· Fachbeitrag · Selbstbestimmungsgesetz
Schuldner wechselt Geschlecht und Namen: Das sind die Auswirkungen auf die Zwangsvollstreckung
von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz
| Zum 1.11.24 tritt das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG; BGBl I Nr. 206) in Kraft. Hierdurch soll es für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen einfacher werden, ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihre Vornamen ändern zu lassen. Die Änderung ist durch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt vorzunehmen. Eine gerichtliche Entscheidung über die Antragstellung ist damit nicht mehr erforderlich. Das Gesetz tritt an die Stelle des Transsexuellengesetzes (TSG). Fraglich ist, wie sich die Änderungen auf bereits zum Inkrafttreten vorhandene Vollstreckungstitel auswirkt. Der folgende Beitrag klärt auf. |
1. Keine Umschreibung
Bei einer Geschlechts- bzw. Namensänderung nach dem SBGG liegt keine Rechtsnachfolge nach § 727 ZPO vor. Es handelt sich weiterhin um dieselbe Person. Ihre Identität ist also dieselbe, nur mit anderem Geschlecht bzw. Namen und anderer Anrede. Es bedarf daher keiner Umschreibung der Vollstreckungsklausel nach § 727 ZPO (BGH 27.2.04, IXa ZB 262/03).
2. Das sagt der BGH
Der BGH (VE 11, 174) hat entschieden, dass die bloße Änderung des Namens einer Partei der Vollstreckung eines Titels nicht entgegensteht, wenn der Gläubiger dem zuständigen Vollstreckungsorgan die Personenidentität durch entsprechende Urkunden zweifelsfrei nachweist. Dass die Namensänderung einer Partei in der Vollstreckungsklausel nicht vermerkt („beigeschrieben“) wird, führt lediglich dazu, dass das zuständige Vollstreckungsorgan, das zu eigenen Ermittlungen hinsichtlich der Parteiidentität zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet ist, die Durchführung der Vollstreckung mit der Begründung verweigern kann, diese Identität lasse sich nicht zweifelsfrei feststellen.
PRAXISTIPP | Der Gläubiger eines Vollstreckungstitels, der gegen einen Schuldner unter den bisherigen Vornamen ergangen ist, hat Anspruch auf Mitteilung der neuen Vornamen, um den Titel umschreiben lassen zu können (BT-Drucksache 20/9049, 55). Es empfiehlt sich daher, dass Gläubiger im Fall einer Geschlechtsänderung nebst Namensänderung einen Klarstellungsvermerk auf dem auf den bisherigen Namen lautenden Titel anbringen lassen, um dadurch einen drohenden Zeitverlust zu vermeiden. |
Beachten Sie | Eine Titelberichtigung ist allerdings nicht zwingend erforderlich, sofern die Identität im Rahmen der Zwangsvollstreckung dem Vollstreckungsorgan auch anderweitig nachgewiesen werden kann. Hat der Gläubiger z. B. eine Abschrift des Dokuments vom Standesamt über die Änderungen, kann dieses zu jeder Vollstreckungsmaßnahme als Beweis der Personenidentität beigefügt werden.
§ 10 Abs. 1 S. 1 SBGG normiert einen Anspruch auf Datenberichtigung in für Schuldner wichtigen Dokumenten. Dies gilt nicht, wenn besondere Gründe des öffentlichen Interesses dem entgegenstehen (BT-Drucksache 20/9049, 48).
3. Register
a) Schuldnerverzeichnis
Eine Eintragung im Schuldnerverzeichnis nach § 882b ZPO ist nicht zu ändern, da dies dem öffentlichen Interesse entgegensteht.
Beachten Sie | Gerade in den Fällen, in denen ein Titel gegen einen Schuldner unter dem neuen Vornamen ergangen ist, besteht in der Regel ein rechtliches Interesse an der Auskunftserteilung oder Offenbarung der früheren Vornamen, wenn der Gläubiger feststellen will, ob der Schuldner unter seinem früheren Vornamen bereits die Vermögensauskunft gemäß § 802c ZPO abgegeben hat (BT-Drucksache 20/9049, 55). Dasselbe Interesse besteht seitens des Gerichtsvollziehers als Vollstreckungsorgan, da dieser von Amts wegen die Sperrfrist nach § 802d ZPO zu beachten hat.
b) Grundbuch
Ist der Schuldner Eigentümer von Grundbesitz und beantragt er die Richtigstellung seines Namens, muss das Grundbuchamt die Namensänderung im bisherigen Grundbuchblatt vermerken. Anschließend ist das Grundbuch in entsprechender Anwendung der §§ 28 ff. GBV umzuschreiben, d. h., das bisherige Grundbuchblatt wird geschlossen und ein neues Grundbuchblatt wird eröffnet (BGH 7.3.19, V ZB 53/18).
Beachten Sie | Eine Einsicht in das geschlossene Grundbuchblatt ist solchen Personen gestattet, die ein berechtigtes Interesse (§ 12 Abs. 1 GBO) hieran, also (auch) an den früheren Eintragungen dargelegt haben (BT-Drucksache 20/9049, 48).
Ein solches berechtigtes Interesse besteht nach Ansicht des BGH (a. a. O.) gerade dann, wenn ein Gläubiger einen Vollstreckungstitel gegen den Schuldner noch unter dessen früherem Namen erstritten hat und nach der ‒ ihm bislang nicht bekannten ‒ Namensänderung die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz des Schuldners durch Eintragung einer Zwangssicherungshypothek (§ 866 ZPO) betreiben möchte. Beantragt der Gläubiger zur Vorbereitung der Zwangsvollstreckung unter Vorlage des Vollstreckungstitels einen Grundbuchauszug und würde er nur einen Auszug des neuen Grundbuchblatts mit dem neuen Namen des Schuldners ohne Hinweis auf die Namensänderung erhalten, könnte ihn dies von einer möglichen Rechtsverfolgung abhalten.
Beachten Sie | Es ist nämlich naheliegend, dass der Gläubiger davon ausgeht, der im Vollstreckungstitel ausgewiesene Schuldner sei eine andere Person als diejenige, die im Grundbuch als Eigentümer ausgewiesen ist, und er deshalb die Zwangsvollstreckung unterlässt.
Dem Gläubiger ist von Amts wegen auch Einsicht in das geschlossene Grundbuchblatt zu gewähren, damit er die Übereinstimmung der Identität des Vollstreckungsschuldners mit dem im Grundbuch eingetragenen Eigentümer feststellen kann. Ist nämlich für das Grundbuchamt erkennbar, dass bei einer beantragten und grundsätzlich berechtigten Grundbucheinsicht gemäß § 12 Abs. 1 GBO die Beschränkung der Einsicht auf das neue Grundbuchblatt zu Rechtsverlusten des Gläubigers führen kann, muss die Einsicht auch auf das alte Grundbuchblatt erstreckt werden.
c) Ermittlung zustellfähiger Anschrift
Von praktischer Bedeutung in Vollstreckungsverfahren ist oft die Ermittlung einer zustellfähigen Anschrift des Schuldners. Um Auskunft über eine ladungsfähige Anschrift zu erhalten, besteht beim Vorliegen eines berechtigten Interesses die Möglichkeit einer einfachen oder erweiterten Melderegisterauskunft (§§ 44, 45 BMG).
Voraussetzung für eine Erteilung der Auskunft ist nach § 44 Abs. 3 Nr. 1 BMG u. a., dass die Identität des Schuldners eindeutig festgestellt werden kann. Dies bedeutet, dass der Antrag auf Erteilung einer Melderegisterauskunft mittels Angaben über den Familiennamen, den früheren Namen, die Vornamen, das Geburtsdatum, den Geschlechtseintrag oder einer Anschrift der gesuchten Person der Meldebehörde die eindeutige Identifizierung ermöglicht.
Nicht erforderlich ist hierbei, dass sämtliche genannten Angaben zur Person gemacht werden müssen ‒ selbst bei einer einzigen Angabe ist eine Auskunft zu erteilen, wenn die Identifizierung eindeutig möglich ist (BT-Drucksache 20/9049, 49).
Beachten Sie | Da auch frühere Vornamen bei einer Identitätsfeststellung von Belang sein können, besteht kein Anspruch auf Löschung der früheren Vornamen z. B. im Melderegister oder im Handelsregister (§ 10 Abs. 1 S. 2 SBGG; vgl. BGH 3.2.15, II ZB 12/14).
4. Gerichtliche Dokumente
Aus § 10 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SBGG ergibt sich, dass gerichtliche Dokumente (Urteile, KFB, gerichtliche Vergleiche etc.) bzw. nach dem Beurkundungsgesetz (notarielle Urkunden etc.) errichtete Dokumente, nicht neu auszustellen sind.
Weiterführender Hinweis
- Namensänderung in der Vollstreckung, VE 11, 174