § 279 Abs. 3 ZPO, wonach über das Ergebnis der Beweisaufnahme zu verhandeln und der Sach- und Streitstand erneut mit den Parteien zu erörtern ist. Das gilt auch für die SV-Anhörung. Findet sich im Protokoll kein Hinweis auf eine derartige Verhandlung, steht der Verfahrensfehler (zugleich Verstoß gegen Art. 103 GG) fest (BGH 25.9.07, VI ZR 162/06, Abruf-Nr. 113072; BGH NJW 12, 2354: Zeugenvernehmung).
- 9. Ersetzung der Protokollierung eines mündlichen Gutachtens durch einen Berichterstattervermerk, ohne dass dieser Aktenbestandteil wird und ohne ausreichende Darstellung im Urteilstatbestand (BGH NJW 92, 2291).
- 10. Fehler bei der Überprüfung und Würdigung des Gutachtens:
- Keine Auseinandersetzung mit Diskrepanzen innerhalb eines Gutachtens oder zwischen verschiedenen Gutachten (BGH NJW 14, 71).
- Übergehen von Widersprüchen zwischen erst- und zweitinstanzlichem Gutachten (BGH NJW 92, 2291; s. auch BGH NJW-RR 11, 704).
- Gericht übersieht, dass der SV den Beweisbeschluss nicht ausgeschöpft hat, z.B. beschlusswidrig keine Stellung zu einem Privatgutachten genommen hat (BGH 1.7.14, VI ZR 219/13, Abruf-Nr. 150812).
- Keine oder nur unzureichende Berücksichtigung eines Privatgutachtens (BGH NJW 15, 1311).
- 11. Fehler bei der Ersetzung des unmittelbaren SV-Beweises durch ein Gutachten aus einem anderen Verfahren (§ 411a ZPO). Dazu Eggert, VA 11, 168/169.
|