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  • · Fachbeitrag · Immobiliarvollstreckung

    Sicherungshypothek: Möglichkeit der Eintragung kapitalisierter Zinsen nutzen

    | Stellen Sie sich folgenden Fall vor: Gläubiger G. hat eine titulierte Forderung von 750 EUR nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit 26.1.12. Schuldner S. ist Eigentümer eines Grundstücks. G. beantragt die Eintragung einer Sicherungshypothek. Er berechnet die Forderung voll nach Haupt- und Nebenforderung, Gerichts- und Anwaltskosten sowie Zinsen vom 26.1.12 bis einschließlich zum Tag der Antragstellung am 28.2.14 (76,65 EUR). Darf das Grundbuchamt die Eintragung vornehmen? |

    1. Problem: unterschiedliche Ansichten

    Die Frage, ob Zinsen kapitalisiert im Zwangsvollstreckungsverfahren eingetragen werden können, ist im Hinblick auf den Mindestbetrag der Zwangssicherungshypothek nach § 866 Abs. 3 ZPO umstritten:

     

    • Eine Auffassung hält die Eintragung von kapitalisierten Rückständen, die erst in der Zwangsvollstreckung betragsmäßig geltend gemacht werden, für zulässig, da diese zur Hauptforderung hinzuzurechnen sind. Grund: Das Zwangsvollstreckungsverfahren sei vom Erkenntnisverfahren unabhängig, und auch bei einer Verkehrshypothek sei es möglich, diese für eine kapitalisierte Zinsforderung zu bestellen (Musielak/Becker, ZPO, 10. Aufl., § 866 Rn. 4; Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 866 Rn. 5). Teilweise wird hierbei darauf verwiesen, dass zur fortdauernden Rangwahrung die Vollstreckung rückständiger Zinsen zur (betragsmäßigen) Eintragung als (bzw. mit der) Hauptsacheforderung geboten ist, da die Zinsen als Nebenforderung nach zwei Jahren ihren Rang nach dem ZVG verlieren würden (Zöller/Stöber, a.a.O).

     

    • Eine andere Ansicht hält Zinsen in kapitalisierter Form dagegen auch im Hinblick auf § 866 Abs. 3 ZPO nicht für eintragungsfähig. Als Argument wird angeführt, dass der Begriff der Nebenforderung in der Zwangsvollstreckung wie auch in § 4 ZPO gleichbedeutend sei. Nach § 4 ZPO sei für die Berechnung des Zuständigkeits- und Beschwerdewerts die Nebenforderung, somit die Zinsen, unbeachtet zu lassen. Dies sei nur anders, wenn die Zinsen schon als Kapitalbetrag der Hauptforderung zugeschlagen worden seien und insofern schon ein Titel bestünde, der auf einen solchen Betrag laute (OLG München Rpfleger 12, 138; OLG Köln 13.12.10, 2 Wx 199/10; OLG Hamm Rpfleger 09, 447; Münzberg in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. § 866 Rn. 6; HK-ZPO/Kindl, 2. Aufl., § 866 Rn. 5; Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 866 Rn. 5).

    2. Vorteil zeigt sich für Gläubiger in der Zwangsversteigerung

    Der Vorteil der bejahenden Auffassung besteht vor allem darin, dass die Eintragung der Zwangssicherungshypothek dazu führt, dass durch die Kapitalisierung - wie im Beispielsfall - der für die Sicherungshypothek erforderliche Mindestbetrag von mehr als 750 EUR (§ 866 Abs. 3 ZPO) überschritten wird und der Gläubiger somit seine zugrunde liegende Forderung dinglich absichern kann.

     

    Die Vorteile einer solchen dinglichen Sicherung für Gläubiger zeigen sich allerdings erst in einem später beantragten bzw. durchzuführenden Zwangsversteigerungsverfahren dadurch, dass

     

    • der eingetragene Zwangshypothekengläubiger von Amts wegen die Stellung eines Beteiligten nach § 9 Nr. 1 ZVG hat. Aus dieser Rechtsstellung heraus kann er z.B. Anträge auf abweichende Feststellung des geringsten Gebots oder der Versteigerungsbedingungen stellen. Darüber hinaus ist er berechtigt, von einem Bieter Sicherheitsleistung zu verlangen. Ebenso kann er Anträge auf Zuschlagsversagung nach §§ 74a, 85 ZVG stellen.

     

    • er als Gläubiger der Rangklasse 4 des § 10 ZVG bei ausreichendem Erlös gegenüber den Gläubigern der schlechteren Rangklassen 5 bis 8 (§ 10 Abs. 1 ZVG) eine vorrangige Zuteilung auf seine Forderung erhält.

     

    • er als Sicherungshypothekengläubiger bei Gefahr des Verlustes einer dinglichen Rechtsposition einen die Zwangsversteigerung vorrangig betreibenden Gläubiger mit dessen Forderung ablösen und somit als Rechtsnachfolger dessen Rang einnehmen kann (§§ 1150, 268 BGB). Somit kann er also aktiv das Versteigerungsverfahren beeinflussen, zumal er als potenziell bestrangig betreibender Gläubiger für die Berechnung des geringsten Gebots verantwortlich ist (§ 44 Abs. 1 ZVG).

     

    • er als dinglicher Gläubiger verlangen kann, dass eine im Rang vorgehende oder gleichstehende Eigentümerhypothek/-grundschuld gelöscht wird (§ 1179a BGB). Hierdurch rückt er dann in eine bessere Rangstelle mit besseren Befriedigungsmöglichkeiten vor.

     

    • es dem Schuldner quasi unmöglich ist, ohne Zustimmung des Gläubigers das Grundstück freihändig zu veräußern, da ein potenzieller Käufer in der Regel stets lastenfreies Eigentum erwerben will. Hierzu ist aber die Löschungsbewilligung des dinglich Berechtigten (Gläubiger) nötig, die dieser erst erteilen wird, wenn er befriedigt ist. Insofern ist die Zwangshypothek ein zusätzliches Druckmittel, um an (Teil-) Zahlungen zu gelangen.

     

    • der Wert eines zu versteigernden Grundstücks und damit die Befriedigungschancen durch den sog. Hypothekenhaftungsverband (VE 07, 48; App, VE 02, 121) erhöht werden. Denn kraft Gesetzes erstreckt sich nach § 1120 BGB die Zwangsversteigerungsbeschlagnahme automatisch auch auf solche Gegenstände, auf die sich bei Grundstücken eine Hypothek erstreckt. Praktisch bedeutsam sind vor allem Zubehörgegenstände wie z.B. Baumaschinen oder Inventar bei Gewerbebetrieben.

     

    • in der Zwangsversteigerung der Gläubiger mit seinen mehr als zwei Jahren rückständigen Zinsen anstatt in der Rangklasse 8 bzw. 5 in der Rangklasse 4 des § 10 ZVG zu befriedigen ist. Gerade in diesem Punkt zeigt sich in der Versteigerung die Bevorzugung.

     

    • Beispiel

    Im Grundbuch des Schuldners S. sind folgende Belastungen eingetragen:

     

    • Abt. III/1 50.000 EUR Grundschuld für A. nebst 15 Prozent Zinsen (kalenderjährlich nachträglich fällig) seit 1.1.11

     

    • Abt. III/2 Zwangssicherungshypothek für B. 15.000 EUR Hauptforderung nebst Zinsen in Höhe von 1.200 EUR (gerundet) vom 5.7.09 bis 28.1.11, zuzüglich Zinsen von 5 Prozent über dem Basiszinssatz ab 29.1.11 aus 15.000 EUR

     

    A. und der persönliche Gläubiger C., wegen einer Forderung von 10.000 EUR, betreiben die Zwangsversteigerung. Die Grundstücksbeschlagnahme wird am 13.2.13 durch Zustellung des Anordnungsbeschlusses an S wirksam. Der Verkehrswert wird auf 140.000 EUR festgesetzt. Versteigerungstermin ist der 16.3.14.

     

    Das geringste Gebot (VE 07, 202) berechnet sich folgendermaßen:

     

    1. Bestehen bleibende Rechte:

    keine

    2. Mindestbargebot

    a) Verfahrenskosten (angenommen)

    4.000 EUR

    b) öffentliche Lasten (angenommen)

    1.000 EUR

    5.000 EUR

    Es werden 100.000 EUR geboten. Der Zuschlag wird erteilt. Verteilungstermin ist der 29.5.14. Es werden zunächst die Ansprüche des Mindestbargebots beglichen, sodass noch restliche 95.000 EUR zur Verteilung verbleiben.

     

    Hiervon erhalten:

    III/1 laufende Zinsen vom 1.1.13 bis 28.5.14 (gerundet)

    10.500 EUR

    • angemeldete rückständige Zinsen 1.1.11 bis 31.12.12

    15.000 EUR

    • Kapital

    50.000 EUR

    III/2 laufende Zinsen vom 12.2.13 bis 28.5.14 (gerundet)

    895 EUR

    • angemeldete rückständige Zinsen 11.2.11 bis 11.2.13

    1.550 EUR

    • Kapital

    15.000 EUR

    • kapitalisierte Zinsen

    1.200 EUR

    C.

    855 EUR

    Da III/2 mit seinen mehr als 2 Jahre rückständigen Zinsen von 1.200 in der Rangklasse 4 nach § 10 Abs. 1 ZVG berücksichtigt wird, steht er somit dem persönlichen Gläubiger C. gegenüber besser.

     
    • Beispiel

    Im Grundbuch des Schuldners S. sind folgende Belastungen eingetragen:

     

    • Abt. III/1 100.000 EUR Grundschuld für A. nebst 15 Prozent Zinsen (kalenderjährlich nachträglich fällig) seit 1.1.11
    • Abt. III/2 Zwangssicherungshypothek für B. Hauptforderung 720 EUR nebst Zinsen in Höhe von 57 EUR (gerundet) vom 5.7.09 bis 28.1.11, zuzüglich Zinsen von 5 Prozent über dem Basiszinssatz ab 29.1.11 aus 720 EUR

    A. und der persönliche Gläubiger C., wegen einer Forderung von 10.000 EUR, betreiben die Zwangsversteigerung. Die Grundstücksbeschlagnahme wird am 13.2.13 durch Zustellung des Anordnungsbeschlusses an S. wirksam. Der Verkehrswert wird auf 170.000 EUR festgesetzt. Versteigerungstermin ist der 16.3.14. Das geringste Gebot (VE 07, 202) berechnet sich folgendermaßen:

     

    1. Bestehen bleibende Rechte:

    keine

    2. Mindestbargebot

    a) Verfahrenskosten (angenommen)

    4.000 EUR

    b) öffentliche Lasten (angenommen)

    1.000 EUR

    5.000 EUR

    Es werden 157.000 EUR geboten. Der Zuschlag wird erteilt. Verteilungstermin ist der 29.5.14. Es werden zunächst die Ansprüche des Mindestbargebots beglichen, sodass noch 152.000 EUR zur Verteilung verbleiben. Hiervon erhalten:

    III/1 laufende Zinsen vom 1.1.13 bis 28.5.14 (gerundet)

    21.000 EUR

    • angemeldete rückständige Zinsen 1.1.11 - 31.12.12

    30.000 EUR

    • Kapital

    100.000 EUR

    III/2 laufende Zinsen vom 12.2.13 bis 28.5.14 (gerundet)

    43 EUR

    • angemeldete rückständige Zinsen 11.2.11 - 11.2.13

    75 EUR

    • Kapital

    720 EUR

    • kapitalisierte Zinsen

    57 EUR

    C.

    105 EUR

    Da III/2 mit seinen mehr als zwei Jahre rückständigen Zinsen von 57 EUR in der Rangklasse 4 nach § 10 Abs. 1 ZVG berücksichtigt wird, steht er dem persönlichen Gläubiger C. gegenüber besser. Folgt man der verneinenden Ansicht, darf die Sicherungshypothek für III/2 erst gar nicht eingetragen werden, da dessen Hauptforderung nur 720 EUR beträgt, und daher der nach § 866 Abs. 3 erforderliche Betrag von 750 EUR nicht überschritten wird. Somit müsste III/2 ebenfalls seinen Anspruch aus der persönlichen Rangklasse 5 nach § 10 Abs. 1 ZVG betreiben. Ob hier dann eine Zuteilung erfolgt, hängt davon ab, ob er gegenüber dem C. dann eine frühere Grundstücksbeschlagnahme herbeigeführt hat.

     

    Die Rechtslage ist uneinheitlich. Manche Grundbuchämter sind der Auffassung, dass Zinsen nicht kapitalisiert werden können, weil diese hypothekenrechtlich zur Hauptforderung gehören und sich der Gläubiger so die in der Versteigerung bessere Rangklasse 4 „erschleichen“ könnte. Vor Antragstellung sollte man sich deshalb beim zuständigen Grundbuchamt erkundigen, um eine nicht rangwahrende Zwischenverfügung von vornherein zu vermeiden (vgl. Bachmann, VE 01, 10).

    Quelle: Ausgabe 04 / 2014 | Seite 61 | ID 42557350