· Fachbeitrag · Forderungspfändung
Schuldner unbekannt verzogen: Kann PfÜB trotzdem ergehen?
| Stellen Sie sich folgenden Fall vor: Der Gläubiger beantragt einen PfüB und gibt dabei an, dass der Schuldner unbekannten Aufenthalts ist. Da es für das Gericht nicht möglich ist, festzustellen, ob das angerufene AG als Vollstreckungsgericht für den Erlass des beantragten PfÜB örtlich zuständig ist, fordert es den Gläubiger auf, die Anschrift des Schuldners mitzuteilen. Hierzu ist er nicht in der Lage. Zwar hatte der Schuldner zuvor im Bezirk des angerufenen Vollstreckungsgerichts gewohnt, ist aber „abgetaucht“. Was kann der Gläubiger tun, damit der PfÜB erlassen wird? |
1. Grundsatz: Wohnsitz-AG ist örtlich zuständig
Örtlich zuständig für den Erlass eines PfÜB ist das AG, bei dem der Schuldner im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 13 bis 19 ZPO) hat (§ 828 Abs. 2 HS 1 ZPO). Dieser wird nach § 13 ZPO durch den Wohnsitz bestimmt.
MERKE | Ist der Schuldner unbekannt verzogen, richtet sich die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts nach dessen letztem Wohnsitz (LG Hamburg Rpfleger 02, 467; LG Halle Rpfleger 02, 467). Insofern hat der Gläubiger im Ausgangsfall zu Recht den Antrag an das ehemalige Wohnsitzgericht gestellt. |
2. Nicht ehemalige Schuldneradresse im PfÜB angeben
Da die Pfändung mit Zustellung an den Drittschuldner wirksam wird (§ 829 Abs. 3 ZPO), könnte der Gläubiger auf die Idee kommen, im PfÜB-Antrag einfach die alte Schuldneradresse anzugeben. Da das Gericht die Richtigkeit dieser Angabe nicht überprüft, erlässt es den PfÜB daher bei Vorliegen der übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen.
PRAXISTIPP | Von einer solchen Vorgehensweise ist jedoch dringend abzuraten. Denn ein Verstoß gegen die örtliche Zuständigkeit führt ggf. wegen Fehlerhaftigkeit zur Anfechtungsberechtigung des Schuldners. Dies bedeutet: Erlangt der Schuldner von der Pfändung Kenntnis (z. B. weil plötzlich sein Konto gesperrt ist und er bei der Bank nachfragt), kann er wegen Verstoßes gegen die Zuständigkeit nach § 766 ZPO Erinnerung gegen den PfÜB einlegen. Die Pfändung ist dann im Rechtsbehelfsverfahren aufzuheben. Folge: Der Gläubiger verliert sein Pfandrecht und muss sämtliche, wegen der Fehlerhaftigkeit verursachte Kosten tragen. |
3. Lösung: Öffentliche Zustellung des PfÜB beantragen
Ist der Schuldner unbekannt verzogen, sollten Gläubiger mit gesondertem Schreiben darauf hinweisen, dass das angerufene Gericht örtlich zuständig ist, da der Schuldner im Gerichtsbezirk seinen letzten bekannten Wohnsitz hatte, und zugleich öffentliche Zustellung des PfÜB beantragen (BGH NJW 03, 1530).
Dabei genügt es grundsätzlich, aktuelle Auskünfte des für den letzten bekannten Wohnort des Schuldners zuständigen Einwohnermelde- und Postamts vorzulegen, um den unbekannten Aufenthalt des Schuldners nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen.
MERKE | Zusätzliche Nachweise über weitere Ermittlungen darf das Gericht nicht anfordern. Dies würde die Zwangsvollstreckung unzumutbar erschweren. Denn solche zusätzlichen Nachweise sind nur selten Erfolg versprechend, für den Gläubiger aber mit einem erheblichen Zeit- und Kostenaufwand verbunden (BGH, a. a. O.). Vor allem ist es dem Gläubiger nicht generell zumutbar, am letzten Wohnsitz oder Arbeitsplatz des Schuldners Nachforschungen über den derzeitigen Wohnsitz anzustellen. Weitere Ermittlungsauflagen kann das Gericht dem Gläubiger daher nur auferlegen, wenn sich aus den Vollstreckungsunterlagen ergibt, dass Erfolg versprechende Ansätze für die Ermittlung des derzeitigen Aufenthaltsorts des unbekannt verzogenen Schuldners tatsächlich vorliegen. Dabei ist aber zu berücksichtigen: Ein Schuldner, der sich der Zwangsvollstreckung dadurch entzieht, dass er seinen Wohnsitz wechselt, ohne dies dem Einwohnermeldeamt anzuzeigen, wird nur selten dem früheren Arbeitgeber, Vermieter oder den Nachbarn seinen neuen Aufenthaltsort mitteilen. Verwandte des Schuldners haben zudem kein Interesse, den Gläubiger bei der Vollstreckung zu unterstützen. Auch die Polizeidienststelle, die für den früheren Wohnsitz des Schuldners zuständig war, hat üblicherweise keine Erkenntnisse über den neuen Aufenthalt. |
Musterformulierung / Schreiben an das Gericht bei unbekanntem Schuldnerwohnsitz |
An das Amtsgericht ‒ Vollstreckungsgericht ‒ ...
In der Anlage wird der Entwurf eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses übersandt und beantragt,
Begründung Das angerufene Gericht ist für den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses örtlich zuständig. Der Schuldner hatte im Gerichtsbezirk seinen letzten bekannten Wohnsitz.
Gemäß § 829 Abs. 2 S. 2 ZPO ist der erlassene Pfändungs- und Überweisungsbeschluss durch den zuständigen Gerichtsvollzieher dem Schuldner sofort zuzustellen.
Da der Schuldner allerdings derzeit unbekannten Aufenthalts ist, ist dies nicht möglich. Daher ist der ergehende Beschluss öffentlich zuzustellen.
Zum Nachweis der Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung genügt beim Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses grundsätzlich die Vorlage aktueller Auskünfte des für den letzten bekannten Wohnort des Schuldners zuständigen Einwohnermelde- und Postamts (BGH NJW 03, 1530).
Diesbezüglich wird auf die aktuelle Mitteilung des zuständigen Einwohnermeldeamts ... vom .. Bezug genommen.
Vorsorglich wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Gericht zusätzliche Nachweise über weitere Ermittlungen nicht anfordern darf, weil dies regelmäßig die Zwangsvollstreckung unzumutbar erschweren würde (BGH NJW 03, 1530).
Rechtsanwalt |