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  • · Fachbeitrag · Corona-Krise

    So pfänden Sie Corona-Überbrückungshilfen für Solo-Selbstständige und Einzelunternehmer

    | Kleine und mittelständische Unternehmen, die ihren Geschäftsbetrieb im Zuge der Corona-Pandemie einstellen oder stark einschränken mussten, können seit dem 10.7.20 bis zum 31.8.20 weitere Liquiditätshilfen in Form einer Überbrückungshilfe beantragen. Diese ist wie folgt pfändbar. |

    1. Zweck der Hilfe

    Unternehmen, Solo-Selbstständige und Angehörige der freien Berufe, gemeinnützigen Unternehmen und Einrichtungen, die Corona-bedingt in den Monaten Juni bis August erhebliche Umsatzausfälle erleiden werden bzw. erlitten haben, sollen durch Zahlungen als Beitrag zu den betrieblichen Fixkosten in ihrer wirtschaftlichen Existenz gesichert werden. Ihre Höhe richtet sich nach den betrieblichen Fixkosten und dem Ausmaß des erlittenen Umsatzrückgangs und kann nur durch einen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer beantragt werden.

     

    Übersicht / Das sind förderfähige Fixkosten

    • Mieten und Pachten
    • Finanzierungskosten
    • weitere feste Ausgaben
    • Kosten für Auszubildende
    • Grundsteuern
    • Personalaufwendungen für Personal, das nicht in Kurzarbeit geschickt werden kann
    • Provisionsausfälle von Reisebüros bei Corona-bedingt stornierten Reisen
     

    Die maximale Höhe der Überbrückungshilfe beträgt 50.000 EUR pro Monat für maximal drei Monate. Bei Unternehmen bis zu fünf Beschäftigten beträgt der maximale Erstattungsbetrag 3.000 EUR pro Monat für maximal drei Monate, bei Unternehmen bis zu zehn Beschäftigten 5.000 EUR pro Monat für maximal drei Monate. In begründeten Ausnahmefällen können die maximalen Erstattungsbeträge für Kleinunternehmen überschritten werden.

     

    PRAXISTIPP | Für die Abwicklung sind die Bundesländer zuständig. Eine Übersicht über die Stellen in den Ländern finden Sie unter: www.iww.de/s3905.

     

    2. Zugriff an der Quelle

    Für den Gläubiger stellt sich die Frage, ob sie auf die Forderung eines Schuldners auf diese Hilfen mittels PfÜB zugreifen kann. Will er direkt an der auszahlenden Stelle zugreifen (= Drittschuldner, s. o. „Praxistipp“) muss er ggf. die Unpfändbarkeit nach § 851 Abs. 1 ZPO beachten (Mock, VE 20, 81).

     

    MERKE | Bei der Überbrückungshilfe handelt es sich um zweckgebundene Ansprüche, somit um eingeschränkt pfändbare Forderungen. Solche Ansprüche können also, solange die Zweckbindung besteht, nur zugunsten desjenigen gepfändet werden, für den die Mittel bestimmt sind (s. o.; vgl. auch BGH NJW 85, 2263). Da die Überbrückungshilfe ja gerade der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Unternehmen und zur Überbrückung von akuten Liquiditätsengpässen infolge der Corona-Krise dient, sind sie durch die unmittelbar betroffenen Gläubiger pfändbar, denen die Gelder eigentlich zustehen.

     
    • Beispiel

    Freiberufler F. ist aufgrund der Corona-Krise wegen fehlender Einkünfte nicht mehr in der Lage, seine monatliche Pacht von 1.500 EUR an Vermieter V. zu zahlen. F beantragt daraufhin eine Überbrückungshilfe.

     

    Lösung

    Da die Hilfen gerade dem Zweck dienen, die aufgrund der Corona-Krise entstandenen wirtschaftlichen Folgen zu mildern (hier: Pacht kann nicht gezahlt werden, ist V. berechtigt, auf die Hilfen mittels PfÜB zuzugreifen.

     

    Das muss der Gläubiger dann im amtlichen Formular ankreuzen:

     

    • Eintrag auf Seite 3

    Drittschuldner (genaue Bezeichnung des Drittschuldners: Firma bzw. Vor- und Zuname, vertretungsberechtigte Person/-en, jeweils mit Anschrift; Postfach-Angabe ist nicht zulässig; bei mehreren Drittschuldnern ist eine Zuordnung des Drittschuldners zu der/den zu pfändenden Forderung/-en vorzunehmen)

     

    Herr/Frau/Firma

                                                               

    vgl. www.iww.de/s3905

     
    • Eintrag auf Seite 4

    Forderung aus Anspruch

    G

     

     
    • Eintrag auf Seite 6

    Anspruch G

    (Hinweis: betrifft Anspruch an weitere Drittschuldner bzw. schon aufgeführte Drittschuldner, soweit Platz unzureichend)

     

    Auf Gewährung der Überbrückungshilfe aus dem Corona-Soforthilfeprogramm des Bundes

     
    • Eintrag auf Seite 9

    ☒ Nichtamtlicher Hinweis:

    Es handelt sich um einen zweckgebundenen Anspruch; solche Ansprüche können, solange die Zweckbindung besteht, zugunsten desjenigen gepfändet werden, für den die Mittel bestimmt sind. Da die Überbrückungshilfe als Beitrag zu den betrieblichen Fixkosten der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz infolge der Corona-Krise dient, sind die Gelder zweckgebunden einzusetzen. Da der Gläubiger

    ☐ Vermieter/Verpächter

    ☐ Leasinggeber

    ☐ Darlehensgeber

    ☐ Auszubildender

    ☐ Grundstücksgläubiger wegen Grundsteuern

    ist, fällt er unter die Zweckbindung.

     

    3. Zugriff beim P-Konto

    Unterhält der Schuldner ein P-Konto und wird die Überbrückungshilfe diesem gutgeschrieben, gilt für sämtliche Gläubiger, dass dem Schuldner zunächst ein automatischer Sockelfreibetrag von derzeit 1.178,59 EUR zusteht. Dieser Sockelfreibetrag kann im Einzelfall nach § 850k Abs. 2 ZPO aufgestockt sein. Das Kreditinstitut als Drittschuldner muss den Pfändungsfreibetrag berechnen und berücksichtigen.

     

    Sämtliche Guthabenbeträge werden somit unabhängig von ihrer Herkunft und Regelmäßigkeit geschützt, also auch Guthaben, die durch die Gutschrift pfändbarer oder (ganz oder teilweise) unpfändbarer Ansprüche entstehen.

     

    PRAXISTIPP | Da auch etwaige unpfändbare Ansprüche diesen Status mit Gutschrift auf dem P-Konto verlieren, muss das Kreditinstitut eine ggf. bestehende Unpfändbarkeit nicht beachten, weil mit Gutschrift der Anspruch des Schuldners auf diese Zahlungen erlischt und zu einem Auszahlungsanspruch gegen die Bank in derselben Höhe wird. Sobald also der dem Schuldner zustehende monatliche Freibetrag überschritten wird, ist der den Freibetrag überschießende Betrag an den Gläubiger auszuzahlen.

     

    Beachten Sie | Die in der Praxis nach § 850k Abs. 4 ZPO durch Schuldner regelmäßig gestellten Freigabeanträge sind in Bezug auf die Überbrückungshilfe nicht zulässig. Ein entsprechender Antrag ist nämlich nur auf die in § 850k Abs. 4 ZPO genannten Beträge beschränkt, wozu die Überbrückungshilfe gerade nicht gehört. Insbesondere handelt es sich bei der Überbrückungshilfe nicht um sonstige Einkünfte i. S. v. § 850i ZPO, die von § 850k Abs. 4 ZPO erfasst wären (LG Köln 23.4.20, 39 T 57/20).

     

    Vollstreckungsschutz kann daher nur ein Antrag des Schuldners nach der absoluten Ausnahmevorschrift gemäß § 765a ZPO bieten, indem er sich auf Sittenwidrigkeit bzw. Unzumutbarkeit beruft. Folge: Der Schuldner muss dies konkret darlegen, indem er zunächst die (angeblichen) anfallenden betrieblichen Kosten glaubhaft macht sowie glaubhaft macht, dass die Überbrückungshilfe tatsächlich benötigt wird, um den Fortbestand des schuldnerischen Betriebs zu schützen. Die Zweckgebundenheit ist also darzulegen (LG Koblenz 23.6.20, 2 T 357/20).

    4. Zugriff beim Nicht-P-Konto

    Besitzt der Schuldner kein P-Konto, ist die dem Konto gutgeschriebene Überbrückungshilfe zunächst komplett für sämtliche Gläubiger pfändbar. Schutz bietet hier u. U. ebenfalls nur ein Antrag des Schuldners nach § 765a ZPO, was allerdings der Einzelfallprüfung bedarf.

     

    PRAXISTIPP | Für Gläubiger und Schuldner ist jedoch nach § 835 Abs. 3. S. 2 ZPO zu beachten, dass der Drittschuldner erst vier Wochen nach der Zustellung des Überweisungsbeschlusses ‒ nicht Pfändungsbeschlusses ‒ an den Gläubiger leisten oder der Betrag hinterlegt werden darf, vorausgesetzt der Schuldner ist eine natürliche Person (nicht juristische Personen).

     

    Damit soll dem Schuldner ausreichend Zeit eingeräumt werden, ein P-Konto noch einzurichten bzw. einen Schutzantrag vor Auszahlung nach § 765a ZPO bzw. ggf. eine einstweilige Anordnung gemäß § 732 Abs. 2 ZPO zu erwirken.

     

    5. Zugriff beim Drittkonto

    Besitzt der Schuldner kein eigenes Konto und nutzt stattdessen das Konto eines Dritten (i. d. R. Ehegatte, Lebenspartner, Freund etc.), um hierüber den bargeldlosen Zahlungsverkehr abzuwickeln, kann der sich hieraus ergebende Auszahlungsanspruch des Schuldners gegen den Dritten gepfändet werden (BVerfG VE 15, 206; BGH VE 08, 118).

     

    Der Dritte ist dann Drittschuldner (zum Musterantrag vgl. VE 13, 130).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Corona-Krise ‒ Trauriger Anlass, aber: Pfänden Sie jetzt, VE 20, 73
    • Corona-Krise ‒ Wenn der Gerichtsvollzieher sich weigert, zu vollstrecken, VE 20, 73
    • So pfänden Sie Hilfen für Solo-Selbstständige und Einzelunternehmer, VE 20, 81
    • Räumungsschutz in Corona-Zeiten verlängert, VE 20, 93
    • Welche Zahlungen als Anerkennung für Beschäftigte in der Corona-Krise sind pfändbar?, VE 20, 98
    • Zweites Pandemie-Gesetz beschlossen: Das sind die Folgen für Gläubiger, VE 20, 112
    • Zwangsräumung trotz Infektionsgefahr? Ja!, VE 20, 132
    • P-Konto: Corona-Soforthilfe pfändbar, wenn Schuldner Zweckgebundenheit nicht glaubhaft macht, VE 20, 135
    Quelle: Ausgabe 08 / 2020 | Seite 142 | ID 46719050