· Fachbeitrag · Forderungsvollstreckung
BGH zur Pfändung von Eigengeld Strafgefangener
Das Eigengeld, das durch Gutschriften von Arbeitsentgelt gebildet wird, das der arbeitspflichtige Strafgefangene für die Ausübung der ihm zugewiesenen Arbeit erhält, ist pfändbar. Die Pfändungsgrenzen der §§ 850c, 850f, 850k ZPO finden keine Anwendung (BGH 20.6.13, IX ZB 50/12, Abruf-Nr. 132886). |
Entscheidungsgründe
Bereits mit Beschluss vom 16.7.04 (IXa ZB 287/03, VE 06, 79) hat der BGH entschieden, dass der Anspruch eines Strafgefangenen auf Auszahlung seines Eigengeldes nach Maßgabe des § 51 Abs. 4 S. 2 StVollzG pfändbar ist. Soweit das Eigengeld aus Arbeitsentgelt für eine zugewiesene Beschäftigung gebildet worden ist, finden die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO und der Pfändungsschutz gemäß § 850k ZPO keine Anwendung.
Praxishinweis
Die nun ergangene Entscheidung reiht sich in diese Rechtsprechung ein, weist aber im Hinblick auf ein eröffnetes Insolvenzverfahren und das zwischenzeitlich ergangene Föderalismusreformgesetzes 2006 Besonderheiten auf (BGBl. I 06, S. 2034).
Auch im Insolvenzverfahren gilt, dass der Anspruch eines Strafgefangenen auf Arbeitsentgelt insgesamt unpfändbar ist und daher nicht dem Insolvenzbeschlag (§ 36 Abs. 1 InsO, § 851 Abs. 1 ZPO, § 399 BGB) unterfällt. Grund: Der Anspruch des Strafgefangenen ist auf Gutschrift und nicht auf Barauszahlung gerichtet. Durch die Gutschrift des Arbeitsentgelts auf dem Hausgeldkonto (drei Siebtel) und dem Eigengeldkonto (vier Siebtel) ist der Anspruch des Strafgefangenen gegen den Träger der Haftanstalt erloschen, § 362 Abs. 1 BGB analog. Insofern greift auch nicht der Pfändungsschutz des § 850c ZPO. Ein solcher Pfändungsschutz erstreckt sich nämlich gerade nicht auf das zur Bewirkung der geschuldeten Leistung ausbezahlte oder auf ein Konto überwiesene Geld. Vielmehr erlischt mit der als Arbeitseinkommen geschuldeten Forderung auch der bis dahin für diese Forderung bestehende Pfändungsschutz.
Unmittelbar findet auch § 850f ZPO keine Anwendung, weil nicht der Anspruch des Schuldners auf Gutschrift des Arbeitseinkommens in die Insolvenzmasse fällt, sondern allein sein Anspruch auf Auszahlung des Eigengeldes, soweit er der Pfändung unterliegt. Die entsprechende Anwendung von § 850f Abs. 1 ZPO scheitert schon daran, dass die Regelung auf § 850c ZPO verweist, der weder unmittelbar noch entsprechend Anwendung findet.
§ 850k ZPO kann ebensowenig unmittelbar angewendet werden. Grund: Die Justizvollzugsanstalt ist schon kein Kreditinstitut im Sinne dieser Vorschrift. Eine analoge Anwendung greift ebenfalls nicht, weil § 850k Abs. 1 ZPO auf die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO verweist, die weder mittelbar noch unmittelbar Anwendung finden.
§ 765a ZPO findet zwar grundsätzlich auch im Insolvenzverfahren Anwendung (BGH VE 09, 30; BGH VE 11, 80). Seine Voraussetzungen liegen aber hier nicht vor, da die Regelung Schutz gegen Vollstreckungsmaßnahmen ermöglicht, die wegen ganz besonderer Umstände eine Härte für den Schuldner bedeuten, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist.
Die Vorschrift ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Anzuwenden ist § 765a ZPO nur, wenn im Einzelfall das Vorgehen des Gläubigers nach Abwägung der beiderseitigen Belange zu einem untragbaren Ergebnis führen würde (BGH VE 11, 80). Dabei sind im Insolvenzverfahren auch die Ziele des § 1 InsO und die Besonderheiten der Gesamtvollstreckung grundsätzlich vorrangig zu berücksichtigen.
Der Umstand, dass dem Schuldner im Insolvenzverfahren wegen des Charakters der Gesamtvollstreckung eine Vielzahl von Gläubigern gegenübersteht, schließt die nach § 765a ZPO gebotene Interessenabwägung nicht aus. Sie muss jedoch in besonderem Maße den vielfältigen, regelmäßig die Schuldnerinteressen überwiegenden Gläubigerbelangen gebührend Rechnung tragen. Ein Eingreifen auf der Grundlage des § 765a ZPO kommt daher nur in Betracht, sofern zusätzlich Rechte des Schuldners in insolvenzuntypischer Weise schwerwiegend beeinträchtigt werden (BGH VE 09, 30).
Die vom Schuldner im Streitfall geltend gemachten Bedürfnisse nach Kleidung, Gruppenaktivitäten und Nahrungsmitteln im Zusammenhang mit seinem Ausgang begründen keine wegen ganz besonderer Umstände sittenwidrige Härte des Insolvenzbeschlags in diesem Sinne. Vielmehr befindet sich der Schuldner in der gleichen Lage wie alle Strafgefangenen, denen vollzugsöffnende Maßnahmen gewährt werden. Der Gesetzgeber hat dieser Personengruppe gerade kein im Hinblick auf einen etwaigen Sonderbedarf erhöhtes Taschengeld zugesprochen. Vielmehr ist er davon ausgegangen, dass auch diese Bedürfnisse im Rahmen der den Gefangenen vollzugsrechtlich verbleibenden Mittel zu befriedigen sind. Das Vollzugsziel, sie zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen, sah er nicht gefährdet.
Aber auch aus den allgemein gehaltenen Ausführungen des Schuldners zu seiner finanziellen Lage ergibt sich keine Gefährdung des Vollzugsziels und eine schwerwiegende Beeinträchtigung seiner Rechte, insbesondere hat er gerade nicht behauptet, infolge des Insolvenzbeschlags des Eigengeldes an den vollzugsöffnenden Maßnahmen zur Vorbereitung seiner Entlassung nicht mehr teilnehmen zu können.
Durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.8.06 (BGBl. I 06, S. 2034; Föderalismusreformgesetz 2006) wurde der Strafvollzug der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes (Art. 72 GG) entzogen und der Kompetenz der Ländergesetzgebung (Art. 70 Abs. 1 GG) zugeordnet. Danach sind die Länder befugt, eigene Strafvollzugsgesetze zu erlassen. Von dieser Befugnis haben bisher folgende Länder Gebrauch gemacht:
Übersicht / Strafvollzugsgesetze der Länder |
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Achtung | Für die in der Übersicht nicht aufgeführten Länder gilt nach wie vor das (Bundes-)Strafvollzugsgesetz.
Checkliste / Richtige Vorgehensweise beim Pfändungszugriff |
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Weiterführende Hinweise
- Praxis der Pfändung von Gefangenengeldern, VE 10, 214
- Eigengeld Strafgefangener: So pfänden Sie rechtssicher, VE 11, 16
- Geldentschädigungsanspruch Strafgefangener ist unpfändbar, VE 11, 147