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  • · Fachbeitrag · Vollstreckungstaktik

    Auswirkungen der Krise auf die Einzelzwangsvollstreckung

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock

    | In der Praxis stellt es immer wieder ein Problem dar: Der Gläubiger vollstreckt und wird plötzlich mit einem Insolvenzverfahren des Schuldners konfrontiert. Welche Rechte hat der Gläubiger dann? Muss er gegebenenfalls Erlangtes zurückgewähren? Was ist mit seinem Pfändungspfandrecht? Wird seine Vollstreckung aufgehoben oder eingestellt? Der folgende Beitrag klärt über die Situation im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens auf. |

    • Beispiel

    Gläubiger G. hat einen titulierten Anspruch von 5.000 EUR. Im Rahmen der Gerichtsvollziehervollstreckung erklärt sich G. im August 13 mit monatlichen Ratenzahlungen in Höhe von 200 EUR einverstanden. Schuldner S. stellt im Januar 14 einen Insolvenzeröffnungsantrag. Das Verfahren wird im März 14 eröffnet. Es stellt sich die Frage, ob G. die vereinnahmten Teilzahlungen an den Insolvenzverwalter zurückgewähren muss.

    1. Freiwillige Leistungen des Schuldners innerhalb der Krise

    Die letzten drei Monate (sog. Krise) vor Stellung eines Insolvenzantrags sind für (Insolvenz)Gläubiger besonders gefährlich. Hier droht die Gefahr einer Anfechtung durch den Insolvenzverwalter gemäß § 131 InsO.

     

    PRAXISHINWEIS | Das G. den Status eines Insolvenzgläubigers hat, ergibt sich aus § 38 InsO. Hierbei handelt es sich um persönliche Gläubiger des Schuldners, die zurzeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Vermögensanspruch gegen diesen besitzen.

     

    Da im krisenhaften Zeitraum eine Beweislasterleichterung gilt, muss der Gläubiger beweisen, dass er von der schlechten Situation des Schuldners keine Kenntnis hatte. Dies wird ihm im Anfechtungsprozess nicht gelingen, zumal sich die Frage stellt, weshalb der Schuldner nicht sofort die volle Forderung gezahlt, sondern sich auf Ratenzahlungen eingelassen hat. Hier indiziert also das Verhalten des Schuldners die Annahme, weiteren Vollstreckungsmaßnahmen entgehen zu können. G. muss daher die Teilzahlungen der letzten drei Monate vor Insolvenzantragstellung an den Insolvenzverwalter zurückgewähren.

    2. Freiwillige Leistungen des Schuldners außerhalb der Krise

    Freiwillige Zahlungen des Schuldners außerhalb des dreimonatigen Krisenzeitraums, also bis zum vierten Monat vor Insolvenzantragstellung, unterliegen allerdings nicht mehr der vereinfachten Anfechtungsmöglichkeit nach § 131 InsO. Sie unterliegen vielmehr der Vorsatzanfechtung (§ 133 Abs. 1 InsO).

     

    PRAXISHINWEIS | Hier ist insbesondere die BGH-Rechtsprechung (VE 11, 49) zu beachten, die dem Insolvenzverwalter eine gesetzliche Anfechtungsmöglichkeit bis zu einem Zeitraum von zehn Jahren vor Insolvenzantragstellung eröffnet (§ 133 Abs. 1 InsO). Diese Regelung fordert eine Rechtshandlung des Schuldners. In der Praxis spielen in diesem Zusammenhang die häufig vorkommenden sog. „Druck(Raten)zahlungen“ eine große Rolle. Hierbei leistet der Schuldner unter dem Druck einer bevorstehenden Zwangsvollstreckung durch den Gläubiger Raten. Genau dies führt den Gläubiger in die Anfechtungsfalle. Es ist nämlich nach dem BGH allein entscheidend, ob der Schuldner durch sein Handeln zum Vollstreckungserfolg beiträgt oder nicht und dies auch selbst bestimmen kann.

     

    Hier ist dies gegeben. Denn S. kann allein entscheiden, ob er die Raten zahlt.

    Der Gläubiger muss daher versuchen, solche Situationen zu vermeiden. Dies kann er, indem er frühzeitig die Zwangsvollstreckung so durchführt, dass dem Schuldner keine andere Wahl bleibt, als zu leisten. Er muss daher eine Lage schaffen, in der das Vollstreckungsorgan bildlich gesprochen „vor dem Schuldner steht“ oder im Rahmen der Forderungs- und Rechtspfändung diese durch Erwerb eines insolvenzfesten Pfändungspfandrechts eingeleitet wird. Dann hat der Schuldner keine andere Wahl als zu leisten.

    3. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen innerhalb der Krise

    Das Anfechtungsrecht des späteren Insolvenzverwalters innerhalb des krisenhaften Dreimonatszeitraums vor Insolvenzantragstellung besteht auch bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Denn § 131 InsO geht davon aus, dass die anzufechtende Rechtshandlung (Pfändung) dem Gläubiger als Insolvenzgläubiger eine Sicherung gewährt, die er nicht zu dieser Zeit zu beanspruchen hatte.

     

    • Beispiel

    Im Ausgangsfall pfändet G. im Dezember in die Bankverbindung des S. mittels PfÜB. Im Rahmen der Kontopfändung zahlt die Bank an den G. einen Betrag von 1.000 EUR. G. muss die 1.000 EUR an die Insolvenzmasse zurückzahlen.

    4. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen außerhalb der Krise

    • Beispiel

    G. pfändet wegen einer titulierten Forderung von 5.000 EUR im Oktober 13 in die Bankverbindung des S. Der PfÜB wird der Bank als Drittschuldnerin am 11.10.13 zugestellt. Das Konto weist zu diesem Zeitpunkt ein Guthaben von 1.000 EUR aus. Auf Bitten des S. setzt G. die Vollstreckung gegen Zahlung monatlicher Raten von 200 EUR aus. S. stellt am 2.2.14 einen Insolvenzantrag. Das Insolvenzverfahren wird am 21.4.14 eröffnet. Der Insolvenzverwalter verlangt von G. die im krisenhaften Dreimonatszeitraum erfolgten Zahlungen von G. von 600 EUR zurück. Zu Recht?

     

    Das Pfandrecht des G. ist nicht anfechtbar. Denn § 131 InsO erfasst nur Rechtshandlungen im zeitlichen Bereich, der drei Monate vor Stellung des Insolvenzantrags beginnt. Das Pfandrecht beruht jedoch auf einer früher vorgenommenen Rechtshandlung. Nach § 140 Abs. 1 InsO kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem die rechtlichen Wirkungen der Rechtshandlung eintreten. Bei Forderungspfändungen ist daher auf die Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Drittschuldner abzustellen (§ 829 Abs. 3 ZPO). Als der Pfändungsbeschluss der Drittschuldnerin (Bank) zuging, wies das dortige Konto des S ein Guthaben von 1.000 EUR auf. Somit handelte sich also nicht um eine Pfändung in die „offene Kreditlinie“ (BGH VE 01, 72). Die Rechtshandlung der Pfändung (11.10.13) war somit vor Beginn des Dreimonatszeitraums (2.2.14) vorgenommen. Folge: G. hat ein anfechtungsfestes Pfandrecht erworben. Er muss davon gedeckte Zahlungen nicht zurückgewähren, weil sie die Insolvenzgläubiger nicht benachteiligen (BGH ZInsO 05, 260). Die Aussetzung der Vollstreckung im Wege der Ratenzahlung hat auf den Bestand des Pfandrechts auch keinen Einfluss. Denn die Zahlungen waren durch dieses Pfandrecht gedeckt. Sie sind nämlich auf dieses Pfandrecht aus der vom Beklagten gepfändeten Forderung geleistet worden (BGH ZInsO 05, 260).

    5. Lösungsmöglichkeiten

    Das Vorstehende zeigt, dass Gläubiger stets einen anfechtungsrechtlich sicheren Weg einschlagen sollten. Sie müssen daher ein Insolvenzverfahren des Schuldners mit einkalkulieren und damit die Verpflichtung zur Rückgewähr des Erlangten in die Insolvenzmasse. Die besondere Problematik ist, dass sich der Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung durch den Schuldner und damit Beginn und Ende der Anfechtungsfrist, nicht genau festlegen lässt. Es gilt:

     

    • Gläubiger sollten nach Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen unverzüglich die Zwangsvollstreckung einleiten. Grund: Durch Erlangung eines insolvenzfesten Pfändungspfandrechts an Vermögensgegenständen hat man so in einem Insolvenzverfahren eine erheblich bessere Rechtsposition als Absonderungsberechtigter (§ 50 Abs. 1 InsO; zum Begriff VE 10, 180).

     

    • Erliegt ein Gläubiger der Bitte des Schuldners um Ratenzahlung, erweisen sich solche „freiwilligen Leistungen“ im Nachhinein als anfechtungsrelevanter „Boomerang“, was zur Rückzahlungsverpflichtung von bis zu zehn Jahren führen kann. Als Ausweg bleibt dem Schuldner nur noch die Alternative sofortige Vollzahlung zu erbringen oder die Vollstreckung zu dulden. So wird dem Schuldner im Sinne der BGH-Rechtsprechung nämlich das selbstbestimmte Handeln genommen. Daher ist es wichtig im Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher jegliche Teilzahlungen von vornherein auszuschließen (vgl. § 802b ZPO). Stattdessen sollte stets ein kombinierter Sachpfändungsantrag gewählt werden, nicht ein isolierter Antrag auf Abnahme der Vermögenauskunft. Denn der Gläubiger muss möglichst schnell an zu pfändenden Gegenständen ein insolvenzsicheres Pfandrecht erlangen.

     

    • Im Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher ist auch darauf hinzuweisen, dass durch den Schuldner angebotenen Teilzahlungen nicht zugestimmt wird. Stattdessen sollte der Gläubiger in seinem Auftrag darauf drängen, dass der Gerichtsvollzieher angebotene Gelder pfändet und an den Gläubiger abliefert (§ 815 ZPO). Insofern ist dann nämlich außerhalb des Dreimonatszeitraums ein insolvenzfestes Pfandrecht entstanden! Hat der Gläubiger das Konto insolvenzfest gepfändet, kann einer Teilzahlungsbitte des Schuldners aber nachgegeben werden (BGH ZInsO 05, 260).
    Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 49 | ID 42512513