13.02.2018 · IWW-Abrufnummer 199581
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Beschluss vom 25.07.2017 – 1 Ta 78/17
Verständigen sich Gläubiger und Schuldner im Erkenntnisverfahren auf die Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses mit einem genau festgelegten Wortlaut, ist dieser Anspruch erst erfüllt, wenn ein Arbeitszeugnis erteilt worden ist, das genau dem vereinbarten Wortlaut entspricht. Das ist nicht der Fall, wenn in einem Absatz der Schuldner das Tempus des Textes vom Präsens in Imperfekt verändert.
Tenor:
1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 18.05.2017 - 1 Ca 1339 d/15 - im Zwangsvollstreckungsverfahren wird geändert. Gegen die Beklagte wird wegen der Nichterfüllung der Verpflichtung aus dem Vergleich des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 04.05.2016 zum Az. 1 Ca 1339 d/15, dem Kläger ein qualifiziertes Arbeitszeugnis mit bestimmtem Inhalt nach Maßgabe einer Anlage und im Einzelnen vereinbarten Änderungen zu erteilen, ein Zwangsgeld in Höhe von 300,-- EUR, ersatzweise zwei Tage Haft zu vollstrecken am Geschäftsführer L... der Beklagten, festgesetzt.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens.
3. Wegen der Streitwertbeschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 18.05.2017 - 1 Ca 1339 d/15 - wird die Akte zur Entscheidung über die Abhilfe an das Arbeitsgericht zurückgegeben.
4. Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über einen Zwangsgeldantrag des Klägers sowie die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts wegen dieses Antrags.
Mit Beschluss vom 27.05.2015 stellte das Arbeitsgericht Elmshorn im Verfahren 4 Ca 317 c/15 fest, dass zwischen den Parteien ein Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO zustande gekommen war. Dieser lautete, soweit hier von Interesse, wie folgt:
4. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Zeugnis unter dem Datum des Beendigungszeitpunkts, welches seinem beruflichen Fortkommen förderlich ist und die Gesamtnote mindestens "gut" enthält.
In der Folgezeit stritten die Parteien über den Inhalt dieses Arbeitszeugnisses. Deswegen hat der Kläger dann im vorliegenden Verfahren erneut Klage erhoben. Hier haben sich die Parteien nach Maßgabe eines Beschlusses des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 04.05.2016 nach § 278 Abs. 6 ZPO dahingehend verglichen, dass die Beklagte dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis erteilen werde mit einem inhaltlich wörtlich festgelegten Text. Dieser ist dem Vergleich als Anlage beigeheftet. Im Vergleich selbst sind drei Änderungen für diesen anhängenden Text vereinbart worden.
Am 01.11.2016 ging dem Kläger ein Arbeitszeugnis zu, dessen Inhalt von den Parteien übereinstimmend vorgetragen wird (Anlage B 12 zum Schriftsatz der Beklagten vom 03.01.2017 entspricht Anlage A 3 zum Schriftsatz des Klägers vom 17.05.2017). Ein weiteres Zeugnis (Anlage A 1 zum Schriftsatz vom 10.02.2017) wurde dem Kläger am 19.01.2017 zugestellt.
Am 22.12.2016 hat der Kläger zum Aktenzeichen 1 Ca 1339 d/15 beantragt:
Gegen den Schuldner wird zur Erzwingung der in dem vorstehenden Titel gelegten Verpflichtung, dem Gläubiger ein gutes Arbeitszeugnis zu erteilen, ein Zwangsgeld bis zu 5.000 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Zwangshaft festgesetzt.
Die Beklagte ist diesem Antrag unter Hinweis auf das am 01.11.2016 zugestellte Zeugnis entgegengetreten.
Mit zwei Beschlüssen vom 18.05.2017 hat das Arbeitsgericht zum einen den Zwangsgeldantrag zurückgewiesen und zum anderen den Gegenstandswert für das Zwangsvollstreckungsverfahren auf 500,-- EUR festgesetzt. Beide Beschlüsse sind dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 22.05.2017 zugestellt worden. Dieser hat am 02.06.2017 "Beschwerde" gegen beide Beschlüsse eingelegt. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21.06.2017 der "sofortigen Beschwerde" gegen den Beschluss vom 18.05.2017 nicht abgeholfen und die Akte dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 23.06.2017 hat der Kläger beide Beschwerden weiter begründet. Die Beklagte ist erneut unter Hinweis auf die bereits erfolgte Erfüllung des Zeugnisanspruchs dem Antrag entgegengetreten.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im Einzelnen wird auf die Akte verwiesen.
II.
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen die Zurückweisung seines Zwangsgeldantrags ist zulässig und begründet. Über die Beschwerde gegen den Wertfestsetzungsbeschluss kann das Landesarbeitsgericht noch nicht entscheiden, da es insoweit an einer Entscheidung über die Abhilfe durch das Arbeitsgericht fehlt. Im Einzelnen gilt Folgendes:
1. Die gemäß § 793 ZPO als sofortige Beschwerde statthafte "Beschwerde" des Klägers gegen die Zurückweisung seines Vollstreckungsantrags ist zulässig, insbesondere form- und fristgemäß eingelegt. Sie ist auch in der Sache begründet. Der Anspruch des Klägers aus dem Vergleichsbeschluss vom 04.05.2016 im vorliegenden Verfahren ist von der Beklagten entgegen derer wiederholter Behauptung bis heute nicht erfüllt worden.
Entgegen der Feststellung des Arbeitsgerichts im Beschluss vom 18.05.2017 entsprechen die bisher erteilten Zeugnisse nicht "offensichtlich der Verpflichtung aus dem Vergleich". Das Gegenteil ist der Fall. Die Beklagte ist bei der Erteilung der Zeugnisse von dem vereinbarten Inhalt abgewichen.
Abweichungen enthalten sowohl das unter dem 01.11.2016 erteilte Arbeitszeugnis, dessen Inhalt die Parteien durch Vorlage der Anlagen A 3 und B 12 übereinstimmend wiedergegeben haben, als auch das am 19.01.2017 zugestellte Zeugnis im drittletzten Absatz. Dieser lautet in allen erteilten Zeugnissen wie folgt:
Herr S... besitzt eine natürliche Autorität, genoss das Vertrauen seiner Kollegen und wurde von Ihnen anerkannt und geschätzt. Er verstand es, seine Kollegen sicher einzuschätzen und zu motivieren."
Vereinbart ist demgegenüber im Arbeitszeugnis, das als Anlage zum Vergleich gereicht wurde, dass der drittletzte Absatz wie folgt lautet:
"Er besitzt eine natürliche Autorität, genießt das Vertrauen seiner Kollegen und wird von Ihnen anerkannt und geschätzt. Er versteht es, seine Kollegen sicher einzuschätzen und zu motivieren."
Die Beklagte ist also entgegen den Vereinbarungen im drittletzten Absatz vom Präsenz in das Imperfekt gewechselt. Es bedarf insoweit keiner Ausführungen, ob hierin eine versteckte Herabwürdigung des Klägers liegen sollte, etwa dahingehend, dass er das Vertrauen seiner Kollegen im Laufe des Arbeitsverhältnisses verloren habe, oder ob die Beklagte mit der Verwendung des Imperfekts den Zeugnistext nur an das Tempus, das im vorletzten Absatz gewählt wurde, nämlich ebenfalls Imperfekt, angeglichen hat, ohne damit weitergehende Absichten zu verfolgen. Entscheidend ist, dass sich die Beklagte auf die Verpflichtung eines Zeugnisses mit einem genau festgelegten Wortlaut verpflichtet hat und diesen Anspruch dann auch genau so erfüllen muss.
Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es demgegenüber nicht darauf an, ob das erteilte Arbeitszeugnis den Verpflichtungen aus dem Vergleich vom 27.05.2015 entspricht und in diesem Sinne eine "gute" Leistungsbeurteilung enthält. Die Verpflichtung aus dem Vergleich vom 27.05.2015 ist durch den nachfolgenden Vergleich vom 04.05.2016 konkretisiert und festgelegt worden. Im Übrigen vollstreckt der Kläger ausdrücklich auch nur aus dem Vergleichsbeschluss in dem Verfahren 1 Ca 1339 d/15.
2. Wegen der Beschwerde gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts fehlt es an einer Entscheidung, ob dieser abgeholfen werden soll. Das Arbeitsgericht hat in seinem Abhilfebeschluss ausdrücklich nur auf die "sofortige Beschwerde" Bezug genommen und auch in seiner Vorlageentscheidung an das Landesarbeitsgericht nur von einem Beschluss vom 18.05.2017 geschrieben, nicht von zwei Beschlüssen. Die Vorlageentscheidung ist daher dahingehend zu verstehen, dass nur über die Beschwerde gegen den Zwangsvollstreckungsantrag eine Entscheidung getroffen worden ist.
3. Die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens trägt die Beklagte. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.